Kapitel 23

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Ein lautes Brüllen ertönte und keine Sekunde später schoss ein hellblauer Drache über die Zwerge und Orks hinweg.
Im gleichen Augenblick sprangen die Elben über den Schildwall der Zwerge und griffen die Orks an.
Naira, in der Gestalt eines Drachen, führte die Elben des Waldlandreiches mit mächtigen Flügelschlägen in die Schlacht.
Kurze Zeit später lösten die Zwerge ihren Wall auf und attackierten ebenfalls.
Der Drache flog über den Orks dahin und spuckte Feuer auf sie hernieder. Doch irgendwann musste Naira von dieser Taktik abweichen, denn das Risiko, einen Zwergen oder Elben zu erwischen, wurde zu groß.
Also schnappte sie sich den ein oder anderen Ork aus der Menge heraus und flog mit ihm in den Himmel, nur, um ihn dann auf andere Scheusale fallen zu lassen. Manchmal, wenn die dämlichen Viecher vernünftig fielen, rissen sie auch noch einige andere mit in den Tod. 
Diese Technik führte sie eine Weile lang fort. 
Zumindest so lange, bis das Horn der Orks erneut ertönte und Trolle auftauchten, die sowohl Zwerge und Elben als auch Orks niederschmetterten, wenn sie ihnen im Wege standen.
"Nicht mit mir", knurrte sie dunkel und schoss in den Himmel.
Dann stieß sie auf die Trolle hinunter.
"Berio i amlug!", kommandierte Thranduil und ließ seine Bogenschützen eine Salve aus Pfeilen auf die Trolle ergießen.
Die geballte Kraft der Pfeile und des Drachen, der im Tiefflug über die Trolle hinwegfegte und sie somit zu Boden riss, besiegte diese innerhalb von Sekunden.
"Hannon le, mellon nín!", brüllte Naira über den Lärm des Kampfes zum Elbenkönig.
Doch sie hatte sich zu früh gefreut, denn das Horn erklang ein weiteres Mal und noch mehr Trolle tauchten auf.
"Das darf doch wohl nicht wahr sein", kam es von Naira. "Na warte!"
Sie griff wieder an. Leider waren diese Trolle sehr viel widerstandsfähiger als die letzten und Naira wurde langsam müde. 
Sie hatte noch nicht viel Erfahrung mit ihrer Drachen-Gestalt, vor allem nicht im Kampf.
Dazu kam auch noch, dass dieses Mal kein Geleitschutz von den Elben kam und die Trolle fleißig die Zwerge platt machten, weshalb der Drache ziemlich allein dastand.
Und natürlich musste dann auch noch Thal angegriffen werden.
Naira stöhnte frustriert auf.
"Thranduil!", brüllte sie und flog zu dem König. "Übernimm du mit Bard die Stadt. Ich mache hier weiter!"
Der Elb hatte keine Zeit zu widersprechen, da war sie schon wieder weg.
Doch Nairas Plan ging nicht so ganz auf, denn es tauchten noch mehr Trolle mit Katapulten auf dem Rücken auf.
Doch zum Glück hielten sich weder Zwerge noch Elben oder Menschen in der Nähe dieser Scheusale auf, weshalb Naira mit dem ein oder anderen Feuerstrahl kurzen Prozess mit ihnen machte. Aber leider nicht, bevor sie die erste Salve an Steinen abgegeben hatten, die dann auch sofort die Stadt einrissen.
Das Halbblut stellte fest, dass Bard sich bereits nach Thal zurückgezogen hatte und da waren Gandalf und Bilbo, die ebenfalls fleißig mitmetzelten.
Es wusste, dass die Stadt in guten Händen war, weshalb es wieder abdrehte und sich wieder dem Hauptteil der Schlacht widmete.
Thranduil hatte bisher keine Gelegenheit gehabt, um auch nur einen Gedanken an Thal zu verschwenden, weil er gerade selbst überrannt wurde. Doch, den Valar sei es gedankt, kamen in diesem Augenblick ein Zwerg auf einem Schwein von der Seite und ein Drache von oben und befreiten ihn und seinen Elch aus ihrer misslichen Lage.
"Ich hab dir doch gesagt, du sollst zur Stadt!", rief Naira ihm im Vorbeifliegen zu.
"Dazu hatte ich noch keine Gelegenheit!", antwortete der Elbenkönig, der ein wenig angefressen war, dass er sich von einem Zwerg auf einem Schwein(!) hatte helfen lassen müssen.
Naira war eine Sache, sie war eine Freundin der Familie und wie eine Tochter für ihn, aber ein vollblütiger Zwerg namens Dain, der auf einem Schwein ritt, eine ganz andere.
"Jetzt hast du aber eine!", behauptete Naira laut. "Und deshalb schnappst du dir jetzt deinen Elch und deinen königlichen Allerwertesten und bewegst sie zur Stadt! Oder muss ich euch tragen?!"
"So weit kommt's noch!"
Naira lachte und flog Dain zu Hilfe, der im Augenblick noch ganz gut zurechtkam. Aber das Halbblut hatte das Gefühl, dass er ziemlich bald Hilfe brauchen würde. Davon abgesehen, hatte es keine Lust mehr, die ganze Zeit über das Schlachtfeld zu segeln, ohne wirklich mittendrin zu sein.
"Baruk Khazâd! Khazâd ai-mênu!", brüllte Dain die ganze Zeit, während er links und rechts Orks erschlug.
Naira sollte recht behalten: Kurze Zeit später musste Dains Schwein dran glauben.
"Ihr Mistkerle!", brüllte der rothaarige Zwerg.
"Genau!", stimmte Naira zu und verwandelte sich zurück.
Sie zog ihre Schwerter und schwang sie um sich.
"Lange nicht mehr gesehen, Dain!", rief sie dem Zwerg zu. "Wie geht es dir? Was machen deine Frau und deine Kinder?"
"Meinst du wirklich, dass dies ein geeigneter Zeitpunkt ist?", fragte Dain zweifelnd.
"Es könnte der einzige Zeitpunkt sein!", kam es zurück.
Der Zwerg lachte und antwortete: "Ich bin ein wenig traurig, weil ich vor wenigen Minuten Azaghâl verloren habe, aber abgesehen davon geht es mir sehr gut. Was gibt es schon besseres, als Orks eine Abreibung zu verpassen?"
"Elben eine Abreibung verpassen?", schlug Naira vor. "Warte! Vergiss, dass ich gefragt habe, ich will es gar nicht wissen!"
"Meiner Frau und meinen Kindern geht es übrigens gut", meinte Dain. "Meine Älteste hat sich vor wenigen Wochen verlobt. Du bist zur Hochzeit eingeladen, falls wir das hier überleben."
"War ich nicht vor einiger Zeit noch ein verräterisches Halbblut?"
"Ich habe meine Meinung in dem Augenblick geändert, da ich dich am Himmel umherfliegen und Orks brutzeln sah!"
Naira schnaubte und schlug einem Ork den Kopf ab.
Das sah Dain natürlich wieder ähnlich: Eine Meinung haben, bis diese Meinung durch triftige Gründe für nichtig erklärt werden konnte.
"Eine Frage habe ich aber noch!", erklärte sie. "Wer war Azaghâl? Der Name bedeutet Krieger, nicht wahr?"
"Sehr gut!", Dain war beeindruckt. "Er war mein Schwein."
Naira hätte beinah laut gelacht, doch sie wollte den Zwerg nicht verärgern.
Sie hatte ihn mit diesem Schwein nicht ernst nehmen können und nun musste sie herausfinden, dass sein Name auch noch Krieger auf Khuz-dûl gewesen war. Ihr Tag wurde immer besser.
"Wo ist eigentlich Thorin?", wollte Dain plötzlich wissen. "Er ist doch sonst nie vor einem Kampf davongelaufen, ganz zu schweigen vor einem Kampf mit Azog!"
"Vermutlich sitzt er auf seinem Thron und frönt der Drachenkrankheit!", fauchte Naira wütend, in Gedanken an den Zwergenkönig. "Vermutlich überlegt er in diesem Augenblick, wie er seinen Schatz retten kann."
"Naira, wir brauchen ihn!"
"Das weiß ich auch, aber gegen seinen Wahnsinn kommen wir nicht an! Niemand kann ihn heilen, das kann nur er selbst!"
"Das stimmt nicht!", widersprach Dain. "Auch du kannst ihm helfen!"
"Ich hab es versucht, aber jedes Mal bekomme ich als Dank eine Standpauke, weil ich ihm das Leben nicht so gerettet habe, wie der werte Herr König es gern gehabt hätte!"
"Naira, ich meine es ernst! Beweg deinen Drachen-Hintern da hoch und bring unseren König zur Vernunft! Das ist deine Pflicht als zukünftige Königin!"
"Zukünftige Königin? Was redest du denn da!", Naira war so verwirrt, dass sie fast vergessen hätte, dass sie sich in einem Kampf befand.
Doch glücklicherweise gab es da ja noch die Orks, die sie sehr gern daran erinnerten.
"Erst nennen Kili und Fili mich Tantchen und jetzt kommst du mit zukünftiger Königin um die Ecke! Was soll das alles?"
"Das erkläre ich dir bei Gelegenheit!"
"Du hast jetzt Gelegenheit!"
"Wir befinden uns in einem Kampf! Für dieses Gespräch brauchen wir ein ruhiges Stündchen!"
"Ich gebe dir gleich ein ruhiges Stündchen!"
"Ich komm dir gleich dahin, wenn du nicht sofort in diesen Berg verschwindest und unseren König da rausholst!"
"Dann komm doch!", forderte Naira den Zwerg heraus.
"Beweg dich, Drachen-Halbblut!"
Dain schwang tatsächlich seinen Hammer in ihre Richtung.
"Ist ja gut, ist ja gut! Ich gehe ja schon!", räumte das Halbblut ein, steckte die Schwerter weg, verwandelte sich und flog zum Berg.

Naira schwebte über dem Wehrgang und verwandelte sich.
Sie schaute über den Rand des Walls. Einige Meter unter ihr hockten die Zwerge.
"Man sollte doch meinen, dass ihr es bemerken würdet, wenn einige Meter über euch ein Drache landet", meinte sie scherzhaft.
Die Zwerge sprangen auf, einige zogen ihre Waffen.
Naira kam die Treppe herunter.
"Ich bin nicht hier, um euch umzubringen, falls ihr das glaubt", beruhigte sie sie.
Kili und Fili rannten ihr entgegen und umarmten sie so heftig, dass sie fast umgefallen wäre.
"Ich weiß, ihr habt mich vermisst, aber doch bestimmt nicht so sehr, dass ihr mich umrennen müsst", kicherte das Halbblut. "Oder sind wir wieder bei unserer ersten Begegnung in Imladris, wo ihr meintet, mich umrennen zu müssen."
Die Brüder lösten sich von ihr und schauten sie verlegen an.
"Dafür haben wir dich um Verzeihung gebeten", meinte Fili etwas beleidigt.
Naira lachte.
"Was tust du hier?", fragte Balin.
Insgeheim hoffte er, dass er die Antwort auf seine Frage bereits wusste.
Das Halbblut wurde ernst.
"Meine Pflicht erfüllen oder so ähnlich", antwortete es etwas brummig. "So hat Dain es zumindest ausgedrückt."
"Deine Pflicht als zukünftige Königin", bestätigte der alte Zwerg.
"Genau das hat er gesagt, aber ich weiß nicht, was das bedeuten soll."
Kili und Fili sahen einander begeistert an.
"Willkommen Daheim, Tantchen!", sagten sie gleichzeitig.
Naira stöhnte.
"Nicht das schon wieder", bat sie. "Nur weil ich den Titel eigentlich mag, heißt das nicht, dass ich ihn die ganze Zeit hören möchte. Ich bin mit keinem eurer Onkel verheiratet oder verheiratet gewesen, also wartet bitte, bis es soweit ist."
Den letzten Teil hätte sie vielleicht nicht sagen sollen, denn nun sprangen die beiden Brüder im Kreis und sangen: "Tantchen! Tantchen! Tantchen! Sie hat gesagt, sie will Onkel heiraten! Sie hat gesagt, sie will Onkel heiraten! Tantchen! Tantchen! Tantchen!"
"Balin! Hilfe!", flehte Naira.
Doch Balin lächelte nur.
Das Halbblut seufzte.
"Wie auch immer. Dain will, dass ich Thorin zur Vernunft bringen, also werde ich das jetzt tun", verkündete es und wollte gehen.
Da kam ihr Dwalin entgegen.
"Viel Spaß dabei", wünschte er sarkastisch.
"Vielen Dank", erwiderte Naira. "Wo finde ich unseren Verrückten?"
"Versuch es in der Ahnenhalle", kam sogleich die Antwort. "Wir haben den Boden mit Gold geflutet. Es müsste aber mittlerweile ausgehärtet sein."
"Das will ich doch hoffen. Ich habe keine Lust darauf, in Gold zu ertrinken oder unseren wahnsinnigen König aus einem Meer aus Gold zu ziehen."
"Würdest du doch sowieso nicht tun", mischte sich Dori ein, der es Naira noch immer übelnahm, dass sie sich auf die Seite der Elben gestellt hatte.
Naira zuckte mit den Schultern.
"Dummerweise brauchen wir draußen jede Hilfe, die wir bekommen können", meinte sie. "Also werde ich ihm wohl mal wieder das Leben retten."
Dori schaute noch immer misstrauisch.
Das Halbblut ging an den Zwergen vorbei.
"Eines noch", meinte Dwalin und Naira bleib stehen. "Es könnte sein, dass er etwas...aggressiv... reagiert. Er hat gedroht mich umzubringen, wenn ich nicht verschwinde."
"Oder er hat dich gewarnt, dass er dich umbringen könnte, wenn du nicht gehst, weil er nicht weiß, was er tut", entgegnete Naira. "Ich weigere mich, zu glauben, dass er absolut nicht mehr zu retten ist..."
Damit ging sie.
Balin lächelte.
Er drehte sich zu den anderen Zwergen um und verkündete: "Unsere Königin ist zurückgekehrt..."

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Übersetzungen
Berio i amlug! - Schützt den Drachen!
Hannon le, mellon nîn! - Danke, mein Freund!
Baruk Khazâd! Khazâd ai-mênu! - Äxte der Zwerge! Die Zwerge sind über euch!

Naira - Flammenherz (Der Hobbit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt