Weihnachtsspecial 2/2 - The Song Of The Sea

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Im Jahre 1724

Die Sonne stand hoch über dem kleinen Dorf, an der Küste des Ägäischen Meeres, als die junge Frau auf ihren Geliebten wartete. Ihre Füße wurden von den sanften Wellen immer wieder umspielt, ließen den Sand umhertollen. Das helle Schreien einiger Möwen machte die Kulisse zu einem wunderschönen Szenario, welches sie am liebsten jeden Tag erleben würde, doch dies blieb ihr wegen der Arbeit im Stall des Herrenhauses, welches ihr Onkel betrieb, leider verwehrt. Doch heute, an einem sonnigen Sonntagmorgen, hatte sie sich freinehmen können. Während ihre Nase den Duft der See einzog, der sie so sehr an ihn erinnerte, richteten sich ihre strahlend blauen Augen auf einen bestimmten Punkt in der Ferne.

Ihre Lippen breiteten sich zu einem Lächeln aus, während sie beobachtete, wie eine Gestalt immer deutlicher wurde und immer näherkam. Sie stand auf, klopfte sich den Sand von ihrem weißen Sommerkleid und ließ es anschließend etwas im Wind umherflattern, genau wie es ihre blonden Locken taten. Nach einigen Momenten, endlich, trat er an den Strand, leuchtete nahezu mit seiner Schönheit, und ließ den Blick über ihre Anmut schweifen. Einige Sekunden lang war es still, lediglich die Natur lebte weiter, bis sie sich nach vorne stützte und ihre Arme fest um ihre Liebe schlang.

Dieser tat es ihr gleich und vergrub sogleich sein Gesicht in ihren Blonden Locken, zog den Geruch ihres Badezusatzes ein. Er wusste, sie durfte sich nur zu wenigen Momenten in der Fülle des Herrenhauses waschen oder gar baden, und es rührte ihn, dass sie es dann tat, wenn sie sich sahen. Immerzu sparte sie es sich auf, ging lieber an die öffentlichen Flüsse oder Badehäuser, in denen zum Teil grausame Gesellschaft ihr Unwesen trieben, nur um ihn aufs Neue mit ihrer Eleganz in den Bann zu ziehen. Erneut schien die Zeit eine Weile still zu stehen, während beide die Nähe des Anderen genossen.

„Ich habe dich vermisst", sagte sie, als sie ihren Kopf, der bis dato auf seiner Schulter ruhte, hob, um in sein Gesicht zu sehen. Seine Finger fangen den Weg zu einer ihrer Haarsträhnen, mit welche er sogleich herumspielte. „Ich dich auch, meine Schönheit", antwortete er, was einen rötlichen Schimmer auf ihre Wangen zauberte. „Ich liebe dich", fuhr sie fort. „Und du bist meine Liebe", antwortete er. „Dann küss mich", forderte sie. „Nichts lieber als das", und seine Lippen schmiegten sich an ihre.

Sie brauchten keine großartigen Modalitäten, ganz alleine diese Verbindung, seine Hände an ihren Wangen, ihre Hände an seiner Brust, genügten den beiden Liebenden. „Wie lange bleibst du?", fragt sie ihn leise, als sie den Kuss lösten. „Ich weiß es nicht, Liebste, unser Herrscher mag es nicht, wenn wir solche Verbindungen zu den Menschen haben. Ich hatte heute das Gefühl, mir würde jemand folgen, jedoch konnte ich nichts und niemanden ausmachen", sagte er leise, prägte sich ihr Ebenbild ein, denn ihnen beiden war bewusst, dass jedes Treffen das letzte sein könnte.

„Werde ich jemals wieder deine wahre Gestalt sehen?", fragte sie, strich über seine helle Haut, die sie einst blau gefärbt gesehen hatte, als sie beide sich das erste Mal zufällig in den Strömungen des Meeres trafen. „Du weißt, meine Liebe, dass ich dich nicht mit ins Meer nehmen kann und nur dort entfesselt sich meine wahre Gestalt", antwortete er wehleidig. Noch immer standen sie sich nahe, ihr Kopf lag erneut an seiner Schulter, während sein Kinn auf ihrem Kopf ruhte. Sie blieben still, hörten der Natur dabei zu, wie sie atmete, lebte und sich veränderte. Doch ihre Ruhe sollte nicht für immer währen.

Schon bald, es waren einige wenige Treffen vergangen, wurde sie eines frühen Morgens von ihrem Onkel aus dem Schlaf gerüttelt. „Du musst die Pferde satteln, wir müssen weg hier, das Meer, es spielt verrückt!", waren dessen einzige Worte und sofort schien sie hellwach. Sie, als einzige dieses Dorfes, wusste, woran es lag. Sie wusste, dass es kein Entkommen gab und sie wusste, dass es ihre Schuld war. Ihrer beider Schuld. Also verzichtete sie darauf, sich andere Kleidung als ihr dünnes Nachthemd anzuziehen, verzichtete auf das Satteln der Pferde.

Dünn bekleidet und mit nackten Füßen rannte sie durch die befüllten Straßen, wo allerlei Menschen aufgescheucht umherliefen. Das erste Mal in ihrem Leben achtete sie nicht darauf, ob sie jemanden anrempelte, zu Boden stieß. Denn sie war sich sicher, dass sie ihn dort am Strand finden würde, dass er versuchen würde, das Dorf zu schützen. Der Sand machte sich zwischen ihren Zehen breit, verteilte sich unter ihren Fußnägeln, als sie schnellen Schrittes zu ihm rannte wie er dort am Strand stand, in seiner wahren Form, und die Arme ausgebreitet hatte.

Voller Verzweiflung schmiss sie sich von hinten an ihn, schluchzte in seinen Nacken. Er biss sich auf die Lippe, er konnte es noch nie ertragen, wenn seine Geliebte traurig war. „Du musst fliehen, meine Liebe, weit weg von hier, ich kann seine Macht nicht für immer bändigen. Es ist wahr, es ist mein Herrscher, er möchte mich bestrafen, also fliehe, du bist mein Lebenselixier!", bat er sie durch das tosen des Windes und das laute rauschen der immer größer werdenden Wellen hinweg um einen letzten Gefallen. So gerne würde sie seinen Namen schluchzen, ihn bitten, mit ihr zu fliehen, doch hatte er ihr nie seinen Namen genannt. „Ich werde nicht ohne dich gehen, mein Geliebter!", rief sie und klammerte sich an seinen Körper.

„Wir sind es doch, die dieses Unheil angerichtet haben, dies ist unser jüngstes Gericht! Ich werde nicht gehen, sofern du nicht mit mir kommst!" Doch er schüttelte den Kopf, verkrampfte sich etwas, da die Eindämmung der Katastrophe an seinen Kräften zehrte. „Ich muss hierbleiben und das Menschen Volk beschützen!" Sie hob den Kopf aus seinem Nacken, schaute hinauf zum Dorf und konnte noch einige rennende Menschen erkennen. Sie ließ von ihm ab, stellte sich neben ihn und drehte seinen Kopf in ihre Richtung. „Ich liebe dich", hauchte sie und ein letztes Mal trafen ihre Lippen aufeinander.

Es war ein Abschiedskuss voller Liebe, doch auch voller Reue. Sie beide entschuldigten sich stumm dafür, den anderen in diese Lage gebracht zu haben. Er ist bereit, sie gehen zu lassen. Doch nicht, als sie einen Schritt in Richtung des Wassers macht und ihm klar wird, was sie vorhat. „Nicht! Verlasse mich, aber nicht auf diese Weise! Opfere dich nicht, meine Liebe, fliehe und lebe weiter!", rief er ihr zu. Sie drehte ihren Kopf, ihre blonden Locken flogen herum, während ihre Füße von dem Wasser umspielt wurden. Ihr Lächeln widersprach den Tränen in ihren Augen, die Glitzerten als bestünden sie aus Perlmutt.

„Verrätst du mir deinen Namen, Liebster? Jetzt, wo gleich alles vorbei sein wird?", fragte sie, und obwohl es so leise gesprochen war, erreichte ihn jedes dieser Worte. „Shizseojin! Mein Name ist Shizseojin, meine Liebe", rief er ihr zu, seine Stimme voller Verzweiflung, „und bei meinem Namen, ich kann dich nicht so verlieren!" Sie streckte ihre Finger in seine Richtung aus, ohne ihn zu berühren, während sie einen Schritt weiter in das tobende Gewässer machte. „Was für ein wunderschöner Name, für einen wunderschönen Mann", sagte sie, lächelnd, während Tränen ihr Gesicht benetzten.

„Ich hoffe du wirst später, in einigen Jahren, jemanden finden, der dich genauso liebt wie ich dich liebe", sagt sie, schreitet rückwärts immer weiter in die Wellen, „denn das tue ich dich, ich liebe dich so sehr, dass ich mich jede Sekunde, die ich dich nicht sehen konnte, nach dir gesehnt habe." Ihr Körper war nun bis zu ihrer Taille im Wasser verschwunden. „Und es tut weh, dich so verlassen zu müssen, doch nur so kann der Rest meines Dorfes gerettet werden. Es tut mir leid, mein Geliebter, doch so muss es sein", ihre Brust war bedeckt, nur ihr Kopf ragte noch hinaus.

„Ich liebe dich, Shizseojin", waren ihre letzten Worte, bevor sie sich umdrehte, und ihr Kopf unter der Wasseroberfläche verschwand. Pure Verzweiflung durchströmte ihn, er viel auf die Knie, seine Kraft wurde nun nicht mehr gebraucht. Das Meer war ruhig, doch nun regnete es. Und nicht nur vom Himmel regnete es, auch seine Augen regneten, feuchteten sein Gesicht an, nässten seine Hände, in denen er Schutz suchte. Sie war fort. Und es schien ihm, als könnte das ganze Dorf das Brechen seines Herzens hören.

Under The Sea ♛ TaeKook [completed; Hobby Award, Fishriver Award]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt