Kapitel 16

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Sumi

Seite an Seite liefen Mark und ich die Wege des Parks entlang. Wir waren schon weiter entfernt von Yuna und Lucas und trotzdem konnte man die beiden noch lachen hören. „Ist Lucas immer so laut?“, fragte ich amüsiert an Mark gerichtet. „Naja, wenn ef mit den Membern unterwegs ist und gute Stimmung aufkommt, dann wird er schon Mal aufgedrehter.  Aber er kann auch ernst sein. Lucas ist gut im zuhören“, antwortete Mark. Ich nickte kurz auf. Danach kehrte wieder Stille zwischen uns beiden ein.

Diese langsamen Spaziergänge unternehme ich nur zu gerne. Es ist nichts anstrengend, jedoch bewegt man sich. Wie viele immer behaupten 'Bewegung tut gut' und das stimmt. Ich bin eine Person, die gerne Dinge unternimmt, bei denen man sich körperlich Betätigt. Am liebsten sind mir dann eben diese Spaziergänge. Ich lasse dann immer die ganze Umgebung, mit ihren Gerüchen, Geräuschen und den ganzen verschiedenen Farben, auf mich wirken. Währenddessen lasse ich meine Gedanken um jedes beliebige Thema schweifen. In diesem Moment waren es meine Eltern, wie sie es auch sonst so oft sind.

„Worüber denkst du nach?“, holte mich Mark aus meinen Gedanken. Ich zuckte mit den Schultern. „Nur über meine Eltern“, antwortete ich und starrte in die Ferne. „Was ist mit ihnen?“, hakte der Kanadier nach. Ich hob meine Schultern an und ließ sie danach wieder fallen. „Ist schwer zu erklären“, meinte ich. Mark nickte verständlich.

In einer gewissen Entfernung, konnte ich eine leere Bank erkennen. Mir kam ein Gedanke in den Kopf. „Ich kann es dir trotzdem erzählen. Dafür sollten wir uns aber hinsetzen“, sagte ich und lief weiter. „Das musst du nicht, wenn du dich nicht willst. Fühle dich nicht dazu gezwungen“, meint Mark nun. „Nein, alles okay. Manchmal tut es gut darüber zu reden“, lächelte ich ihn an.

An der Bank angekommen, setzten wir uns hin. Es blieb eine Weil ruhig. Mark wollte nichts sagen, da er mich nicht zwingen wollte, darüber zu reden. Und ich? Ich brauchte Zeit um die richtigen Worte zu sammeln. Als ich dann bereit war redete ich los. „Wie schon gesagt, es ist eine lange und etwas kompliziertere Geschichte. Ein paar Dinge kennst du auch schon, aber nunmal nicht alles“, fing ich an zu erzählen. „Was du schon kennst, ist die Beziehung zwischen meinen Eltern, meiner Schwester und mir. Meine Schwester ist das Vorzeige Kind hoch zehn. Wenn es nach meinen Eltern gehen würde, müsste ich alles genauso machen wie sie. Ich soll mich so anziehen, wie sie, auf die gleiche Schule gehen, wie sie und den gleichen Job annehmen, wie sie. Aber das Wichtigste, ich soll und muss die gleichen Schulnoten haben, wie meine Schwester“, fuhr ich fort. Mark saß in der Zeit still und aufmerksam zuhörend neben mir auf der Bank. Sein Blick lag auf mir. „Unsere Beziehung ist also nicht gerade gut und nun ja, sie ist schlechter geworden. Ich weiß gar nicht, wie man das ausdrücken soll“, schon wieder machte ich eine kleine Pause. Ich versuchte meine Worte zu ordnen. Bei Yuna schien es so einfach zu sein. Sie ist meine beste Freundin, ich konnte einfach drauf los erzählen. In dieser Situation ist es anders. Mark und ich sind zwar auch befreundet, aber sozusagen nur flüchtig. Wer weiß, was er von mir oder meiner Familie hält, wenn ich ihm diese Geschichte zu Ende erzählt habe.

„Du kannst dir Zeit nehmen, ich muss es nicht sofort wissen“, lächelte Mark mir zu. Zögernd legte er seine warme Hand auf meine kalte Hand und umschloss diese fest. „Ist dir kalt?“, hakte er nach. Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann dir meine Jacke geben, wenn du möchtest“, schlug der Kanadier vor. Ich schüttelte jedoch wieder meinen Kopf:„Ist schon gut. Trotzdem danke.“ Wieder einmal sagte keiner von uns beiden etwas. Meine Wenigkeit war viel zu sehr damit beschäftigt die perfekten Worte zu finden. Letztendlich wurde mir aber bewusst, dass es diese Worte nicht gibt. „Soll ich weiter erzählen?“, fragte ich Mark. „Wenn du möchtest“, meinte dieser. Daraufhin wandte er seinen Blick von mir ab und schaute in die Ferne, ich tat es ihm gleich.

„Es fing damit an, dass Yuna und ich unsere Biologie Klausur wiederbekommen haben. Wie erwartet, lief diese nicht ganz so gut. Wir beide hatten eine schlechte Note. Ich bin dann an dem Tag nach Hause gekommen und habe dort kein einziges Wort über diese Klausur verloren, denn sonst würden meine Eltern mir die Hölle heiß machen. Das haben sie dann im Endeffekt auch. Meine Schultasche stand unten im Flur, als ich oben in meinem Zimmer waren. Um die Sache auf den Punkt zu bringen, haben die beiden meine Klausur gefunden und mich angemeckert. Das nicht nur wenig. Beide wurden immer lauter, auch ich wurde immer lauter. Irgendwann kamen wir dann an einem Punkt an, an dem wir nur noch geschrien haben“, nun war fast alles raus, aber nur fast. Mark schien zu überlegen, was ich jedenfalls aus seinem Gesicht ablesen konnte. „Das tut mir wirklich Leid. Ich wusste ja, dass deine Eltern anders gestrickt sind, was das angeht. Aber dass es so schlimm ist, das habe ich nicht gewusst“,  sein Blick war immer noch nach vorne gerichtet. Währenddessen er redete, spürte ich, wie Mark meine Hand ein bisschen fester hielt. Ich räusperte mich kurz, um den Kloß in meinem Hals loszuwerden. „Das ist noch nicht alles“, meinte ich. Daraufhin drehte Mark sich zu dir. „Wieso? Was ist denn noch passiert?“, hakte er nach, mit einem bestimmten Gesichtsausdruck. Er war besorgt um micj, das habe ich ihm zuvor noch nie angesehen. Es war eine komplett neue Situation vor mich. „Mein Vater, er war noch nie die gelassenste Person und besonders gut beherrschen kann er sich auch nicht. Als er so wütend war, da hat er dann kurz diese Beherrschung verloren. Mein Vater erhob seine Hand und wollte mir mehr oder weniger eine verpassen“, nach dem letzten Satz fiel Mark alles aus dem Gesicht. Er ließ meine Hand los und fuhr sich fassungslos durch die Haare. „Das stimmt nicht oder? Was erlaubt er sich? Du bist seine Tochter“, gab Mark aufgebracht von sich. „Aber es ist nichts passiert“, sagte ich, um ihn etwas zu beruhigen. Der Kanadier schüttelte sein Kopf:„Was ist, wenn etwas passiert wäre? Dein armes Gesicht.“ Vorsichtig hob mein Gegenüber sein Arm an und legte seine Hand auf meine Wange. Ich war von dieser Reaktion überrascht, weswegen mein Herz anfing schneller zu schlagen. „Aber jetzt geht es dir wieder besser?“, fragte Mark nach. Ich nickte leicht. „Dann ist ja gut“, er atmete erleichtert auf und zog mich in seine Arme. „Ab jetzt, kannst du wirklich immer auf mich zählen. Ich werde für dich da sein, Sumi!“
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1104 Wörter

Thinking 'bout you.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt