Kapitel 6

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Wir waren irgendwo auf der Autobahn weit entfernt von Atlanta. „Wer waren diese Leute?", fragte ich Opa zum zweiten mal.

Er rieb sich müde die Augen. „Ich habe keine Ahnung."

„Aber sie kannten dich!", meinte ich. „Sie wussten ganz genau wer du bist! Vorallem wussten sie, dass ich da war mit dem Buch."

„Vielleicht...vielleicht haben sie mich beobachtet.", überlegte er laut.

„Aber aus welchem Grund? Warum waren sie so scharf das Buch zu haben? Es ist nur eine Sammlung von Raubfällen...oder waren sie Polizisten?", sprang ich auf.

„Ich glaube nicht. Sie sahen nicht nach Polizisten aus."

„Nach was dann? Wer würde sich an das Buch interessieren?"

Opa tippte mit dem Finger auf dem Lenker. „Vielleicht...vielleicht alte Freunde.", murmelte er vor sich hin.

„Alte Freunde?", zog ich meine Augenbraue hoch, „wie Diebe?"

„So was in der Art.", zögerte er, „aber das ist nur eine Vermutung."

Wir verfielen in einer langen Stille. Ich bemerkte wie Opa mich von der Seite ab und zu beobachtete. „Was ist?", fragte ich ihn nach einer Zeit.

Opa seufzte. „Ich verstehe noch immer nicht weshalb dein Vater dir das Buch hinterlassen hat? Er hat es wirklich geplant!", sprach er genervt.

„Also? Was hat es mit dem Tagebuch zu tun?", fragte ich schließlich da er dieses Thema ansprach.

„Das ist kein Tagebuch, sondern ein Verzeichnis seiner Pläne.", korrigierte er mich seufzend. „Na schön, ich werde dir alles erzählen." Er fuhr die Ausfahrt Richtung New York heraus. „Meine Eltern waren sehr arm und krank als ich in deinem Alter war. Wir brauchten Geld für die Medikamente und Krankenhausgebühren. Die Schulden häuften sich und die Gegend in der wir wohnten war auch nicht gerade sicher. Es wurde oft in die Häuser eingebrochen und sie dann besetzt. Meine Eltern waren schwach und würde so eine Situation jemals passieren, wären wir auf der Straße gelandet. Eines Tages musste meine Mutter dringend zum Krankenhaus, um operiert zu werden. Ohne diese Operation würde sie sterben."

Er legte kurz eine Pause ein. Ich hatte keine Ahnung, dass mein Opa so eine schwere Kindheit hatte. Weder er noch mein Vater haben jemals ein Wort darüber verloren. Seine Augen schimmerten feucht. „Ich habe ihr gesagt ich hätte das nötige Geld."

„Du hast das Geld gestohlen?", fragte ich vorsichtig.

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe Gemälde und Juwelen gestohlen. Ich habe eine Bande gegründet, die mir half jede meiner Zielobjekte zu erreichen und sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Es fing mit kleinen Sachen an. Kleine Gemälde, die um die dreitausend Wert waren und irgendwann wurden wir richtig professionell. Wir reisten in der ganzen Welt, um die wertvollsten Gegenstände zu stehlen. Wir haben das verdiente Geld unter uns geteilt und ein Teil ging in die Gründung der Firma. Wir haben ein Auktionshaus gegründet, wo wir legal die gestohlenen Werke versteigern konnten. Damit haben wir alle Drähte zum Schwarzmarkt abgeschnitten und standen auf unsere eigene Füße. Der Welt zeigten wir uns legal obwohl wir kriminell waren."

„Hast du jemanden umgebracht?", fragte ich heiser.

Er schüttelte den Kopf. „Als ich es angefangen habe, habe ich mir geschworen nie jemanden umzubringen. Das ist die Wahrheit Carona! Und dein Vater hat auch nie jemanden umgebracht! Wir sind keine Mörder.", betonte er das Letzte.

Eine leichte Erleichterung überflutete mich. Jedoch im selben Moment stellten sich mehr Fragen in meinem Kopf. „Wie wurde Dad ein...Dieb?" Dieses Wort ließ einen bitteren Geschmack im Mund. Zu glauben, dass ein Teil meiner Familie kriminell war! Opa rieb sich die Hände und presste seine Lippen zusammen. „Deine Großmutter wusste über meinen illegalen Beruf. Die Art und Weise wie sie es herausgefunden hat ist eine lange Geschichte. Das erzähl ich dir ein anderes Mal."

Ich zog meine Augenbraunen hoch und blickte meinen grinsenden Opa. Ich wunderte mich was so Lustiges damals passiert ist, damit er wie ein kleines Kind grinste. „Jedenfalls, dein Vater hat mich eines Tages während meiner Arbeitszeit verfolgt. Er hat herausgefunden was ich wirklich machte. Er wollte mit machen."

„Und du hast es ihm erlaubt?"

Er nickte. „Ich mochte das Adrenalin, die Gefahr ertappt zu werden, die Herausforderungen, die Spannung und den Erfolg. Thomas, liebte es auch. Er fing mit siebzehn an. Er war raffiniert, geschickt, ehrgeizig."

„Was hat das Tagebuch...ich meine das Buch auf sich?", wollte ich wissen. Immerhin steckten wir deswegen in diesem Schlamassel. Immerhin hatten wir deswegen drei maskierte Männer hinter uns.

„Jedes mal wenn wir ein Werk stahlen, schrieb Thomas seine Pläne in einem Notizbuch. Jedoch mit einer bestimmten Tinte, die sich sehr schnell oxidierte und verschwand. Er schrieb wichtige Namen, Zahlenkombinationen, bestimmte Konnten und Uhrzeiten, Informationen. Alles was wichtig sein könnte. Nur er und die, die mit ihm eng arbeiteten wussten, dass man diese Pläne nur durch UV Licht sehen konnte."

Beeindruckt zog ich die Augenbrauen hoch. „Er trug also immer einen UV – Stift mit sich?"

Opa grinste. „Es war seine Idee und eine verdammt geniale."

„Aber wenn nur enge Vertraute über das Buch wussten, dann heißt es, dass..."

„Da können wir uns nicht hundertprozentig sicher sein.", unterbrach mich Opa.

„Aber wir können es auch nicht ausschließen! Und seien wir mal ehrlich, ich verstehe trotzdem nicht, weshalb diese Leute hinter uns sind. Warum wollen sie das Buch und überhaupt wie wussten sie, dass du es hast bzw. das ich es mitgebracht habe?"

Opa schüttelte den Kopf. „Ich glaube es hat etwas mit Thomas letzter Auftrag zu tun."

„Warum vermutest du es hätte etwas mit dem letzten Raubfall zu tun?"

Opa verfiel in einer langen Stille. „Weil er den Auftrag abgebrochen hat und in Ruhestand gegangen ist. Er hat mir nie richtig erzählt, was vorgefallen ist. Er meinte nur, dass er im Raum stand, vor dem Gegenstand und sich entschieden hat mit dem Rauben aufzuhören."

„Seltsam...er hat also das Objekt nicht gestohlen?", murmelte ich und schaute aus dem Fenster nachdenkend.

„In der Tat...sehr seltsam.", stimmte er mir zu. Er drehte sich zu mir um. „Du hast nicht zu fällig das ganze Buch gelesen?"

„Doch.", sagte ich kleinlaut.

Opa lachte laut. „Du und deine Neugier! Eines Tages wird sie dich noch umbringen!"

„Hey! Was kann ich dafür? Sag mir nicht, dass du in meiner Stelle nicht dasselbe getan hättest. Du findest ein schwarzes Buch unter dem Parket versteckt, das verschlossen ist mit einem Schlüssel. Würdest du es nicht nachforschen?"

Opa schmunzelte. „Vielleicht, vielleicht aber auch nicht."

Ich schleifte meine Arme. „Natürlich alter Mann. Wir beide kennen die Antwort zu dieser Frage."

Opa lachte wieder. „Jetzt aber ernsthaft, was hast du als Letztes gelesen."

Ich überflog meine Erinnerungen. „Er soll eine Leopardenskulptur stehlen, die nur aus wertvollen Diamanten bestand."

„Von wem?"

„Verbon...nein...Verdain...nein...was war das noch einmal...Vermont! Ja genau Vermont!"

„Vermont?", runzelte Opa die Stirn.

„Kennst du ihn?"

„Persönlich nicht. Aber ich habe sehr viel über ihn gehört. Er ist ein reicher Kunstsammler."

Ich horchte nur. „Ich muss tanken.", sagte Opa schließlich.

„Wie schön, da ist eine in einem Kilometer."

CaronaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt