19 / keine Vorurteile

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"Nur noch eine halbe Stunde...eine halbe Stunde", flüsterte ich mir zu und wischte den Tisch mit einem alten neongelben Lappen. Bei einem Fleck, der ein vertrockneter Ketchupfleck sein musste, ging ich dabei mehrmals drüber, jedoch ging er trotzdem nicht ab, sodass ich anfing öfter drüberzuwischen. Als es immernoch an Ort und Stelle war, begann ich langsam die Geduld zu verlieren.

Beinahe aggressiv rubbelte ich daran, damit der hartnäckige Fleck verschwindet. "Ruhig Paris, du siehst als würdest du den Lack vom Tisch abkratzen wollen", kommentierte Carlos, der hinter der Theke dabei war die Unmenge an schmutzigem Geschirr in die verostete Spülmaschine zu stopfen.

"Dieser Fleck will einfach nicht abgehen und ich hab keine Lust wieder eine Standpauke von unserem Boss zubekommen, nur weil die Tische nicht so glänzen wie seine Glatze", verwzeifelt schmiss ich den Lappen auf den Tisch, der mit einem dumpfen Geräusch auf das Holz prallte.

Dabei versuchte Carlos nicht laut zu lachen und vergrub sein Gesicht in seiner weißen Kochjacke, um sein Lächeln zu verstecken.

Der hat gut zu lachen. Immerhin musste er nicht die letzten Stunde wie eine Verrückte Bestellung aufnehmen, tausend Speisen auf einmal tragen und mit unhöflichen Kunden klarkommen, da er in der Küche nur kochen musste.

Noch dazu musste er nicht so eine Kellner uniform tragen wie ich, die einfach komplett unbequem ist und am Rücken, genau dort was man mit der Hand nicht mehr erreichte, juckt.

Max, der Boss, hatte nämlich die wunderbare Idee uns neue Arbeitskleidung zu kaufen. An sich ja nichts schlimmes, nur keine Ahnung wo sein Geschmack geblieben ist.

Meine neue Arbeitskleidung war ein gelbes Kleid mit einer weißen Schürze. Einfach nur grauenhaft! Ich sah aus wie ein Hausmädchen in Simpsons Edition.

Wäre ja nicht schlimm genug, dass das Kleid viel kürzer ist als das Alte, da es mir jetzt fast bis zu der Mitte meiner Oberschenkel ging.

Auf die Frage, warum es so kurz ist antwortete Max nur mit einem "Das zieht die männliche Kundschaft an"
Dieser Kerl ist einfach nur widerlich.

Aber gleich ist geschafft. Bald wird der Laden geschlossen und ich kann endlich nachause. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass mir noch fast 25 minuten übrig bleiben.

"Das schaffe ich noch", ermutigte ich mich und widmete mich zurück zum Tischewischen, da um diese Uhrzeit um wenige bis fast gar keine Kunden kümmern muss.

Zum Glück! Denn ich konnte wirklich nicht mehr und sehnte mich einfach nur nach meinem Bett

Aber heute wurde mir wohl ein Strich durch die Rechnung gemacht.
Mit einem Knarchzen wurde die Tür aufgeschlagen und ein Mann um die 25 betritt das Restaurant.

Was macht ein Kunde noch hier? Wir schließen doch gleich.

Verwirrt aber andererseits auch neugierig beobachtete ich den Mann, der anmutig durch die Reihen schlenderte und schließlich sich am letzten Tisch hinsetzte.

Man konnte nicht viel von ihm sehen, da er sein Gesicht in seinem schwarzen Kaupuzenpullover versteckt hielt. Aber auch von der Ferne aus konnte man erkennen wie groß und breit gebaut er ist.

Wartend spielte er mit den Servietten auf den Tisch, sodass man eine guten Blick auf seine Hände hatte, die mit einem Verband verpackt worden war. Entweder war er Boxer und er schlug auf Boxsäcke ohne Handschutz oder er hatte eine Schlägerei hinter sich.

Beides würde ich ihm zutrauen, denn sein Anblick machte mir Angst. So Angst, dass mein Puls sich sogar verschnellerte, obwohl ich drei Tischreihen weiter hinten war.

"Willkommen im Wonderland. Was kann ich ihnen bringen?", konnte ich meine Kollegin Sarah mit piepsiger Stimme sagen hören.

Ein Blick nach hinten reichte mir um zu sehen, dass ihre Hand vor Angst zitterte, sodass ihr kleines Notizheft und ihr Kugelschreiber ihr fast aus der Hand fielen.

Oh gott die Arme! Sollte ich zu ihr gehen und die Bestellung übernehmen? Oder doch lieber hier in Sicherheit bleiben?

Was rede ich denn da schon wieder? Woher sollte ich wissen, ob dieser Mann gefährlich ist? Das sind vielleicht auch nur Vorurteile und dieser Mann ist eigentlich ganz nett...Bestimmt

Gerade als ich mich um ihr zu umdrehen wollte um ihr zu helfen, ging Sarah in Richtung Küche, da sie anscheinend schon die Bestellung aufgenommen hatte. Und ich kann mir nicht verkneifen etwas erleichtert zu sein, da ich nicht zu diesem Mann musste.

Langsam glitt mein Blick zu dem Mann, der Sarah beim Gehen beobachtete...um genau zu sein schaute er gerade auf ihr Hintern. Er schien regelrecht es mit seinen Blicken aufzuessen.

Doch plötzlich wendete er seinen Augen von Sarah's Po und schaute mir direkt in die Augen. Schnell sah ich weg und wischte weiter die Tische.

Auch danach spürte ich seine Blicke auf mich, obwohl ich mit dem Rücken zu ihm gedreht war.

Ich selbst konnte mich nicht auf das Putzen konzentrieren, da ich ständig an sein Gesicht denken musste, den ich für ein kurzen Moment erhaschen konnte.

Er war braun gebräunt, aber nicht wegen der Sonne -glaub ich- , sondern von Natur aus. Wahrscheinlich ein Teint eines Latinos. Außerdem hatte er kleine Tattos im Gesicht.Das einzige, was ich erkennen konnte war die schwarze Träne unter seinem Augen, die wie dunkler Obsidian funkelten.

Er hatte mich so angeschaut als wäre...als wäre ich seine Beute. Sein spitzes Lächeln, den er hatte, trug auch dazu bei.

Ich darf doch nicht so vorurteilhaft sein. Ich kenne ihn doch gar nicht. Er ist bestimmt nur ein Mann der gerne schwarz trägt und mysteriös schaut.

Ja genau. Ich darf keine Vorurteile haben, denn ich kenne ihn nicht, obwohl mir mein Magen etwas anderes sagt...

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 Mᴀ Cʜᴇ́ʀɪᴇ  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt