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(Jimin POV)

Minho war der Erste aus der Klasse, der mich angesprochen hatte, als ich neu auf das Internat kam. Er half mir erst mit so ziemlich allem, bis ich mein Selbstbewusstsein etwas aufgebaut hatte und mich um die meisten Sachen dann auch selbst kümmern konnte.

Taehyung war Minhos bester Freund und er erzählte mir am Anfang immer mal wieder etwas über ihn, damit ich ihn besser kennenlernen konnte. Ich weiß zum Beispiel, dass Tae Bibimbap über alles auf der Welt liebte und eine große Portion ganz alleine schaffen konnte zu essen, was nebenbei gesagt ne echte Meisterleistung war. Die privaten Sachen aber hielt Minho höchstwahrscheinlich für sich. Logisch. Über das Privatleben anderer zu tratschen ist echt unterste Schublade. Oder vielleicht wusste er über diesen Abschnitt von Taes Vergangenheit auch gar nicht Bescheid.

Wie es auch immer wahr. Niemand, aber auch wirklich niemand, wäre auf die Idee gekommen, Tae einen Mord anzuhängen. Umso schockierter waren wir alle. Ich starrte den vor mir auf den Boden sitzenden Jungen an und könnte es einfach nicht begreifen. Ich könnte es mir einfach nicht vorstellen.

Ich war so in meinen Gedanken versunken, mir darüber klar zu werden, wie jemand solch eine grausame Tat jemanden aus der Familie antun konnte, als ich merkte, wie sich Yoongi neben mich auf den Boden setzte. Automatisch rutschte ich von ihm weg. Ich drehte mich mit dem Rücken zu ihm und vermied es so, ihn anzuschauen. Diese Art von mir wurde zur Gewohnheit gegenüber denen, die nichts besseres zu tun hatten, als anderen das Leben schwer zu machen.

Ja, ich mochte ihn. Und zwar so sehr, dass ich ihn geküsst hatte, was mich wirklich verdammt viel Kraft gekostet hatte.

Doch was er die letzten Stunden gesagt und getan hatte ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Seine Art hatte wohlmöglich was mit seiner Aufgabe zu tun, dennoch tat es ziemlich weh. Die ganze Zeit über verspürte ich das Gefühl von Wut und Enttäuschung ihm gegenüber. Wie konnte er nur? Hatte er denn keine Ahnung, dass Worte ebenfalls wehtaten?

"Mir geht's gut. Ganz ehrlich. Ich würde sogar sagen, mir geht's besser als dir, wenn ich so drüber nachdenke. Ich mein, ich kann reden. Zum Glück. Du nicht. Was für ein Pech, nicht wahr?"

"Nach dem Vorfall mit den Einbrechern bei euch und dem Tod deiner Mum wirst du für immer und ewig nicht sprechen können. Und weißt du was... Es ist gut so. So hält wenigstens einer von euch Pennern den Mund. Und jetzt steh auf und verpiss dich. Los!"

Diese Sätze gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Am liebsten hätte ich ihn in dem Moment angeschrien und einfach nur losgeheult. Wenn ich es überhaupt schaffte ein Wort rauszubringen. Aber auch wenn, damit hätte ich ihm nur noch eine weitere Vorlage gegeben mich runterzumachen.

"Hey. Können wir bitte kurz reden?"

‚Konnen wir bitte kurz reden?'? War das jetzt sein Ernst? Wollte er sich etwa wieder über mich lustig machen?! Ich drehte mich etwas wütend zu ihm um und erkannte, dass er seinen Fehler realisiert hatte. Na wenigstens hatte er noch so viel Gribs soetwas zu merken.

"Es tut mir Leid was ich alles zu dir gesagt habe. Wirklich. Das war meine Aufgabe, mich so zu verhalten. Ich hatte keine andere Chance.", versuchte er mir zu erklären. Ich sah in seine wunderschönen kastanienbraunen Augen, die mich bei unserem letzten Augenkontakten alles Schlimme für einige Sekunden vergessen ließen. Doch dieses mal kam sein ganzes vorheriges Verhalten klarer in meinen Gedanken auf und ich musste mich zwingen meinen Blick von seinem abzuwenden.

Ich drehte mich wieder um und sah auf den Boden. Eigentlich sollte ich mich nicht so aufregen und es einfach sein lassen, denn wie er schon sagte; es war seine Aufgabe sich so zu verhalten. Außerdem kannten wir uns so gut wie gar nicht. Es sollte mir egal sein, was er über mich dachte. Doch das war es nicht. Und es fühlte sich zehntausend mal schlimmer an, von einer Person, der man angefangen hatte zu trauen, so verletzt zu werden, als von jemanden, der einen sowieso nicht juckte.

"Jimin, bitte. Ich..." Seine Stimme. Da war sie wieder. So schön, aber auch irgendwie zerbrochen. Tat es ihm wirklich Leid? In mir breitete sich langsam aber sicher immer mehr das schlechte Gewissen aus. Vielleicht sollte ich es wirklich ruhen lassen. Ich wusste nicht was ich machen sollte und sehnte mich nach einer Umarmung. Aber nicht nach irgendeiner. Nach einer Umarmung von ihm.

"Ich war früher nicht gerade der netteste Mensch.", fing er wieder an zu reden. "Ich hab sogar die Menschen, die irgendwie im Nachteil oder anders waren, weshalb auch immer, gemobbt, worauf ich wirklich nicht stolz bin, glaub mir. Eines Tages.." Er machte eine Pause und sprach dann weiter. "Eines Tages, kam ich zur Schule und es war in der Eingangshalle ein Bild von einem Jungen aufgestellt, den ich am Tag davor mit ein paar Freunden beleidigt und zusammengeschlagen hatte. Ich hatte in dem Moment noch keine Ahnung was los war, bis alle Schüler gegen Ende der ersten Untersichtsstunde gebeten wurden sich in der Aula zu versammeln und die Lehrer und der Direktor darüber sprachen, was passiert war. Der Junge, von dem ich ausgegangen bin, er würde das ganze Mobbing irgendwie schon einstecken, hatte sich am selben Tag dann noch umgebracht."

Ich konnte mich nicht bewegen und wusste nicht was ich denken sollte.

"Der Junge ..... hatte sich am selben Tag dann noch umgebracht"

Ein weiterer Satz, der sich jetzt in meinem Kopf festgesetzt hatte. Deswegen also. Er war früher einer von denen, die ich bis auf den Tod nicht leiden konnte. Doch hatte er sich zum Guten geändert. Er bereute es wirklich. Seine Taten von früher. Und wie er mit uns umgegangen war. Mit Namjoon, Taehyung, Jungkook und mir. Ich merkte nicht, wie mir einzelne Tränen die Wangen runter rollten.

"Ich hab seine weinenden Eltern gesehen. Seine Schwester. Und wie von selber haben sich meine Beine in Bewegung gesetzt und ich bin aus der Schule geflüchtet. Ich wusste zwar nicht wie seine Situation zu Hause war, ob er noch andere Probleme hatte, aber bei einer Sache war ich mir sicher. Ich war hundertprozentig Schuld an seinem Tod. Die nächsten Tage habe ich mich nicht mehr in der Schule blicken lassen, in der Hoffnung ich würde alles vergessen, oder dass alles nur ein Traum war. Doch das war es nicht. Und seitdem habe ich mir geschworen, mich unauffällig und ruhig zu verhalten, und mich von denen fernzuhalten, mit denen ich nichts zu tun haben wollte."

Er machte wieder eine kleine Pause; schien es verarbeiten zu müssen, bevor er weitersprach.

"Meine Aufgabe war es, wieder der zu werden, der ich früher war. Ich wollte das alles trotzdem noch irgendwie kontrollieren, um euch nicht zu sehr zu verletzen, aber das hat wohl nicht geklappt."

Da hatte er verdammt nochmal recht. Doch ich war nicht mehr sauer auf ihn. Jetzt wo ich seine Geschichte kannte wurde mir bewusst, dass auch er es ziemlich schwer hatte. Auch wenn die Vergangenheit von Tae schockierender war, jede Person hatte seinen eigenen Tiefpunkt. Und dies war seiner. Das musste ich akzeptieren.

"Jimin, bitte. Ich hab das alles nicht so gemeint. Es tut mir Leid.", flüsterte er mit zittriger Stimme.

Ich hatte schon die ganze Zeit den starken Drang, ihn zu umarmen, doch ich wusste nicht, wie ich die ganze Situation gutmachen konnte. Plötzlich spürte ich Gewicht auf meinem Rücken, wie als würde sich jemand anlehnen. Ich bewegte mich kein bisschen. Ließ es einfach dabei. So konnte ich wenigstens noch spüren, dass er bei mir war, auch wenn es eine Umarmung nicht ersetzen konnte.

Langsam wurde ich müde und zog meine Beine noch näher an mich ran, um meinen Kopf draufzulegen.

"Ich weiß nicht ob du schon schläfst oder noch wach bist.", kam es erneut von ihm, dieses Mal aber deutlich ruhiger. Es war nur noch ein Flüstern. "Aber egal was kommt. Ich werde ... Ich werde nicht zulassen, dass dir was passiert. Du wirst es hier raus schaffen. Auch wenn das heißt, dass ich es nicht überleben werde."

Und das Letzte was ich noch mitbekam, bevor ich komplett mein Bewusstsein verlor, waren drei Wörter, die ich, kombiniert zu solch einem Satz, schon seit Jahren nicht gehört hatte. "Ich liebe dich."

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Ich wollte mich an diesem Punkt nur bei euch allen, die diese Geschichte bis hier her gelesen haben, noch weiterlesen werden, bei denen, die gevotet und kommentiert haben bedanken. Vielen vielen Dank für die, für meine Verhältnisse 😅, vielen Votes, Kommentare und erst recht die 1K Reads ❤️. Hatte echt wenig Hoffnung bei der Geschichte aber sie kommt viel besser an, als ich gedacht hatte 🙈
Danke nochmal und ich hoffe ihr werdet die Geschichte noch zu Ende lesen. Hab mir nämlich schon einige Gedanken dazu gemacht und glaub es fehlen nicht mehr viele Kapitel bis zum Schluss 🙊

The Survival [Yoonmin]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt