Kapitel 5

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Genau wie Thorin es ihr gesagt hatte, fand sich Naira, gekleidet in ihre leichte Rüstung, bei Sonnenaufgang im Hof ein.
Zu ihrer Rüstung gehörten eine schwarze Lederhose, schwarze Lederstiefel, ein dunkelgrüner Waffenrock, ein Brustschutz aus dunkelbraunem, hartem Leder und Armschienen aus demselben Leder.
Ihr Waffenarsenal bestand aus zwei elbischen Schwertern, die links und rechts an ihrer Hüfte hingen; je ein Messer in jedem Stiefel sowie an jedem Oberschenkel und Unterarm; hinter beiden Schwertern und auf beiden Seiten ihres Köchers, der auf ihrem Rücken hing, ein Dolch und ein passender Bogen zu besagtem Köcher.
Neben ihr stand ihr Rapphengst Valavar, den sie mit dem Großteil ihres Gepäcks beladen hatte.
Wenige Minuten später tauchten auch schon die Zwerge und der Hobbit auf.
Der Hobbit warf Valavar einen misstrauischen Blick zu und schien sich zu fragen, ob er sich wieder auf den Rücken eines Pferdes setzen müsse.
"Keine Sorge, Bilbo", meinte das Halbblut und lächelte beruhigend. "Valavar habe ich nur mitgenommen, damit ich mein Gepäck nicht tragen muss. Deins kann ich ihm auch aufladen, wenn du möchtest."
Bilbo bedankte sich, lehnte jedoch ab.
"Können wir dann los?", fragte Thorin ungeduldig.
Naira nickte und die Gemeinschaft setzte sich in Bewegung.

Sie gingen hoch zum Verborgenen Pass.
"Seid wachsam", kommandierte Thorin. "Wir treten gleich über die Grenze zur Wildnis."
Naira blieb ein letztes Mal stehen und schaute zurück auf den Ort, der in den letzten Jahren ihr Zuhause gewesen war.
Nachdem er Balin gesagt hatte, er solle die Führung übernehmen, wandte Thorin sich an Bilbo, der sich ebenfalls ein letztes Mal umsah: "Meister Beutlin, ich schlage vor, dass Ihr den Anschluss nicht verliert."
Naira hatte nicht bemerkt, dass alle Zwerge schon an ihr vorbei gegangen waren und sie hatte auch nicht gehört, was der Anführer zu dem Hobbit gesagt hatte.
"Lady Naira, wenn Ihr noch immer mitkommen wollt, solltet Ihr euch sputen!", rief Thorin ihr zu.
Als der Zwerg sie Lady Naira nannte, schoss ein stechender Schmerz durch Nairas Brust.
Jetzt tut er also wieder so, als kenne er mich nicht..., dachte sie traurig und wütend.
Dennoch leistete sie seiner Anweisung Folge und zog Valavar am Zügel hinter sich her.

Sie gingen weiter und weiter.
Zwischendurch unterhielt Naira sich mit einigen Zwergen oder Bilbo über belanglose Dinge oder sie sang ein wenig vor sich hin.
Bis Kili und Fili ihre Neugier nicht mehr zurückhalten konnten und fragten, ob Naira Thorin schon vor ihrer Begegnung in Imladris gekannt hätte.
"Mutter hat uns von einer jungen Frau erzählt, die sowohl Elbenfrau als auch Zwergin ist und Onkels beste Freundin war", erklärte Kili.
"Und wie kommt ihr darauf, dass ich diese Frau bin?", fragte das Halbblut und versuchte, nicht zu grinsen.
"Weil Mutter sie sehr genau beschrieben hat und du ziemlich gut zu der Beschreibung passt", antwortete Fili.
Naira seufzte.
"Ich habe mich seit damals sehr verändert."
Zu spät bemerkte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
"Also bist du die Frau von der Mutter uns immer erzählt hat!", rief Kili erfreut.
"Wie war Onkel damals so?", wollte Fili wissen.
Das Halbblut lächelte ob der Erinnerungen an die Tage im Erebor.
"Er war der beste Freund, den ich mir hätte wünschen können", berichtete sie. "Er war immer für mich da, hat mir immer zugehört, hat allen Blödsinn mitgemacht..."
Sie erzählte von ihren liebsten Erinnerungen an die Tage, da kein Drache das Königreich bedrohte und König Thranduil das Halbblut meist in Frieden ließ.
Sie bemerkte nicht, dass die beiden Zwergenbrüder wissende Blicke austauschten und sie bekam auch nicht mit, dass Thorin Eichenschild selbst sich hatte zurückfallen lassen und jedes Wort gehört hatte.
Kili und Fili hingegen hatten es und sie grinsten ihren Onkel wissend an.
"Mutter lässt übrigens ausrichten, dass sie dir für immer böse sein wird, weil du dich nie gemeldet hast", unterbrach Fili Nairas Ausführungen und riss sie damit erfolgreich aus ihren Erinnerungen.
"Bitte wie meinen?", hakte sie nach, vollkommen aus dem Konzept gebracht.
"Gut, zugegeben, sie lässt es nicht ausrichten, weil sie nicht wusste, dass wir dich treffen würden. Aber sie hat immer gesagt, dass sie dir es dir nie verzeihen würde, dass du nie von dir hast hören lassen", gab Kili zu.
Naira schaute die Brüder einen Moment lang geschockt an. Diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutze Valavar, dem mittlerweile langweilig geworden war, um seiner Herrin die Zügel aus der Hand zu reißen und loszulaufen.
Naira sah dem Hengst einen Moment lang verdutzt hinterher, dann fing sie sich wieder und lief los. Kili und Fili folgten ihr lachend.
"Valavar! Dartho!", rief Naira, in der Hoffnung, ihr Pferd dadurch zum Anhalten zubewegen.
Doch Valavar hatte Freude an dem Spiel gefunden. Jedes Mal, wenn jemand in seine Nähe kam, schoss er wieder davon.
Irgendwann hatte Thorin genug und stellte sich dem Pferd einfach in den Weg.
"Thorin! Nicht!", schrie Naira.
Wenn Valavar erst einmal rannte, war er nicht mehr aufzuhalten. Er trampelte alles nieder, was sich ihm entgegenstellte. Ihm also den Weg versperren zu wollen, kam einem Suizidversuch gleich.
Das Halbblut fürchtete bereits, dass sie ihren Anführer verlieren würden, als dieser zur Seite trat und in Valavars Zügel griff.
Der Hengst spürte den Ruck in seinem Maul, blieb abrupt stehen und drehte den Kopf zu Thorin.
Dieser warf ihm nur einen wütenden Blick zu und reichte die Zügel an Naira weiter.
"Kommt er noch einmal los, schickt Ihr ihn zurück", befahl er.
Naira schaute trotzig zurück.
"Eines Tages, Thorin Eichenschild, wirst du erkennen, dass Freundlichkeit und Zusammenarbeit dich viel weiter bringen, als Anordnungen zu blaffen und zu erwarten, dass alle ihnen Folge leisten, ohne Fragen zu stellen", zischte sie und führte ihr Pferd an ihm vorbei.

Naira - Flammenherz (Der Hobbit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt