21.Kapitel

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Ein unauffälliger Wagen bringt mich am frühen Morgen aus der Tiefgarage heraus. „Wohin wollen Sie?", fragt mich der Mann am Steuer und ich nenne ihm Louis Adresse. Sollte mich jemand dort morgen früh erwarten, wäre es unlogisch, wenn ich nicht mehr da wäre.

Nachdem ich Louis per Anruf geweckt habe, lässt er mich wieder rein. Er stellt keine Fragen, obwohl ich ihm ansehen kann, dass er wissen will, wo ich gewesen bin.

„Ich kann es dir nicht sagen", flüstere ich leise und umarme ihn fest, als wir wieder in seinem Bett liegen. „Ich weiß", murmelt Louis und sieht an die Decke. „Ich find's aber nicht gut, dass du mir nichts sagst...immerhin bin ich dein Freund." Obwohl ich so müde bin, dass ich nicht mehr genau weiß, was ich sage, drehe ich mich zu Louis um und sehe ihn an: „Es ist nicht ungefährlich und wenn du davon weißt, dann könnte ich keine Nacht mehr ruhig schlafen. Willst du mir wirklich antun, dass ich mir die ganze Zeit Sorgen um dich mache? Dann liege ich jede Nacht wach, bekomme Sorgenfalten und graue Haare."

„Du würdest mir auch mit grauen Haaren gefallen", nuschelt Louis und kuschelt sich in meine Arme. „Hauptsache, ich würde endlich wissen, was du machst. Es ist schon verdächtig, wenn du mitten in der Nacht erst telefonierst, dann für einige Stunden verschwindest und dann wieder da bist. Hältst du mich für blöd?" Diese Worte würden beeindruckender klingen, wenn Louis nicht ständig gähnen müsste. „Es tut mir leid, Kleiner. Ich verspreche dir, dass ich es dir sagen werde, sobald es passt und alles sicher ist", nuschele ich, drücke meine Lippen lange und genüsslich auf seinen Hals und bringe ihn zum Schweigen.

„Harry...lass das, das kitzelt", nuschelt er, streckt sich allerdings noch ein wenig mehr, damit ich besser an die dünne Haut herankomme. Doch ich gehe nicht weiter, dazu bin ich viel zu müde.

Der Rest dieser Nacht ist still. Kein Handy klingelt und ich kann schlafen, auch wenn in meinem Kopf eine Menge los ist und ich keinen traumlosen Schlaf habe. Am nächsten Morgen klingelt Louis' Wecker und reißt mich aus dem Schlaf.

Er hat so ein ziemlich altmodisches Ding auf dem Nachttisch stehen, das ich nur noch aus Filmen kenne und es ist so dermaßen laut, dass es mir beinahe das Trommelfell zerfetzt. Stöhnend richte ich mich auf und nehme das klingelnde Ding in die Hand. Wo schaltet man es aus? Ratlos drehe ich es in den Händen und es scheppert fröhlich weiter. Louis hingegen merkt nichts und schläft weiter, als läge er in einem stillen Wald und nicht neben einem Wecker. „Louis!", sage ich laut und stupse ihn an. „Louis, der Wecker...ich kriege ihn nicht aus."

„Werf ihn einfach gegen die Wand, das mache ich auch immer", nuschelt er und ich halte kurz inne. Soll das ein Witz sein? An der Wand fallen mir einige Macken auf und ich vermute, dass das die Stelle ist, die Louis jeden Morgen bewirft. Gut, wenn er meint. Kurzerhand hole ich aus und werfe den Wecker durchs Zimmer. Er knallt gegen die Wand und verstummt.

Es hat tatsächlich funktioniert! Trotzdem kann ich leider nicht liegen bleiben. Mein Handy zeigt nämlich schon wieder einige Nachrichten an und ich weiß, dass ich mich recht bald bei Forster einzufinden habe und bin gerade froh, dass mich Menzies heute Nacht abgeholt hat. So habe ich Informationen, die ich ihm geben kann und hoffentlich sind dann die Gemüter ein wenig beruhigt, nachdem es ja beim letzten Mal alles andere als gut war.

„Musst du nicht aufstehen?", frage ich, gebe Louis einen Kuss auf die Stirn und schwinge die Beine aus dem Bett. „Ich muss was für die Uni machen", seufzt er und deckt sich auf. Im Zimmer ist es verdammt warm, weshalb ich das Fenster öffne und kurz inne halte. Gegenüber auf der anderen Straßenseite, glaube ich für einen Moment jemanden stehen zu sehen. Aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet.

Bis ich angezogen bin, ist Louis immer noch nicht aufgestanden und blickt mich traurig an, als ich mich nochmal zu ihm ans Bett setze, um mich zu verabschieden. „Ich muss los, Kleiner. Ich weiß leider nicht, wann wir uns wiedersehen." Mein Freund seufzt und zieht eine Schnute, dann beißt er sich auf die Lippe und ich ahne, was jetzt kommt: „Sorry nochmal, wegen gestern."

Thin Ice • Buch II (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt