29

118 24 4
                                    

Einige Minuten blicke ich Marvel hinterher, immernoch sprachlos. Wie konnte ich so etwas tun? Er hat mich gerettet, beschützt, getröstet...und ich danke ihm, indem ich ihn abweise? Was bin ich nur für eine undankbare Person. Obwohl ich mir einrede, dass es das Beste ist, bereue ich meine Worte.

Ich habe ihn verletzt.

Ungläubig schüttele ich den Kopf und starre in die, sich im Wind wehenden, Büsche. Leere hat sich in mir ausgebreitet, wie immer, wenn ich versuche meinen Schmerz zu verstecken. Niemand darf sehen, dass ich ihm nachtrauere, niemand darf wissen, wie sehr ich ihn noch liebe.

Es ist besser so.

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und beginne zu laufen. Ich habe schrecklichen Durst, wage es aber dennoch nicht auch nur einen Schluck zu trinken, weil ich Angst habe, nicht mehr aufhören zu können und die ganze Flasche auszutrinken.

Mein Magen grummelt und ich versuche ihn so gut es geht zu ignorieren. Ich muss weitergehen, einfach irgendwohin.

Ich spüre Tränen in meinen Augen, doch ich wische sie weg, ehe sie ihren Weg hinaus finden.

Ich darf nicht weinen. Weinen ist schwach.

Weinen ist nicht schwach. Weinen bedeutet, den Schmerz aus sich herauszulassen. Ihn zu verarbeiten.

Ich atme tief durch und konzentriere mich darauf, meine Schritte gleichmäßig zu setzen. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und hole meine Trinkflasche, um kurz darauf gierige Schlücke zu trinken. Alles in mir schreit nach mehr Wasser, doch ich zwinge mich, die Trinkflasche von meinen Lippen zu nehmen, denn das Wasser muss für längere Zeit reichen.

Ich verstaue die Flasche wieder in dem Rucksack und marschiere weiter, vollkommen orientierungslos.
Da ich an einer Stelle im Wald bin, an der die Bäume fast die komplette Sicht auf den Himmel verdecken, weiß ich nicht, wo die Sonne steht. Es scheint aber ungefähr Nachmittag zu sein, da ich schon sehr lange laufe. Vielleicht kommt es mir aber auch nur so lange vor und in Wirklichkeit laufe ich erst seit einer halben Stunde.

Ich sitze gerade gedankenverloren auf den moosbedeckten Waldboden, um eine kleine Pause einzulegen, als das Pfeifen des Spotttölpels wieder erklingt. Es ist das selbe Pfeifen, wie vorhin und es ertönt nicht von weit weg.

Alarmiert springe ich auf und umklammere mein Messer. Abwartend blicke ich mich um, mein Herz schlägt furchtbar schnell vor Aufregung und das ängstliche Kribbeln, das ich jedes Mal, wenn ich mich vor etwas fürchte, habe, breitet sich in meinem Bauch aus. Langsam drehe ich mich, um auch einen Blick auf die andere Seite zu werfen. Doch niemand erscheint.

Was soll ich tun? Soll ich weitergehen? Oder warten bis die Person, die die Melodie pfeift, geht?

Erneutes Pfeifen erklingt und ich zucke zusammen. Es ist so nah... Es könnte hinter jedem Busch sein...

Ratlos und panisch huschen meine Augen zwischen den Büschen und Bäumen umher. Was geht hier vor? Sind es wieder Mutationen?!

Mein Magen dreht sich beinahe um, als ich an die Mutationen zurückdenke, die erschienen sind, als ich für die Karrieros auf einen der Bäume geklettert bin. Sie waren schrecklich...

Voller Angst starre ich umher und flehe darum, dass es ein Tribut ist, der das Geräusch verursacht. Denn die Tribute sind menschlicher als die Mutationen. Sie verspüren Mitleid, wenn sie töten, im Gegensatz zu Mutationen, die mir einen qualvollen, langsamen Tod bereiten könnten...

In mir zieht sich alles zusammen, meine Finger umklammern das Messer so fest, dass ich mich wundere, woher diese Kraft so plötzlich kommt.

Das Pfeifen ertönt. Diesmal so nah, dass ich darauf wette, dass die Person direkt vor mir steht.

Fᴜᴄʜsɢᴇsɪᴄʜᴛ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt