In der Pause sitze ich mit Jimin auf der Bank am Baum. Wir verstehen uns echt gut und können über die gleichen Sachen lachen. Von Weitem sehen wir, wie Yoongi zu uns herüber kommt.
Jimin winkt ihm sofort und grinst. „Guten Tag, Großvater", begrüßt er ihn, was Yoongi lediglich kurz die Augenbrauen verziehen lässt. „Dir auch hallo, Prinzessin, und dir natürlich auch, Taehyung", sagt er anschließend und ich bekomme sogar ein Lächeln von ihm. „Hey, Hyung– diesmal bin ich keine Prinzessin?", begrüße ich ihn. Anschließend reden wir die Pause über, bis ich irgendwann frage: „Yoongi Hyung, kannst du eigentlich singen?"Er schaut mich verwirrt an und Jimin fängt an zu lachen. „Hyung und singen? Oh Gott, in was für einer Welt lebst du?" Ich schmolle leicht. „Lass mich doch!" „Um deine Frage zu beantworten", fängt Yoongi an, „ich singe zwar gerne, aber ob ich es kann... Liegt im Auge des Betrachters, würde ich sagen." Ich nicke leicht. „Wieso fragst du eigentlich?", fragt mich Yoongi verwundert. Ich lächle ihn leicht an. „Ich hab an dem Tag, als ihr zwei, also du und Jungkook, mich sozusagen gerettet habt, vorher jemand auf einem Felsen gesehen, der gesungen hat. Und dann hab ich gedacht dass es ja vielleicht du hättest sein können, weil die Person schnell weg war und du mit deinen... besonderen Lebensumständen hättest ja schnell da weg kommen können. Du weißt schon", sage ich, bevor ich grinse.
„Einfach schwimmen, einfach schwimmen, einfach schwimmen, schwimmen, schwimmen." Jimin lacht etwas, wohingegen Yoongi nur leicht lächelt. „Nope, das war ich nicht, nachher zeigt mich jemand wegen Körperverletzung an, sollte jemand mein Singen hören", antwortet er dann auf meine indirekte Frage. Jedoch habe ich das Gefühl, dass in seinem Gesicht noch eine andere Emotion zu sehen ist, aber ich kann sie nicht spezifizieren. Es ist wie ein leichter Anflug von Panik, aber keine ängstliche Art der Panik. Es wirkt eher so, als wenn er von einer latenten Gefahr wüsste, sie allerdings vor Jimin und mir verborgen halten wolle. „Alles okay, Hyung?", frage ich ihn.
Yoongi blinzelt etwas und schaut mich dann an. „Huh? Ähm, ja, alles gut, ich war nur etwas in Gedanken." Meine Lippen verziehen sich zu einem leichten Schmunzeln. „Du hast voll paralysiert ausgesehen bei deinen Gedanken", stelle ich fest, „woran hast du bitteschön Gedacht?" „Ich habe mir vorgestellt wie ich der Polizei erklären muss, warum so viele Leichen im Wasser schwimmen", sagt er, „und sie mir nicht glauben, dass es wegen meinem Gesang war, immerhin bin ich keine Sirene." Meine Augen weiten sich leicht. „So etwas gibt es? Also auch so hier?" „Was meinst du denn mit ‚auch hier'?", fragt Jimin mich jetzt verwirrt. „Naja, also ich dachte so was gibt es in Griechenland oder so was", erkläre ich, wobei sich meine Wangen in eine leichte rosige Lavenderfarbe verwandeln. Vielleicht hat es auch einen Stich ins altrosane, ich habe keinen Spiegel zur Hand. „Und warum genau sollte es die in Griechenland geben aber nicht in Korea?", fragt Yoongi komplett verwirrt. Ich lege den Kopf schief.
„Habt ihr denn noch nie in der Schule darüber gesprochen?" Der Blick der beiden wurde noch ratloser, also holte ich etwas aus meiner Schultasche. Es war eine Landkarte, welche ich selbst gezeichnet habe. Ich erweitere sie wann immer ich neue Informationen finde, deshalb habe ich se eigentlich immer dabei. Mein Finger richtet sich auf eine Stelle. „Das hier ist Athen. Da sind viele Sachen passiert, das habt ihr bestimmt schon mal in Geschichte gemacht oder so. So, und Odysseus musste Mal eine göttliche Aufgabe erledigen. Also nicht nur Mal, sondern ganz oft, aber wir reden nur über diese eine Aufgabe. Die mussten an den Sirenen vorbei fahren. Sind die eigentlich wirklich halb Frau, halb Vogel? Naja, jedenfalls haben die da auch noch Orpheus aufgegabelt, einen sehr guten Sänger, quasi das positive Gegenstück zu den Sirenen. Und nur durch Orpheus konnte die Mannschaft gerettet werden, weil niemand außer einer, Beutus oder so, den Gesang der Sirenen gehört hat." Ich hole kurz Luft, wobei ich eine Pause mache.
Mein Finger ist die ganze Zeit über die gezeichnete Landkarte geflogen um den beiden Geschichtsbanausen vor mir klar zu machen, was genau passiert ist. Nachdem ich Mal wieder geatmet habe, schaue ich die beiden an. „Deshalb dachte ich die hätten was mit Griechenland zu tun. Immerhin liegt die Insel im Mittelmeer und Griechenland am Mittelmeer also... ja", beende ich meinen Vortrag. Die beiden schauen mich gleichermaßen beeindruckt und verwirrt an. „Also da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht", sagt Yoongi anerkennend, was den farbigen Schimmer auf meinen Wangen wieder erscheinen lässt. Alte Geschichte ist neben dem Meer und der Kunst etwas, dass ich sehr bewundere. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen und es ist einfach so unglaublich spannend, sich vorzustellen, wie unsere Zivilisation entstanden ist.
„Also zunächst einmal, Sirenen gibt es überall, allerdings sind die keine Vögel oder so. Es sind wunderschöne, aber sehr leicht bekleidete Meerfrauen, die nachts oft auf den Felsen singen und sich dabei ihre Haare kämmen. Ganz selten gibt es auch männliche Sirenen. Ach, und wenn ich sagen Meerfrauen, meine ich jetzt nicht sowas wie mich, mit einem Fischschwanz. Es sind wirklich einfach Frauen die im Meer leben. Ich kenne mich jetzt mit Evolution und so nicht aus, vielleicht haben die sich aus dem Vogel-Zeugs entwickelt. Aber die sind auch nicht mehr so gefährlich. Klar, ihr Gesang fesselt Kreaturen, aber sie sind nicht mehr so brutal. Sirenen sorgen nur dafür dass deine Sinne etwas verwirrt sind. Sie können damit töten, ja, aber meistens machen sie es nicht. Zumindest nicht ohne einen Auftrag", erklärte mir Yoongi.
Ich nicke total baff und lasse das Alles auf mich wirken. Im dem Moment springt etwas auf meinen Rücken und lässt mich fast das Gleichgewicht verlieren. „Hyung", jammert mein kleiner Bruder in mein Ohr, „bitte sag mir, du hast noch etwas zu Essen." Ich lache leicht und befreie mich vom ihn. „Wenn du so ein Vielfraß bist, kann ich doch nichts dafür. Kauf dir was am Kiosk oder so. Und jetzt husch husch, ich will mit meinen Freunden reden", versuche ich ihn abzuwimmeln. „Aber ich habe kein Geld, Hyung", jammert er weiter. Ich Seufzer, bevor ich mein Portemonnaie hervorziehe und ihm einen Geldschein hinhalte. „Aber hol die was vernünftiges, mehr gibt es nicht", ermahne ich ihn. Als Dank bekomme ich ein Lächeln, einen Kuss auf die Wange und ein „Hyung, du bist der beste" von meinem Bruder, bevor er davon rennt.
Als ich kurz darauf wieder im Unterricht sitze, denke ich über Yoongis Worte bezüglich des Singens nach. Ich war mir in meiner Annahme so sicher, doch jetzt schien es falsch gewesen zu sein. Mein Gehirn arbeitet auf Hochtouren, ich versuche ein Detail zu finden, welches mir entgangen ist. Doch jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Bei nichts. Kann ich meinen Augen überhaupt trauen? War das ein Trick des Lichts? Ein Traum? Verzweifelt stütze ich meinen Kopf in meine Hände und starre an die Tafel, an welcher ein Zitat eines Charakters aus unserer Lektüre prangt; Mit dem Wissen wächst der Zweifel.
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Under The Sea ♛ TaeKook [completed; Hobby Award, Fishriver Award]
FantasíaHeißer Sand unter den Füßen und rauschende Wellen um ihn herum - das ist das Leben, welches sich der junge Surfer Taehyung schon immer gewünscht hat. Doch findet er in Sokcho nicht nur die Liebe seines Lebens, er bekommt es auch mit dem Vermächtnis...