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Nein.

Auch wenn ich weiß, dass es kein Traum ist, kann ich es nicht glauben.

So viele Zettel. So viele Namen. Und genau meiner wird heraus gezogen. Mein Name. Mein verdammter Name.

Ich schlucke. Das Mädchen neben mir blickt mich an. Schon komisch, dass mich alle Mädchen erleichtert anschauen und sich freuen, dass ich sterbe. Aber ich kann es ihnen nicht vorwerfen. An ihrer Stelle wäre ich auch erleichtert.

"Wo bist du Sky?", will Eileen lächelnd wissen.

Wie hypnotisiert gehe ich mit starrem Blick nach vorne. Irgendwo höre ich einen Schrei. Es ist mein Vater. Er scheint ganz weit weg zu sein.

Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu. Seine Augen treffen auf meine. So viel Schmerz, so viel Leiden liegt in ihnen. Er hat das nicht verdient. Er hat es nicht verdient, seine Tochter zu verlieren, nicht er. Der Mann, dem ich alles verdanke, der für mich da war, als ich meine Mutter verloren habe.

Es kann nicht sein.

Wieso hat es genau mich getroffen?

Ich weine nicht. Ich habe auch keine Angst. Ich fühle mich leer und tief in mir weiß ich, dass die Sky, die ich noch vorhin war, in dem Moment, wo mein Name vorgelesen wurde, gestorben ist. Ich werde niemals wieder die Sky sein. Aber wann war ich schon die Sky? Die Sky ist an dem Tag, an dem ihre Mutter exekutiert wurde, mit ihr gestorben. Ich bin schon lange nur noch eine leere Hülle.

Die Bühne kommt mir immer näher. Ich kann nicht sterben. Ich will nicht sterben. Ich will in Tränen ausbrechen, mich auf den Boden legen und einfach nur schreien. Meine Maske droht zu zerbrechen, weshalb ich verzweifelt die Augen schließe.

Als ich sie aufschlage, bin ich jemand Anderes.

Meine Maske liegt wieder auf meinem Gesicht. Bloß keine Angst zeigen. Bloß nicht zeigen, dass ich schwach bin. Sorgfältig und behutsam habe ich mir meinen Gesichtsausdruck auf die Haut gemeißelt, einen Gesichtsausdruck, der den Anschein von Intelligenz, aber auch Vorsicht vermittelt. Die perfekte Mischung.

Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich auf der Bühne angekommen, wo Eileen mich bereit breit grinsend erwartet.

"Hallo, Sky", begrüßt sie mich fröhlich und klatscht wie ein kleines Kind in die Hände.

Sie freut sich, dass endlich wieder die Hungerspiele beginnen und sie gut gelaunt zuschauen kann, wie Andere um ihr Überleben kämpfen müssen.

Mein starrer Blick löst sich und ich schaue mich um. Mein Gehirn arbeitet auf Hochtouren.

Ich muss gewinnen. Ich muss zu meinem Vater. Ich lasse ihn nicht im Stich, wie meine Mutter es getan hat. Ich werde die anderen Tribute austricksen und damit gewinnen.

Ich werde alles dafür tun wieder zurück zu ihm zu kommen. Alles.

Ich schiebe alle Zweifel beiseite, die mir zuflüstern, dass es eine Sache gibt, die ich nicht dafür tun würde. Töten.

"Und nun zu dem männlichen Tribut", sagt Eileen und ich kann, obwohl ich auf den Boden starre, aus ihrer Stimme heraushören, dass sie immer noch lächelt.

Meine Augen huschen hin und her, so verzweifelt suche ich nach einem Plan. Ich werde mich nicht in Kämpfe einmischen, denn in der Stärke werde ich ganz sicher nicht punkten. Ich werde mich verstecken und so gut wie niemanden umbringen. Erst ganz am Schluss werde ich den letzten Tribut erledigen.

Und dann bin ich wieder zu Hause. Das klingt doch schon mal beruhigend...

Aber nicht realistisch.

Fᴜᴄʜsɢᴇsɪᴄʜᴛ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt