Zwei Tage später stehe ich wieder auf meinem Posten im Laden, als die Tür aufgeht und Forsters Tochter Emilia hereinkommt.
„Titus, Opa wartet schon auf dich", sagt sie über die Schulter und hält die Tür auf. Sie trägt einen cremefarbenen Mantel und hübsche Schuhe und macht den Eindruck, als hätte sie noch einen wichtigen Termin. Schnell komme ich um den Tresen herum und nehme ihr die Tür ab. „Sieh, Mummy kann die Tür schon nicht mehr halten", sagt sie nach draußen und lächelt mich dankbar an. „Aber ich muss noch warten, bis die Taube weggeflogen ist", höre ich eine helle Kinderstimme von draußen und sehe den kleinen Jungen, der auf dem Bürgersteig steht und eine Taube anschaut, die es sich auf einer Laterne bequem gemacht hat. Ich pfeife einmal laut durch die Zähne und die Taube flattert davon.
Der Junge dreht sich zu mir um und ich nicke ihm zu: „Na komm, deine Mummy wartet schon." Der Knirps sieht mich böse an, weil ich die Taube verscheucht habe und erinnert mich ein bisschen daran, wie Louis mich angesehen hat, wenn ich etwas gemacht habe, das ihm nicht gepasst hat. Mit kurzen Schritten stapft er an mir vorbei in den Laden.
„Danke", sagt Emilia lächelnd zu mir und ich schließe die Ladentür wieder. „Er kann sich von Tieren einfach nicht losreißen." Naja, er ist ja auch noch ein Kind und wenn er hier in London aufgewachsen ist, dann hat er vielleicht auch eher selten die Möglichkeit Tiere zu sehen.
„Ich hole dann mal Ihren Vater", sage ich und gehe hinter den Tresen. Emilia und der Kleine warten im Verkaufsraum. „Mr Forster, Ihre Tochter ist da", sage ich und klopfe an die Tür seines Büros. „Habe ich dir nicht klar gemacht, dass der Laden nie unbeaufsichtig sein darf?", blafft mich Forster an, als er aus seinem Büro kommt. „Ja, Sir, ich dachte allerdings, weil es ja Ihre Tochter...", fange ich an, unterbreche mich dann aber schnell selbst. Ich habe nicht zu denken, sondern auszuführen. Deswegen verziehe ich mich schnell wieder auf meinen Posten und sehe dabei zu, wie Forster vom Geschäftsmann zum liebenden Opa wird. Sein Enkel wirft sich in seine Arme und quietscht vor Freude, als er ihn durch die Luft wirbelt.
Wie lieb er mit dem Kind umgeht.
„Ich bin jetzt eine Woche nicht da", sagt Emilia und Forster nickt. „Er wird's gut bei mir haben, das weißt du doch, mein Schatz", versichert er ihr und sie lächelt: „Das weiß ich doch, Papa." Mr Forster verschwindet mit seinem Enkel wieder im Hinterzimmer und sie winkt ihnen lächelnd nach. Der Kleine scheint sich wirklich total auf die Zeit bei seinem Großvater zu freuen, denn es ist kein Abschiedsschmerz zu sehen. „Toll, dass er so einfach mit ihm mitgeht", sage ich leise und sie nickt: „Ja, das stimmt, da haben es andere Mütter schwerer, als ich. Aber Titus war schon immer sehr viel bei seinem Großvater, damit ich meiner Arbeit nachgehen kann. Er ist daran gewöhnt und liebt die Zeit bei ihm sehr."
„Gibt es denn keinen Vater zu ihm, der ab und zu auch mal aufpassen könnte?", frage ich leise, denn ich kann mir vorstellen, dass das ihren Alltag sicherlich auch etwas entzerren würde, wenn sie das Kind nicht ständig durch die ganze Stadt fahren müsste, um ihn abzugeben. „Doch, den gibt es. Aber er will von seinem Kind nichts wissen...er ist noch sehr jung, erst 25 und ich glaube, es hat ihn verwirrt, als ich sagte, dass ich schwanger bin." Ihr Blick wandert aus dem Fenster, sie wirkt kurz in Gedanken und sagt leise: „Manchmal ist man eben noch nicht bereit für ein Kind. Ich konnte ihn verstehen und habe ihm deswegen keine Vorschriften gemacht. Ich weiß ja, dass ich mich da voll und ganz auf meinen Vater verlassen kann." Sie lächelt matt, ihr Blick huscht dann nochmal kurz zum Perlenvorhang, hinter dem man den Kleinen lachen hören kann, dann verabschiedet sie sich von mir und geht.
Sie ist wirklich nett und ich kann nicht anders, als sie zu mögen. Irgendwie bin ich sicher, dass sie nichts von den Machenschaften ihres Vaters weiß und im Grunde einfach nur eine alleinerziehende Mutter ist.
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Thin Ice • Buch II (Two Hearts Reihe)
FanficFortsetzung von 9-2-9 [Teil 1 muss gelesen werden, sonst ist das Verständnis hier ein wenig eingeschränkt] Dünnes Eis Das ist es, worauf sich Harry bewegt, als er nach seiner Festnahme zurück nach London kommt. Forster hat ihn im Blick und seine näc...