Kapitel 19

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Naira ritt auf Bard und Thranduil zu, die am Tor zur Stadt warteten. Sie wischte sich die Tränen weg, die ihr über die Wangen liefen und atmete tief durch. Sie würde jetzt keine Schwäche zeigen, nicht jetzt, nicht, nachdem sie Thorin die Meinung gesagt hatte.
Sie musste nur den Kopf schütteln und die beiden Männer wussten sofort, dass sie des Zwergs Meinung nicht hatte ändern können.
"So ein Jammer", spöttelte Thranduil mit einer Mischung aus Kälte und Sarkasmus. "Immerhin habt Ihr es versucht."
"Ich verstehe es nicht", meinte Bard. "Wieso? Wieso wagt er einen Krieg?"
"Weil er Thorin Eichenschild heißt und ein sturer Zwerg ist", antwortete Naira wütend. "Hinzu kommt natürlich noch die Drachenkrankheit, wegen der er sich unverwundbar fühlt und mit Sicherheit hat er noch ein anderes Ass im Ärmel."
Beim Berg rumpelte es und Naira sah den Kopf einer Statue am Tor fallen.
"Mit ihnen zu verhandeln ist müßig", behauptete Thranduil und zog sein Schwert. "Sie verstehen nur das Eine."
Er betrachtete sein Schwert und beschloss: "Wir greifen bei Sonnenaufgang an."
Er wendete seinen Elch und ritt in die Stadt zurück, während er fragte: "Seid Ihr an unserer Seite?"
Bard schaute zurück zum Berg.
Naira hingegen schloss sich Thranduil an.
"Thranduil", sprach sie ihn an. "Erlaube mir bitte die anderen Zwerge aus dem Berg zu retten, bevor ihr angreift."
Der Elb sah sie an.
"Wieso würdest du sie retten wollen?", fragte er teils verständnislos, teils kühl.
"Weil sie nicht denken wie Thorin. Die Meisten von ihnen würden dir und den Menschen der Seestadt sofort das geben, wonach ihr verlangt."
"Und du glaubst, dass sie sich freiwillig von ihrem König trennen würden?"
Naira blieb still. Sie wusste, dass Thranduil recht hatte. Weder einer der Zwerge noch Bilbo würden Thorin allein lassen, jedenfalls nicht aus freiem Willen.
"Ich werde ihnen keine Wahl geben", erklärte sie.
Diese Entscheidung gefiel ihr ganz und gar nicht, aber sie musste die anderen schützen, selbst, wenn sie es nicht wollten. Allein für Dís musste sie zumindest Kili und Fili retten.
Thranduil sah die Tochter seiner besten Freundin an. Er sah ihr an, dass sie glaubte, was sie sagte. Er erinnerte sich an Nairas Mutter, die selbst so stur wie ein Zwerg gewesen war und in Naira floss das Blut ihrer sturen Mutter und eines sturen Zwergs. Sie würde die Zwerge retten, auch, wenn er es nicht erlauben sollte.
"Tu, was du tun musst", gab er nach. "Aber pass auf dich auf. Ich habe deiner Mutter versprochen, auf dich Acht zu geben und genau das habe ich vor."
In den letzten Jahrzehnten hast du das wirklich großartig getan, dachte Naira sarkastisch.
Sie dankte ihm und machte sich aus dem Staub.
Bard war scheinbar bereits sehr fleißig gewesen, denn als Naira an den verschiedenen Waffenkammern vorbeikam, mit Valavar am Zügel, war dort reges Treiben und in den Schmieden wurde emsig geschmiedet.
Naira fand Elros bei den Ställen, wo er scheinbar auf ihre Rückkehr gewartet hatte.
Er half ihr dabei, Valavar den Sattel und das Zaumzeug abzunehmen und ihn zu putzen.
Nachdem der Hengst in seiner Box stand, meldete sich der Elb zu Wort: "Ich gehe davon aus, dass es nicht gut lief."
"Wie kommst du denn auf die Idee?", fragte Naira sarkastisch und ließ sich auf den Boden fallen.
Elros setzte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern.
"Was ist geschehen?", wollte er sanft wissen.
Naira lehnte sich gegen seine Seite.
"Ich möchte nicht darüber sprechen. Er war Thorin, aber nicht der Thorin, den ich vor so vielen Jahrzehnten kennenlernte...", erzählte sie leise.
"Der war er doch schon lange nicht mehr", erwiderte der Elb.
Naira sagte nichts, doch sie musste ihrem Freund recht geben. Thorin war schon lange nicht mehr der Alte. Natürlich nicht, schließlich er hatte seine Heimat an einen Drachen verloren und dann auch seinen Großvater und seinen Vater an Orks. Aber auch Naira hatte ihre Heimat und ihre Familie verloren und sie war nicht geworden wie er. 
Vielleicht, weil ich Leute hatte, die mir geholfen und mich unterstützt haben, dachte sie und bekam ein schlechtes Gewissen.
Thorin war für sie da gewesen und wo war sie gewesen, als er sie gebraucht hatte?
Sie schüttelte den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden.
Dann sprang sie auf.
"Genug herumgesessen und düstere Gedanken gehabt", verkündete sie betont fröhlich und zog Elros vom Boden hoch. "Ich habe im Gefühl, dass gleich etwas Wichtiges passieren wird."

Naira - Flammenherz (Der Hobbit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt