Kapitel 40 - Salzwasser und Ranoúnkoulus

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Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich damit gerechnet habe. Für einen Moment schaue ich ihn einfach nur sprachlos an, bevor ich mich kurzerhand nach hinten auf die Steinplatte fallen lasse. Ich kann hören wie Jungkook erschrocken die Luft einzieht und ich muss mir ein Grinsen verkneifen. „Ich hab ihn doch extra vorgewarnt", höre ich ihn murmeln und spüre, wie er sich leicht über mich beugt. „Kélyfos, wach auf", haucht er dann sanft gegen meine Lippen und ich muss schmunzeln. „Vielleicht wache ich ja auf wenn die wunderschöne Sirene über mir mich küsst?", schlage ich vor und vernehme ein leises Kichern. „Idiot", flüstert er und ich öffne meine Augen. „Nur deiner", sage ich, während ich ihn anschaue und meine Hand an seine Wange lege. „Und jetzt küss mich endlich." Sofort kommt er meiner Bitte nach und legt seine Lippen auf meine, woraufhin wir beide unsere Augen schließen. Sanft bewegen sie sich gegeneinander und für einen Moment ist der ganze Konflikt, die ganzen Unklarheiten vergessen. Es zählt nur der Moment und Jungkooks sündhaft weichen Lippen auf meinen.

Als wir uns lösen, lächeln wir und noch einen Moment lang an. „Warum hast du immer so extrem weiche Lippen?", frage ich dann schmollend. Er lacht und wirft seine imaginären langen Haare nach hinten. „Salzwasser und Ranoúnkoulus, Baby!", ruft er schon fast euphorisch. „Ra–was?" Er küsst meinen Mundwinkel. „Ranoúnkoulus ist der griechische Name für den Hahnenfuß, eine Pflanze. Eigentlich wächst sie eher an Teichrändern, aber unsere Wassernymphen haben eine besondere Spezies gezüchtet, die auch im Salzwasser tief unten wächst. Wir stellen daraus eine Art Balsam her, den nennen wir Charmolýpi, ich habe keine Ahnung, wie man das genau übersetzen soll, aber es ist auf jeden Fall etwas in die Richtung bittersüß, weil es ein ekelhaftes Gefühl ist, sich das auf die Lippen zu schmieren, aber wie du weißt–" „–ist das Ergebnis fantastisch", hauche ich und küsse ihn erneut, fahre mit der Hand durch seine Haare.

Sein Körper lehnt sich mehr in meine Richtung, eine seiner Hände legt sich auf meine Brust. Sanft beiße ich ihm auf seine Lippe und er gewährt mir Einlass, unsere Zungen tanzen ihren einstudierten Tanz. Wir beide genießen den Kuss in seiner vollen Grazie und schauen uns anschließend verliebt in die Augen. „Erzählst du mir mehr?", hauche ich und er nickt, legt seinen Kopf auf meiner Brust ab. „Also wie ich schon erzählt habe, mein Vater ist gestorben, in einem Kampf gegen das Meraki Königreich. Sie waren damals nicht damit einverstanden, wie mein Vater unser Königreich beherrschte, weil viele Wesen aus Meraki zu uns gekommen sind." Er seufzt leise und ich fahre durch seine Haare. „Kriege im Ozean laufen anders ab, als über Wasser, weißt du? Wir haben keine Pistolen oder Kanonen, stattdessen benutzen wir Magie und antike Waffen, wie Schwerter und Dreizacke, vor allem aber auch unsere Kräfte, die mit den verschiedenen Geburtsformen, kommen. Eine Wassernymphe hat demnach andere Kräfte als zum Beispiel ein Meermann."

Ich spüre ihn schlucken. „Es war– grauenvoll. Ich war damals noch nicht ganz zehn Jahre alt und musste zusehen, wie sich eigentlich friedliche Wesen bekämpften. Es waren nur einige Tage, aber für Meerwesen ist das schon extrem, denn wir sind eigentlich friedliche Wesen. Meine Mutter und ich haben uns im Palast versteckt gehalten, doch irgendwann ist auch sie in den Kampf gezogen, ich bin alleine zurückgeblieben. Doch dann kam Yoongi vorbei." Ich kann sein Lächeln auf meiner nackten Brust spüren, als er das erzählt. Er beginnt damit, Kreise auf diese zu malen, während er fortfährt. „Ich hatte ihn ein paar Mal gesehen, er war der Sohn einer der höchsten Bediensteten im Palast. Ich hatte ein paar Mal mit ihm gesprochen mehr nicht. Doch er nahm mich damals in den Arm und ich hatte eine Stütze, ihm hat es nichts ausgemacht, dass ich weinte und mich an ihn geklammert habe, bis ich eingeschlafen bin." Er macht eine kurze Pause und seufzt leise. „Das, was währenddessen passiert ist, habe ich so oft erzählt bekommen, dass es sich anfühlt als wäre ich dabei gewesen. Dann war der Kampf beendet, eine Friedensvereinbarung ausgehandelt. Aber der Befehl zum Ende ist nicht bei allen angekommen, als mein Vater sich mit uns vereinte, vor dem Palast, wurde er–" Als ich ihn Schluchzen höre, setze ich mich sofort auf und nehme ihn fest in den Arm, streichle ihn beruhigend.

„Man hat ihn mit einem Dreizack erstochen, Tae, während wir daneben standen!", schluchzt er und drückt sein Gesicht an meine Brust. Ich spiele mit einigen seiner Haarsträhnen, da ihn das immer beruhigt. „Er wollte uns auch umbringen, mithilfe von Magie, doch wurde von der obersten Wassernymphe von Halcyon in Magie gehüllt und so unschädlich gemacht. Und ich– ich stand einfach nur daneben und bin zu meinem Vater gerannt, hab an hm gerüttelt und geweint, hab nur noch seinen letzten Satz gehört, bevor meine Mutter mich sanft weggezogen hat, mich zu Yoongi gebracht hat, der für mich da war. Ab da, jeden Tag, er wurde mein bester Freund." Ich ließ ihm seine Zeit, mal wieder kann ich spüren, dass noch mehr kommen wird und ich bilde mir ein, dass es ihm vielleicht hilft, es sich alles von der Seele zu reden. „Als der Meraki Meermann aufgewacht ist und man ihm alles erzählt hat, hat er gesagt, dass er das nicht wusste.

Er hat gesagt, dass er dem König einen Gefallen tun wollte, damit er die Belohnung bekommen würde, es war viel Geld." Jungkook schaut hoch zu mir. „Er hatte eine Familie, Tae, eine kleine Tochter und seine Frau und er erwarteten das zweite Kind. Sie hatten nicht viel Geld, ich konnte es verstehen, ich habe den damaligen König von Meraki angebettelt, ihm Frieden zu gewähren. Meine Mutter hat es auch versucht, aber es hat einfach nichts gebracht. Er hatte gerade noch Zeit sich von seiner Tochter und Frau zu verabschieden. Von einer Sekunde auf der nächsten hatte er keinen Kopf mehr, denn der ist vor meine Füße gerollt." Ich weite meine Augen und presse Jungkook wieder feste an mich, als er erneut anfängt, zu schluchzen. Ein Wesen hinzurichten war schon schlimm genug, es dann auch noch öffentlich, im Beisein der Familie, im Beisein von Kindern... „Ich erinnere mich noch an die Schreie, die Empörung, der Kopf wurde der Tochter in die Hände gedrückt, der Leichnam mit magischem Feuer verbrannt. Es war einfach schrecklich."

Er weint sich etwas bei mir aus, während ich ihm sanfte Beruhigungen zuflüstere. „Und jetzt kommt das, was für dich eher interessant ist nä–", ich unterbreche ihn mit einem sanften Kuss. „Alles, was du erzählst ist interessant für mich, auch wenn es herzzerreißend ist. Denn das bist du und du bist das interessanteste Wesen, dass ich kenne, denn ich liebe dich mit meinem ganzen Herzen." Er wird leicht rot und küsst mich schnell, wahrscheinlich, damit ich ihn nicht noch mehr in Verlegenheit bringen kann. „Ich liebe dich auch, Tae", haucht er. Wir schauen uns einen Moment wortlos an und ich streiche im einige Haare aus der Stirn. „Er hat es damals noch geschafft, einen Fluch zu hinterlassen, bevor die Nymphe ihn eingehüllt hat", erklärt mir Jungkook dann und ich habe eine Vermutung. „Und der hat dich getroffen?", nehme ich also an und er nickt. „Ich bin eine verfluchte Sirene, dazu verdammt, niemals an Land zu gehen", haucht er leise und schaut zu Boden.

Under The Sea ♛ TaeKook [completed; Hobby Award, Fishriver Award]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt