35.Kapitel

1.1K 326 85
                                    

In den nächsten Tagen komme ich langsam wieder in die Gänge. Obwohl ich noch sehr viel schlafe, werden die Abstände, in denen ich wach bin, größer und ich sammele wieder Kraft.

Das Haus von Mr Forster ist groß, im Landhausstil gebaut, mit ausladender Terrasse und Pool, sowie einem schönen Garten, der für Titus allerlei Spielmöglichkeiten bietet.
Emilia hat mir einen Liegestuhl in die Sonne gestellt und ich ruhe mich dort aus, während sie mir Gesellschaft leistet.

Mr Forster verbringt den ganzen Tag in seinem Büro in der ersten Etage und auch Cornel ist da, allerdings nicht die ganze Zeit, was mich erleichtert, so muss ich ihnen nicht allzu oft über den Weg laufen.

Mein Chef hat mir einige Unterlagen gegeben, die ich gerade lese, als ein Schatten auf mich fällt und ich den Blick hebe. Emilia steht vor mir, in Badeanzug und Sonnenbrille. „Darf ich mich zu dir setzen?", fragt sie und ich nicke. Sie breitet ein Handtuch auf ihrer Liege aus und setzt sich, dann wendet sie sich mir zu und sagt ganz direkt: „Du kennst Louis, oder?"

Ich glaube, mir fällt in diesem Moment alles aus dem Gesicht. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass sie das Thema auf Louis lenkt. „Woher...?"
„Du warst doch in den Nachrichten und den Namen kenne ich. Zumindest den Nachnamen. Ich wusste nicht dass er Louis heißt, aber als ich das Bild gesehen habe, wusste, ich dass er es ist", sagt sie langsam. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn nach so langer Zeit wieder erkenne, aber so war es...er ist so erwachsen geworden.“
„Ja, ich kenne ihn, ich war ja Recht lange mit ihm unterwegs. Aber du hast ihn abgegeben, das hat er mir gesagt. Wieso interessiert dich das?", frage ich und kann den Vorwurf nicht aus meiner Stimme verbannen. Emilia nickt: „Ja das habe ich. Ich war erst 17 und viel zu jung für ein Kind. Louis Vater hat ihn zu sich genommen. Er war bereits damals sehr vermögend und viel erwachsener und es war besser für das Baby. Ich hätte Louis nichts bieten können und war selbst noch ein Kind. Aber ich dachte, ich frage dich trotzdem mal nach ihm. Ganz vergessen habe ich ihn nie, auch wenn ich es nie bereut habe, ihn abgegeben zu haben. Ein Teil von mir wird er immer bleiben.  Willst du mir sagen, wie er so ist?“

Wie kann man sein Kind abgeben? Ich kann es nicht verstehen - will es nicht verstehen. Jedes Kind braucht seine Mutter. Oder nicht?

„Er ist dickköpfig und ziemlich stur, kann sich durchsetzen und weiß was er will. Aber er ist auch höflich und freundlich. Ich glaube, er hat eine gute Erziehung genossen.“ Mehr will ich ihr nicht sagen. Ich weiss nicht, wie viel von den Informationen bei Forster landet. Das hier ist Privat und geht ihn nichts an. Emilia nickt langsam und beißt sich auch die Unterlippe, dann sagt sie: „Weiß er denn von mir?"
Ich schüttelte den Kopf und in ihrem Gesicht ist eine Mischung aus Erleichterung und Schmerz zu lesen. Louis weiß nicht, was mit ihr passiert ist und hat erst recht keine Ahnung, wer sie ist. „Vielleicht auch besser so", sagt sie leise.

Ja, vermutlich ist es das. Was würde Louis denken wenn er wüsste dass sie die Tochter des Mannes ist, der Schläger in meine Wohnung geschickt hat?

Die Stimmung am Pool ist seltsam gekippt und ich weiß nicht, ob es besser wäre, jetzt einfach zu gehen. Ich hab keine Ahnung, ob und was ich darauf denn jetzt erwidern könnte, also raffe ich meine Unterlagen zusammen und stemme mich hoch. „Ich gehe mal zu deinem Vater, der wollte noch was mit mir besprechen.“

Es ist eine Flucht vor dem Gespräch und wer weiß, vielleicht muss ich es irgendwann einmal zu Ende führen, aber gerade weiß ich nicht, wie das gehen soll, deswegen breche ich das hier lieber ab. Auf keinen Fall will ich etwas falsches sagen.

Im Haus ist es kühl, als ich ins Wohnzimmer komme und leise die Treppe hinauf ins Büro von Mr Forster gehe. Die Tür steht offen und er hebt den Kopf, als er mich auf der Treppe hört und tatsächlich lächelt er kurz.
Dieser Mann scheint ein 180° Wende vollzogen zu haben, seitdem ich seinen Enkel gerettet habe und ich kann es immer noch nicht ganz glauben. „Hast du die Unterlagen durchgesehen?", fragt Forster und ich nicke schnell.

Thin Ice • Buch II (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt