Kapitel 10

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In Gedanken wie es heute weiter geht und ob Marie sich über meine Überraschung freut, bekomme ich gar nicht mit, dass sie stehen bleibt. Erst als ich keine Schritte mehr neben mir höre drehe ich mich um und gehe zu ihr zurück. "Was ist los, Marie?", frage ich vorsichtig. Aber sie sieht nur auf den Boden. "Ich habe Höhenangst, Julian.", flüstert sie nach ein paar Minuten, kaum hörbar. Ich mache noch ein paar Schritte auf sie zu. "Das tut mir leid, dass wusste ich nicht.", entschuldige ich mich. Und ärgere mich ein bisschen, dass Nina mir das nicht gesagt hat, als ich gefragt habe, ob es noch irgendwas zu beachten gibt. "Tut mir leid, dass ich deinen Plan kaputt gemacht habe.", nuschelt sie und sieht weiterhin auf den Boden. Ich kann nicht anders, als sie in den Arm zu nehmen. "Nein, das hast du nicht. Wir können noch mit dem Schiff rüber fahren.", erkläre ich und löse die Umarmung. "Was meinst du?" "Wir nehmen das Schiff.", antwortet sie mit einem kleinen Lächeln.

Während der Fahrt denke ich die ganze Zeit über den Tag nach. Ich hoffe sehr, dass es Marie gefällt. Ich fühle mich so, als wäre ich es ihr schuldig, dass sie alles andere mal vergessen kann, zumal es ja nur wegen mir so war. Zumindest in den letzten Tagen. Ich genieße die Aussicht, auch wenn ich schon unzählige Male hier war. Aber heute ist es besonders. Heute ist Marie mit dabei. Und es fühlt sich anders an, besser, schöner. Wir verlassen das Schiff, ohne ein Wort miteinander geredet zu haben. Aber das stört mich nicht. Marie soll einfach ihren Tag genießen. Und es reicht mir schon, sie einfach nur lächeln zu sehen. 

"Und was sagst du?", frage ich, nachdem wir eine Weile rumgelaufen sind. "Um ehrlich zu sein, bin ich sprachlos. Ich will seit Jahren schon hierhin und jetzt bin ich es endlich.", antwortet sie, mit einem Lächeln auf den Lippen. Ein Lächeln, dass mich sofort ansteckt.  "Es ist schön dich glücklich zu sehen. Und um auch ehrlich zu sein, ich hatte ein bisschen Hilfe von Nina und Marlon.", sage ich und ernte sofort einen verwirrten Blick von ihr. Aber sie antwortet nicht darauf. Sie sieht sich einfach weiter um, trotzdem erkenne ich in ihrem Blick, neben Staunen, immer wieder Verwirrtheit. 

Während wir weiter herum laufen, eigentlich laufe ich eher Marie hinterher, bekomme ich Hunger. "Wie sieht es aus, hast du Hunger?", frage ich sie, in der Hoffnung, dass sie auch etwas essen will, denn sonst falle ich noch um. "Ja, total. Am besten holen wir uns was bei einem Bäcker. Ist hier einer? Ich habe noch nicht gefrühstückt. Ich schaue mal eben nach.", plappert sie vor sich hin und holt ihr Handy aus der Hosentasche. Aber bevor sie irgendwas öffnen kann, nehme ich ihr das Handy aus der Hand. Wieder sieht sie ich verwirrt an. "Es gibt noch mehr Überraschungen. Komm mit.", erkläre ich und gebe ihr ihr Handy zurück. 

Wir laufen ein kleines Stück einen Berg hoch und erreichen dann ein weiteres Tagesziel. Das Restaurant meine Tante. "Julian, mein Lieber. Da seid ihr ja endlich. Wir haben euch viel früher erwartet.", empfängt sie uns und drückt mich an sich. Sie war schon immer so. Sie ist einer der liebenswürdigsten und nettesten und herzlichsten Menschen, die ich kenne. Und wieder sehe ich diese Verwirrtheit in Maries Blick. Es ist schon irgendwie süß. "Marie, das ist Elisabeth, meine Tante." Meine Tante erklärt ihr, dass sie lieber 'Eli' genannt wird, weil sie sich sonst so alt vorkommt. "Freut mich auch dich kennen zu lernen.", lächelt Marie. 

Nachdem meine Tante unsere Bestellungen aufgenommen hat sitzen wir da und schweigen. Aber dieses Schweigen ist nur von kurzer Dauer. Plötzlich redet Marie drauf los und es scheint so, als wären das alles Dinge, die sie schon den ganzen Tag im Kopf hatte, aber zurückgehalten hat. "Julian, was ist hier los? Wieso das Ganze? Wieso fährst du extra mit mir nach Koblenz? In eine Stadt, die ich schon immer mal sehen wollte. Wieso zu der Burg, die ich schon immer mal sehen wollte? Und wieso hat ausgerechnet deine Tante hier ein Restaurant? Und wieso bekomme ich hier, trotz das es bereits nach 14 Uhr ist noch das Frühstück, dass ich zu Hause nicht hatte? Wieso der ganze Aufwand, wenn du doch weißt, dass ich bald nicht mehr in Düsseldorf leben werde und du nicht nur 40 Minuten brauchen wirst, um mich irgendwo abzuholen?" Als sie fertig ist, sehe ich ihr in die Augen, greife nach ihrer Hand und sage: "Das ist ganz einfach, das hier ist eine Entschuldigung."


♥ 

Ich hoffe es gefällt euch. 

Leave - Julian Brandt Fanfiction (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt