28.Kapitel

1.2K 335 131
                                    


Forster hasst Louis dafür, dass Emilia nach seiner Geburt in ein tiefes Loch gefallen ist, das sie fast das Leben gekostet hat. Wäre sie nicht schwanger gewesen, wäre das alles nie passiert.

In seinen Augen ist Louis Existenz an allem schuld. Obwohl ich jetzt das Gefühl habe, dass es Emilia gut geht.
Zumindest machte sie auf mich diesen Eindruck.

Damit habe ich nicht gerechnet. Also Cornel mir sagte, dass Forster Mr Tomlinson nicht leiden kann, dachte ich, die beiden hätten vielleicht mal ein Geschäft miteinander gemacht, das nicht zufriedenstellend ausgegangen ist. Hätte ich denn ahnen können, dass es um etwas anderes geht? Um Vaterliebe.

Nach dieser Information ziehe ich mich in Louis Zimmer zurück, bleibe allerdings im unteren Raum auf der Couch sitzen und starre hinaus aus dem Fenster. Jetzt rückblickend, ist mir auch klar, wieso mir Emilias Augen so vertraut vorkamen. Es sind Louis' Augen, die mich da angesehen haben. Und Titus' bockige Reaktion, als ich die Taube verscheucht habe, war dieselbe, die auch Louis an den Tag legen konnte, weil sie Halbbrüder sind. Jetzt ist das alles klar.

Wieso zur Hölle muss das alles so passieren? Hilflos vergrabe ich die Haare in den Händen.
Könnte Forster es auf Louis abgesehen haben, um Tomlinson eine auszuwischen? Zumindest wäre es denkbar, dass er darüber nachdenkt. Aber wenn Louis sein Enkel ist, dann müsste es da doch eine Verbindung geben.

Würde der Mann wirklich seinen eigenen Enkel in Gefahr bringen? Hätte Emilia da nicht auch sicherlich was dagegen? Oder ist ihr Louis immer noch egal?
Vielleicht ist sie auch nach wie vor wütend auf ihn, weil es ihr seinetwegen so schlimm ging.

Verdammt, ich weiß es nicht und ich kann die beiden ja schlecht fragen.

Diese Sache wird immer ein Buch mit Sieben Siegeln bleiben, es sei denn, man berichtet mir durch Zufall etwas. Das glaube ich allerdings nicht. „Scheiße ist das kompliziert", seufze ich und ziehe mein Hemd aus. Es ist viel zu warm und am Rücken schon vollkommen nassgeschwitzt. Nachdenklich fahre ich mit den Fingern über den steifen Kragen. Wenn ich einfach so tue, als wüsste ich von nichts, dann dürfte nichts passieren. Oder?
Ich meine, was soll Forster schon tun? Er weiß, dass ich Louis brauche, um an die Information zu den Bildern heranzukommen und sollte es für ihn keine Genugtuung sein, zu wissen, oder zu glauben, dass ich Louis Liebe vorspiele? Mit Sicherheit freut es ihn, wenn er weiß, dass ich seinen Enkel absichtlich verletze und ihm Liebeskummer bereite. Das sollte befriedigend genug sein, denke ich. Außerdem hätte Forster ja schon längst selbst etwas gegen Louis und seinen Onkel planen können. Immerhin wusste er sicherlich, dass der Junge sein Enkel ist, lange bevor ich aufgekreuzt bin. Wieso also sollte er ihm also erst jetzt etwas tun?

Der Gedanke beruhigt mich ein wenig und ich nicke, um mich selbst zu bestätigen. Ja, so wird es sein. Natürlich ist diese Information wichtig für mich, da hat Eleanor schon Recht getan, sie mir mitzuteilen, aber ich denke nicht, dass sie so ausschlaggebend für diese ganze Aktion sein wird. Gähnend sehe ich auf meine Uhr. Es ist fast Eins. Ich muss ins Bett.

Mit schweren Schritten steige ich die Wendeltreppe hinauf, ziehe mich aus und lege mich neben Louis, der noch immer schläft. Bevor ich die Augen schließe, sehe ich ihn an. Forsters Blut fließt in seinen Adern.

Wird das die Art, wie ich ihn sehe verändern?

Werden sich meinen Gefühle ihm gegenüber jetzt vielleicht verändern?

Nein, das wird nicht passieren. Ich liebe ihn. Ganz egal, was er für eine Herkunft hat und ob ein Teil seiner Familie kriminell ist. So sind wir uns vielleicht sogar ein kleines Stückchen ähnlicher. Immerhin bin ich ja auch kein Mensch mit einer weißen Weste.

Thin Ice • Buch II (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt