Kapitel 4

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Eine Woche ist vergangen seitdem ich das schwarze Tagebuch gelesen habe. Nicht einmal, nicht zweimal sondern hundertmal! Ich habe jedes Wort in jeder einzigen Gehirnzelle gespeichert. Diese Informationen über mein Vater und mein Großvater ließen mich alles was in meinem Leben gerade passiert ignorieren. Die zwei waren Diebe! Das Buch enthält alle risikoreichen Diebfallaktionen, die mein Vater geführt hat. Das Beste an der Sache war, dass diese Fälle Schlagzeilen in den Zeitungen gemacht haben! Nur niemand wusste, dass es sich um meinen Vater handelte. Diese ganze Sache bereitete mir Kopfschmerzen und ich wollte unbedingt mehr erfahren. Plötzlich kam mir mein Vater fremd vor. Diese kriminelle Seite kannte ich gar nicht von ihm. Nicht einmal von meinem Großvater! Der alte Mann lebte in Atlanta, kochte gerne italienisch und löste gerne Kreuzworträtsel. Sieht so ein Hochverbrecher aus? Er hat nicht einmal ein Tattoo! Und ich habe ihn schon in einer Badehose gesehen! Da gab es nichts zu verstecken! Ich seufzte und gab meinem Mathelehrer die Arbeit. „Zu leicht gewesen?", blickte er mich amüsiert. Ich blickte auf die Uhr. Mann! Ich war nach acht Minuten fertig. Neuer Rekordzeit. „Ja, dabei bin ich nicht einmal konzentriert.", murmelte ich leise, damit die anderen mich nicht hören. Ich verstand nie weshalb die meisten Schülern während einer Mathearbeit ganz rot werden, wie ein Schwein schwitzten und hektische Blicke in allen Seiten warfen. Die Antwort befindet sich ganz bestimmt nicht bei deren Nachbarn, der fünf Meter von ihnen sitzt. Ich schüttelte den Kopf und verließ die Schule. Ich befand mich drei Wochen vor den Osterferien. Ich hatte genug Geld von meinen Sommerjobs um bei Opa ein Besuch abzustatten. Ich muss zu geben, dass ich ein ernstes Problem in meinem Leben habe. Das ist eine Krankheit. Sie heißt Neugier. Sobald sie erweckt wird, kann mich nichts aufhalten. Ich werde richtig verrückt. Ich muss unbedingt alles wissen! Und wenn ich meine alles, damit meine ich auch ALLES!

Mom wird mich jedoch nie im Leben Opa besuchen lassen, vor allem während der Schulzeit obwohl ich eine Einserschülerin bin und mich langweile im Unterricht. Und Opa wird nie im Leben auf meine Fragen antworten, wenn ich ihn direkt anrufe oder ihm Bescheid sage, dass ich vorbei komme. Er wird sofort wissen, dass etwas nicht stimmt. Also blieb mir nur eine Wahl. Heute spät in der Nacht, wenn alle im Haus schlafen, fahre ich los.

***

Ich blickte auf mein Handy. Es war drei Uhr Morgens. Alle schliefen im Haus und draußen war es schwarzdunkel. Kein Stern war am Himmel zu sehen und selbst der Mond versteckte sich irgendwo hinter einer der Wolken. Ich stand auf, bereits angezogen. Ich musste nur noch meine Schuhe anziehen. Ich nahm meine gepackte Tasche unter dem Bett raus. Ich hatte dort mein Geld, einpaar Anziehsachen, Zahnbürste, nötiges Waschzeug und Dads Tagebuch. Ich schlich langsam die Treppen runter. Mom und Finn schliefen fest. Ich nahm Finns Autoschlüssel neben dem Telefon. Er wird wohl ohne sein Auto für die nächste Zeit auskommen müssen. Das praktische bei Finn war, das er die Autopapiere im Auto behielt in Vergleich zu Mom. Stattdessen hinterließ ich sein Geburtstagsgeschenk vor seiner Tür. Immerhin wurde er morgen neunzehn.

Ich öffnete leise die Haustür und blickte noch einmal hinter mir. Ich habe auf mein Bett ein Brief hinterlassen, wo ich Mom alles genau erklärte. Jedoch den Teil wo Dad und Opa eine Diebeskarriere geführt haben, ließ ich aus. Ich wusste, dass sie wütend und zu gleich traurig sein wird. Aber ich musste gehen. Ich konnte nicht hier länger bleiben. Alles hat sich irgendwie nach Dads Krankheit geändert. Es fühlte sich nicht mehr wie ein Zuhause, sondern wie ein Haus, das von drei Menschen geteilt wurde. In Wahrheit, gab mir diese Neugier über Dads Tagebuch den nötigen Schub, um eine Auszeit von diesem ganzen Chaos zunehmen und genauer nachzudenken, was ich aus meinem Leben machen will. Es ist nicht so, als ob ich verschwinde und alleine in dieser Welt herum wandern werde. Ich werde Zeit mit Opa verbringen und dann sehen wir was passieren wird. Ich schloss die Tür und stieg schnell in Finns Auto. Ich zündete das Motor in der Hoffnung, dass keiner davon erwacht und fuhr los. Ich schaltete mein Handy aus, da ich ungestört fahren wollte. Ich bin seit langem nicht mehr gefahren. Aber es fühlte sich gut an, den Lenker in der Hand zu halten, während die Musik friedlich im Hintergrund spielte. Ich fuhr auf die Autobahn Richtung Atlanta. Ich fuhr die ganze Nacht lang und konnte dabei die schöne Dämmerung ansehen. Ich legte ab und zu eine Pause und kam schließlich bei meinem Großvater an. Er lebte in einem Hochhaus nicht weit von der Innenstadt. Er lebte alleine hier, seitdem Großmutter vor zwei Jahren gestorben ist. Ihr Herz war einfach zu schwach, um mit dem Tod ihres Sohnes klarzukommen. Ich klingelte dreimal. Nach einpaar Sekunden hörte ich seine Stimme durch den Funkhörer. „Wer ist das?"

CaronaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt