Kapitel 26

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Der Kampflärm, den Thorin, Dwalin und die Ork-Söldner veranstalteten, wurde immer leiser, je weiter Kili, Fili und Naira sich von ihnen entfernten.
Von der eigentlichen Schlacht, die viele Meter unter ihnen tobte, hörten sie sowieso nichts mehr.
Geduckt schlichen die drei Spione unter der Plattform entlang und über das Eis.
Alle drei verhielten sich ruhig. Nicht einmal Naira sagte einen Ton, denn sie wusste, dass das kleinste Geräusch sie und ihre Mission verraten würde. Selbst in ihrem Kopf jammerte sie nicht. Sie konzentrierte sie voll und ganz auf ihre Aufgabe, nämlich, die beiden Brüder zu beschützen.
Sie hatte ein ganz mieses Gefühl bei der Sache, aber das konnte sie natürlich nicht aussprechen. Erstens, weil sie nicht entdeckt werden durften und zweitens, weil sie Kili und Fili keine Angst machen wollte. Sie hatten sowieso schon genug Angst. Und das war auch gut so, fand Naira, denn ein wenig Angst sorgte, ihrer Meinung nach, dafür, dass man vorsichtiger war. Auch, wenn das auf sie nicht unbedingt zutraf.
Behutsam schlichen sie sich in die Festung auf der anderen Seite des Flusses.
Valar, ist das gruselig, dachte Naira.
Sie fand Festungen unendlich interessant, aber wenn sie verlassen waren, waren sie ihr unheimlich. Und noch unheimlicher waren sie, wenn sie nur scheinbar verlassen waren und jeden Augenblick etwas aus einem Schatten oder einer Ecke hervorspringen konnte.
Vorsichtig huschten die Brüder und Naira ungesehen durch die Gänge, bis sie an eine Kreuzung kamen. Der Weg gabelte sich nun nach links und rechts.
Wachsam schauten sie in jede Richtung und versuchten abzuwägen, welche Richtung die bessere Entscheidung wäre.
Aus dem linken Gang erklang plötzlich das Brüllen einer Kreatur.
Kili wollte mit gezogenem Schwert an Fili vorbei, doch er wurde von seinem Bruder und Naira zurückgehalten.
"Thorin hat gesagt, wir sollen nicht angreifen", zischte Naira streng. "Und, dass wir Bericht erstatten sollen, wenn wir etwas finden."
"Wir haben aber noch nichts gefunden", entgegnete Kili leise und ein wenig beleidigt.
"Ich glaube, etwas hören fällt unter etwas finden", widersprach das Halbblut.
"Bleibt hier", beendete Fili das Gespräch. "Ich schaue mal nach. Ihr sucht weiter unten."
"Kommt nicht in Frage", flüsterte Naira. "Thorin hat euch gesagt, ihr sollt auf mich aufpassen, das bedeutet im Umkehrschluss, dass ich auch auf euch aufpasse."
"Ich schaff das hier schon", versuchte Fili das Halbblut zu beruhigen.
"Wären wir nicht in dieser Festung und nur zu dritt, hätte ich daran keinen Zweifel, aber da die Situation nun einmal alles andere als ideal ist, dürfen wir uns nicht trennen. Wenn du Hilfe brauchst, sind wir auf keinen Fall rechtzeitig da."
"Naira, Fili weiß, was er tut", sprang Kili seinem Bruder bei. "Wenn er sagt, dass er das schafft, dann schafft er das."
"Kili, ich bitte dich", versuchte Naira es nun bei dem Braunhaarigen.
"Komm", drängte Kili sie. "Je länger wir hier herumstehen und streiten, desto mehr Zeit geben wir diesen Mistkerlen, um uns zu finden."
Naira wusste, dass er recht hatte. Das bedeutete aber nicht, dass es ihr gefallen musste.
Sie zog den Älteren der beiden Brüder in eine schnelle Umarmung.
"Pass auf dich auf und wehe, wenn du nicht zurückkommst", warnte sie ihn.
Fili grinste.
"Keine Sorge, Tantchen", antwortete er. "So schnell wirst du mich nicht los."
"Das will ich für dich hoffen. Thorin bringt mich um, wenn ich ohne euch zurückkomme. Selbst, wenn nur einer von euch fehlt."
Und damit verschwanden Kili und Naira den rechten Gang hinunter.
Sie wanderten durch die Gänge, ohne auf etwas zu stoßen.
Zumindest so lange, bis sie auf einer Plattform im Freien wieder herauskamen.
Sie hielten sich im Gang verborgen.
Von oben klangen Trommeln zu ihnen herab.
Kili und Naira sahen einander besorgt an.
Beide dachten sie das Gleiche: Bitte, lass Fili am Leben sein.
Dann hörten sie eine Stimme. Azogs Stimme. Und zum ersten Mal verstand Naira, was er sagte.
"Zuerst stirbt der hier..."
"Fili...", keuchte Naira entsetzt und schaute Kili an. "Er hat Fili erwischt."
"...Dann der Bruder..."
Das wüsste ich aber
, dachte Naira und in ihrem Kopf entspann sich ein Plan.
"...Dann deine Liebste..."
"Davon träumst du", erklärte sie leise, dann wandte sie sich an Kili: "Hör mir gut zu. Egal, was passiert, du bleibst hier. Du greifst niemanden an und du bleibst außer Sichtweite. Hast du verstanden, was ich sage?"
"Was hast du vor?", fragte Kili besorgt.
Naira grinste.
"Ich rette deinen Bruder."
"...Dann du, Eichenschild. Du wirst als Letzter sterben..."
Naira verwandelte sich und schoss am Turm hoch.
"Das glaubst auch nur du, du Mistkröte!", schrie sie den weißen Ork an und pflückte Fili aus seiner Hand.
Sie setzte ihn bei Kili ab und flog wieder nach oben.
"Du hast mich gefoltert, um die Bestie in mir zu wecken", knurrte sie bedrohlich. "Was soll ich sagen? Die Bestie ist erwacht. Und sie ist dir nicht freundlich gesinnt."
Sie atmete tief ein und wollte ihn mit Feuer bespucken, doch besann sich eines Besseren.
"Ich würde dich auf der Stelle verbrennen", zischte sie, "doch ich habe nicht das Recht, dir das Leben zu nehmen..."
Damit drehte sie ab, schnappte sich Kili und Fili mit ihren Klauen und wollte zurück zu Thorin und Dwalin fliegen, doch Ersterer kam ihr auf halbem Weg entgegen.
"Thorin, du Dämlack!", rief sie ihm zu. "Wirst du dich und dein königliches Hinterteil wohl auf die andere Seite zurückbewegen!"
Sie setzte des Königs Neffen ab und verwandelte sich.
Sofort wurde Fili von seinem Onkel heftig umarmt. Danach war Naira an der Reihe und zog Fili an sich.
"Ich hab dir doch gesagt, es sei eine miserable Idee, sich zu trennen. Um ein Haar hätten wir dich doch verloren. Ich sag doch, ich passe eher auf euch Grünschnäbel auf, als dass ihr auf mich aufpasst!", schimpfte sie, während ihr Tränen in die Augen traten. "Was hätte ich denn eurer Mutter gesagt..."
Doch ihnen blieb nicht viel Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, denn im nächsten Augenblick ertönte ein Brüllen und aus einem Gang vor ihnen kam Azog, der Schänder, gerannt.
"Nicht einen Moment des Friedens und der Familien-Zeit kann er uns gönnen!", beschwerte sich Naira. "Dann komm halt her, du Mistkrücke!"
Das ließ sich der weiße Ork nicht zwei Mal sagen, denn er griff sofort an.
"Ein Mal, nur ein Mal will ich es erleben, dass sich ein Feind nicht auf einen Kampf einlässt, wenn man ihn provoziert", jammerte Naira beleidigt.
"Weniger reden, mehr kämpfen", meinte Kili, der sich mit Fili mittlerweile ein Stockwerk höher aufhielt. "Onkel überlebt das nicht ohne deine Hilfe."
"Und was ist mit euch? Als ob ihr ohne mich überlebt!"
Thorin wurde hinter ihr von Azog gegen einen Felsen gedrängt.
"Die kommen zurecht", behauptete er keuchend. "Die sind zu zweit, wir sind zu zweit und Dwalin und Bilbo sind zu zweit."
"Bilbo ist auch hier?", fragte Naira und drehte sich um.
Sie erkannte, dass Thorin in Schwierigkeiten steckte.
"Bei Mahal, Thorin, hast du auch etwas Besseres zu tun, als dir ständig den Allerwertesten versohlen zu lassen?", fragte sie gespielt genervt und zog ihre Schwerter.
Gemeinsam lieferten sie sich einen Schlagabtausch mit dem Schänder, der leider so gut wie jeden ihrer Schläge parieren konnte. Ein oder zwei Mal erwischte einer der Beiden ihn, aber dann stand er gleich wieder auf und schlug noch aggressiver um sich.
"Thorin!", rief Naira entsetzt, als Azog den Zwerg auf die Felsen hinter ihnen schleuderte.
Sie warf einen kleinen Feuerball auf den Boden vor dem weißen Ork und rannte zu Thorin, um sicherzustellen, dass es ihm gut ging.
Sie hätte das blöde Viech liebend gern umgebracht, aber sie hatte kein Recht dazu, wie sie es dem Ork selbst vor wenigen Minuten erklärt hatte. Allein Thorin hatte das Recht, sich Azogs für immer zu entledigen.
Thorin stand bereits wieder und wartete nur darauf, dass Naira sich wieder neben ihn stellte, damit sie für einen weiteren Angriff bereit waren.
Der kam auch schneller als beiden lieb war.
"Thorin, ich liebe dich!", rief sie dem Zwerg zu. "Aber dieser Plan war grauenhaft!"
Thorin lachte.
"Und ich liebe dich!", antwortete er. "Aber können wir die Kritik an meinem Plan auf Später verschieben?"
"Möglicherweise gibt es kein Später", entgegnete das Halbblut und blockte einen Schlag des Orks, damit Thorin ihn angreifen und erwischen konnte.
"Sag so etwas nicht! Wir werden diesen Kampf überleben und dann bauen wir den Erebor und Thal wieder auf! Zusammen!"
Naira lächelte.
"Das klingt gut!"
Azog brüllte wütend. Er war frustriert, weil Naira und Thorin sich nur halb auf den Kampf mit ihm konzentrierten und ihm trotzdem gewachsen waren. Zudem war er ausgesprochen sauer darüber, dass weder Thorin noch Naira tot waren, nachdem er sie beide tödlich verwundet hatte.
Da ertönte lautes Kreischen und riesengroße Fledermäuse flogen über sie hinweg.
"Valar, helft uns...", flüsterte Naira entsetzt, während Azog dreckig lachte.
"Na warte, du kleines, widerwärtiges, nervtötendes...", weiter kam sie nicht, denn Thorin unterbrach sie: "Wir haben es verstanden: Du magst ihn nicht. Ich mag ihn auch nicht, aber durch Beleidigen werden wir ihn leider nicht los."
"Sag das Wort und ich mache ihn alle, das weißt du!"
"So einfach wollt ihr es euch doch nicht machen", zischte Azog in schwarzer Sprache.
"Sprichst du eigentlich auch Westron oder klingst du dann nicht mehr furchteinflößend genug?", fragte Naira genervt.
Sie stellte sich vor, dass Azog mit piepsiger Stimme Westron sprach und kicherte.
"Naira, hör auf damit. Du hilfst nicht", schimpfte Thorin.
"Ich tu doch gar nichts!"
"Eben!"
Naira seufzte und unterstützte ihren Liebsten.
Gemeinsam gelang es ihnen, den Ork zu Fall zu bringen und er kullerte ein Stockwerk tiefer.
Dennoch bekamen sie keine Verschnaufpause, denn in diesem Augenblick kamen weitere Orks über die Mauern gehüpft.
"Muss das sein?", fragte Naira und nahm sich den zweiten Ork vor, weil Thorin ihr bereits den Ersten weggeschnappt hatte. "Als hätten wir nicht schon genug Probleme."
"Naira, ich weiß, du denkst, dass dein Gerede hilft! Aber das tut es nicht!", rief Thorin ihr zu.
"Ich denke überhaupt nicht, dass es hilft! Ich weiß, dass es das nicht tut! Aber ich habe die Hoffnung, dass ich sie vielleicht zu Tode reden kann! Du hast doch früher immer gesagt, dass ich eines Tages jemanden mit meiner Quatscherei umbringe! Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt dafür!"
Die Orks drängten sie immer weiter in die Festung hinein.
"Die einzige Person, die du mit deiner Quatscherei umbringst, bist du selbst! Und du weißt ganz genau, dass das das ist, was ich meinte, als ich es damals sagte!"
"Du bist gemein!"
"Aber du liebst mich!"
"Jetzt redest du genau so viel wie ich!"
"Wenn du nicht reden würdest, müsste ich es nicht!"
"Niemand hat gesagt, dass du mir antworten musst!"
Naira enthauptete einen Ork, während Thorin seinen in einen Abgrund stieß.
"Wenn du deine Kraft mehr auf den Kampf, weniger auf deine Beschwerden konzentrieren und deinem Ärger im Gefecht Luft machen würdest, hätten wir längst gewonnen", meinte er, während Naira ihn vom Boden hochzog, wo er dank seines Orks gelandet war.
"Wenn du nicht darauf bestanden hättest, dein Gold zu behalten, dann wären Dain und Thranduil nicht gegen einander zu Felde gezogen und wir hätten mehr Elben und Zwerge", schoss das Halbblut zurück. "Davon mal abgesehen, hättest du auch sofort in die Schlacht ziehen können. Dann wären wir schon vor Stunden fertig gewesen, bevor der Nachschub mit den Fledermäusen kam."
Und schon wanderte ein weiterer Ork in den Abgrund.
"Ich habe dir eben schon gesagt, dass du mich wegen meiner schlechten Planung später anschreien kannst. Jetzt möchte ich gern überleben", meinte Thorin etwas genervt.
Trotzdem war er auch ein wenig amüsiert darüber, dass Naira die ganze Zeit redete.
Einen Moment lang waren beide unaufmerksam gewesen. Und dieser Moment reichte Azog, um erst Naira mit seiner Keule auf das Eis zu schleudern und dann Thorin, der entsetzt hinter ihr herschaute, um zu sehen, ob sie wieder aufstand.
"Tötet sie!", befahl Azog in schwarzer Sprache.
"Au!", beschwerte sich Naira. "Das hat weh getan!"
"Ich hab dir doch gesagt, dass du weniger reden und mehr kämpfen sollst", belehrte Thorin sie.
Gemeinsam wehrten sie einen Ork ab, der ihnen zu nah kam.
"Eigentlich war das Kili...", bemerkte Naira und grinste. "Du hast ihm nur zugestimmt."
"Erledigt sie!", kam es von Azog.
Naira und Thorin sahen sich um und bemerkten, dass ziemlich viele Orks auf sie zu kamen.
"Gorgor...", fluchte Naira unglücklich.
Doch da kam, Legolas sei Dank, Luftunterstützung in Form von Pfeilen.
Naira nahm sich die Zeit, um sich umzuschauen und entdeckte den blonden Elb auf einem Turm, nicht weit von ihr und Thorin entfernt.
"Legolas! Du bist der Beste!", brüllte sie ihm jubelnd zu.
"Weniger reden, mehr kämpfen!", kam es zurück.
"Wieso haben sich heute alle gegen mich verschworen?", fragte Naira etwas beleidigt.
Thorin lachte.
"Niemals hätte ich gedacht, dass ich einem Elben mal zustimmen würde", erklärte er. "Aber er hat recht: Jetzt hilf mir mal!"
Naira grummelte und machte sich daran, Orks zu erschießen.
Thorin hatte bei dem Fall sein Schwert verloren und so steckte Naira ihm eines der Ihren zu.
"Verlier es nicht, hörst du?", drohte sie scherzhaft.
Thorin verdrehte nur die Augen und begann damit, Orks niederzustrecken.
Naira hielt nun tatsächlich den Mund, denn sie musste sich konzentrieren. Sie konnte es sich nicht leisten, einen der Orks zu verfehlen.
Thorin begann, ihre Kommentare zu vermissen, doch auch er sagte keinen Ton.
Die Luftunterstützung von Legolas war bereits zum Erliegen gekommen, doch keiner von beiden bemerkte es, denn sie waren zu beschäftigt.
Ein ziemlich großer Ork, der für Thorin wie aus dem Nichts aufgetaucht war, schleuderte den Zwerg an den Rand des Wasserfalls. Dort sah er unter sich Legolas mit Bolg kämpfen.
"Naira! Etwas Hilfe wäre gerade ganz schön!", meinte Thorin laut.
"Ich kann gerade nicht!", kam es zurück.
Naira war in einen Kampf mit gleich drei Orks verstrickt und hatte keine Pfeile mehr.
Abgesehen von einer kleinen Kopfwunde, die sie sich bei dem Sturz auf das Eis zugezogen hatte, hatte sie bisher keinen Kratzer abbekommen. Aber das könnte sich nun sehr schnell ändern, wenn sie die Orks nicht gleich besiegte. Und mit nur einem Schwert und einem Dolch stellte das eine recht große Herausforderung dar.
Thorin schaffte es, sich aus seiner prekären Situation zu befreien, indem er der Keule des Orks auswich und ihm dann Nairas Schwert in den Hals rammte, um ihn dann in den Abgrund zu schicken.
Das war durchaus hilfreich für Legolas, denn der Ork fiel hinter Bolg, der gerade den am Boden liegenden Elben auslöschen wollte, und riss ein Loch in den Turm. Bolg landete ein Stockwerk tiefer und wurde verschüttet.
Thorin jedoch war nun ein wenig waffenlos und brauchte ganz dringend Hilfe.
Über ihm erhob nämlich nun ein weiterer Ork seine Keule.
"Naira!"
Diese hatte aber gerade erst einen der drei Orks umgelegt und versuchte nun, sich der anderen beiden zu erwehren.
Doch bevor der Ork den Zwergenkönig ins Jenseits schicken konnte, kam von unten Orcrist geflogen und blieb in der Brust des Orks stecken.
Der Ork kippte nach vorne, doch bevor er mit dem Schwert verschwinden konnte, nahm Thorin es an sich.
Naira hatte inzwischen ihre Orks erledigt: Der Erste lag ohne Kopf herum und bei dem Zweiten floss schwarzes Blut aus einer sehr tiefen Brustwunde.
"Brauchst du noch immer Hilfe?", fragte Naira und kam zu Thorin herüber.
Sie zog ihn vom Boden hoch.
Ihr Blick fiel auf Orcrist.
"Wo hast du das denn weg?", wollte sie wissen.
Thorin deutete nur über den Rand zu Legolas hinunter, der wieder Probleme mit Bolg hatte.
"Du hast wirklich ein Talent dafür, deine Waffen zu verlieren und dir neue zu holen", stellte Naira fest und schüttelte den Kopf.
Thorin antwortete nicht, sondern schaute nur an ihr vorbei.
Das Halbblut drehte sich um und sah in die Richtung, in die auch der Zwerg blickte.
Einige Meter von ihnen entfernt stand Azog und grinste böse.
Naira wollte auf ihn zugehen, doch Thorin hielt sie zurück.
"Das ist nicht dein Kampf", erklärte er sanft.
"Thorin, du musst das nicht allein tun", widersprach Naira. "Wir tun es zusammen. Zusammen waren wir schon immer stärker."
Sie lächelte ihn an.
Er lächelte ebenfalls und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.
"Du hast noch nie getan, was ich dir, was irgendjemand, dir gesagt hat", sprach er. "Aber dieses eine Mal bitte ich dich: Bleib hier. Ich will dich in Sicherheit wissen."
Naira wusste, dass sie ihm nicht widersprechen konnte, nicht dieses Mal.
"Ich liebe dich", bekundete sie. "Bitte, komm heil zu mir zurück."
"Und ich liebe dich", antwortete Thorin. "Und ich verspreche dir, dass ich mein Möglichstes tun werde."
Damit löste er sich von seiner Liebsten und ging mit gezogenem Schwert auf seinem Erzfeind zu.
Naira blieb mit besorgtem Gesichtsausdruck zurück.
Und sie wurde noch besorgter als ein Horn ertönte und in der Ferne eine weitere Armee von Orks auftauchte.
"Azog, im gorgoran cen...", flüsterte sie. "Und zwar bis in alle Ewigkeit..."
Dann griff der Ork Thorin brüllend an.
Er hatte seine Keule gegen eine Kette, mit einem Stein daran, ausgetauscht und zog sie hinter sich über das Eis, um sie dann mit aller Kraft auf Thorin zu schleudern.
Dieser duckte sich mehrere Male und wich aus, um dann einen Schwertstreich gegen die Beine des Orks zu führen und ihm in den Rücken zu schneiden, sobald er hinter ihm stand.
Azog drehte sich um und warf seinen Stein auf Thorin, der wieder auswich. Das Eis, wo der Stein aufkam, bekam Risse.
"Thorin! Das Eis!", rief Naira, um den Zwerg darauf aufmerksam zu machen.
Dieser schien zu bemerken, worauf das Halbblut hinauswollte, und wich wieder und wieder aus bis das Eis, um ihn und Azog herum, brach.
Auf einer großen Scholle kämpften sie weiter.
Dann rutschte Thorin aus und als er wieder aufstand, zog Azog ihm mit seiner Kette die Beine unter dem Körper weg, woraufhin er auf seinem Rücken landete.
Naira keuchte entsetzt auf, als der weiße Ork ausholte, um seinen Stein auf Thorin niederzuschmettern.
Doch der Zwerg konnte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite rollen.
Mit jedem Schlag, bei dem Azog Thorin verfehlte, wurde die Scholle kleiner.
Thorin führte einen Streich gegen Azogs Unterbauch, woraufhin sich der Ork mit schmerzverzerrtem Gesicht vorn über beugte. 
Der Zwerg stand nun hinter ihm.
"Komm schon, mach ihn alle...", flüsterte Naira.
Doch da machte Azog ihr einen Strich durch die Rechnung, indem er noch einmal mit seinem Stein ausholte und sich im Schlag umdrehte.
Der Stein landete fest im Eis, genau vor Thorins Füßen und war dort nicht mehr wegzubewegen, egal, wie sehr Azog an der Kette zerrte.
"Das ist die Gelegenheit, mach schon..."
Plötzlich hob der Schänder entsetzt seinen Blick und schaute auf etwas, das sich hinter Thorin abspielte.
Naira wagte einen Blick hinter sich und in den Himmel.
Da kamen die Adler des Nordens. Sie kreischten und griffen die ankommenden Orks an.
Das Halbblut sah Beorn, wie er von dem Rücken eines Adlers sprang und sich verwandelte.
Thorin warf sein Schwert weg, hob Azogs Stein vom Boden auf und warf ihn dem Ork in die Arme.
"Was tust du denn da, du Spinner?", wunderte Naira sich.
Azog schien genauso überrascht.
Dann machte Thorin einen Schritt nach hinten, von der Eisscholle herunter.
Die Scholle kippte.
Der Schänder ruderte noch mit den Armen, brüllte und versuchte, am Eis Halt zu finden, doch er konnte nichts tun, als er von der Scholle hinunter und ins Wasser fiel. Und er tauchte nicht wieder auf.
Naira rannte zu Thorin.
"Du hast es geschafft!", jubelte sie und fiel ihm in die Arme.
Thorin lächelte leicht.
Dann hob er sein Schwert auf, bevor er Azog entdeckte, der unter ihnen dahintrieb, mit offenen Augen, die sich dann aber schlossen.
Thorin folgte ihm auf dem Eis gehend.
"Thorin, das ist eine dumme Idee", warnte Naira ihn, doch er hörte nicht auf sie.
Plötzlich öffneten sich die Augen des Orks wieder. Er knurrte und entblößte seine Zähne, ehe er mit seiner Klinge, die er als Ersatz für seine Hand trug, durch das Eis und Thorins Fuß stach.
"Thorin!", rief Naira entsetzt, als dieser schmerzerfüllt aufschrie.
Mit einem lauten Brüllen brach Azog unter dem Eis hervor, warf das Halbblut zur Seite und Thorin auf den Rücken.
Naira stöhnte auf, als sie etwa fünf Meter entfernt auf dem Boden aufkam und sich heftig den Kopf stieß.
Ihre Sicht verschwamm.
Nein, dachte sie. Ich darf nicht ohnmächtig werden. Ich darf nicht...
Sie richtete sich etwas auf.
Sie konnte erkennen, dass Azog mehrere Male gegen Thorins Schwert schlug, bevor er seine Klinge direkt auf ihn richtete.
"Nein", flüsterte sie, als ihre Sicht wieder klarer wurde und sie erkannte, dass das Einzige, was den Ork davon abhielt, seine Klinge in Thorins Brustkorb zu rammen, Orcrist war.
Thorin würde sich nun entscheiden müssen: Das Schwert frei und damit noch einmal die Gelegenheit eines Gegenangriffs haben, dafür jedoch in Kauf nehmen, dass er es nicht schaffen würde, oder sich mit aller Kraft gegen Azog stemmen und früher oder später trotzdem sterben.
Naira kannte Thorin gut genug, um zu wissen, welche Entscheidung er treffen würde.
Langsam rappelte sie sich auf und wankte, während ihre Sicht immer wieder verschwamm, auf die Kontrahenten zu.
Endlich war sie nah genug an ihnen dran, damit sie Azog davon abhalten konnte, den Zwerg zu töten.
"Nein!", schrie sie verzweifelt und warf sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den Ork.
Dieser knurrte, während Thorin aufkeuchte, als das Gewicht des Orks von ihm verschwand.
Naira und Azog kugelten über das Eis. Das war weniger lustig als es klang, denn keiner wollte unter dem anderen liegen bleiben und auf dessen Gnade angewiesen sein. Und beide wussten, dass der andere keine gewähren würde, also kämpften sie weiterhin erbittert um die Oberhand.
Doch irgendwann hatte Naira das Gefühl, als drehe sich alles. Sie wusste nicht mehr, wo oben und unten war und konnte auch beim besten Willen kein Schwert und auch keinen Dolch mehr ziehen. All ihre Kraft verließ sie und so blieb sie liegen.
Azog, über ihr, grinste sie dreckig an und stieß seine Klinge in ihre rechte Seite.
Naira schrie schmerzerfüllt auf.
Sie konnte Azogs dreckiges Lachen hören.
"Hier endet dein Leben, Drachen-Halbblut", verkündete er schadenfroh.
Ihre Sicht klarte etwas auf und sie sah Thorin wütend und mit erhobenem Schwert hinter dem Ork stehen. Sie lachte, doch es wurde schnell zu einem Husten.
"Vielleicht", antwortete sie und grinste. "Aber im Gegensatz zu dir, werde ich gerächt sein."
Im gleichen Moment bohrte sich Orcrist von hinten durch Azogs Brust.
Der tote Körper des Orks wurde von Naira weggeschleudert und hinter ihm tauchte Thorin auf.
Er ließ sich neben ihr auf die Knie fallen.
"Naira", keuchte er. "Naira, du musst wach bleiben."
"Ich hab es dir doch gesagt", meinte sie leise und hustete. "Zusammen waren wir schon immer stärker."
"Das hast du", bestätigte Thorin und lächelte unglücklich. "Und ich hätte auf dich hören sollen. Aber du darfst jetzt nicht gehen. Du musst mich wegen meiner miesen Planung noch zur Schnecke machen."
Naira hustete, doch es klang eher wie ein Lachen. Zumindest sollte es eines sein.
"Ich dachte, das hätte ich bereits getan. Du weißt schon, als du mir ständig gesagt hast, ich solle den Mund halten..."
Aus der Ferne hörte sie Rufe, doch sie verstand sie nicht.
Dann tauchten Kili, Fili, Tauriel, Legolas, Dwalin und Bilbo neben ihnen auf.
"Und da ist auch schon das Abschiedskomitee", scherzte das Halbblut, doch niemand lachte.
"Ich warne dich, Tantchen", kopierte Fili Nairas viele Drohungen. "Wenn du nicht durchhältst..."
Doch weiter kam er nicht, denn seine Stimme brach.
Tauriel und Legolas ließen sich neben sie fallen, um den Schaden zu untersuchen.
"Vater ist bereits unterwegs", berichtete Legolas. "Er beeilt sich und bringt Heiler mit."
"Willst du mir erzählen, dass seine königliche Majestät unter Buche und Eiche sich schneller bewegt als normal?", staunte Naira.
"Hör auf, zu reden", befahl Tauriel streng, um ihre Furcht zu verbergen.
"Ihr kennt mich doch", entgegnete Naira und hustete. "Ich tue nie, was man mir sagt."
Kili kam gerade ein Geistesblitz und sein Gesicht erhellte sich voller Hoffnung.
"Naira, du musst dich verwandeln", behauptete er. "Beim letzten Mal hat das auch geholfen."
Tauriel und Legolas tauschten einen Blick.
"Das funktioniert nur, wenn die Verletzungen dem Drachen zugefügt wurden", erklärte Naira hustend und Kilis hoffnungsvoller Ausdruck verschwand.
Naira wollte gerade mit ihrer Abschiedsrede beginnen, als der König des Waldlandreichs mit Elros und einigen anderen Elben auftauchte.
Als sie erkannten, in welcher Lage Naira sich befand, blieben Elros und er wie angewurzelt stehen.
"Was hast du denn jetzt wieder angestellt?", wollte Elros entsetzt wissen, während die anderen Elben mit der Arbeit begannen.
"Ich habe dafür gesorgt, dass Thorin Azog erledigen kann", antwortete sie und hustete wieder.
"Ich wusste, dass du dich eines Tages umbringst", meinte Thranduil und versuchte ein Lächeln, doch es wurde eher eine Grimasse.
"Noch ist sie nicht tot", widersprach Thorin.
"Er hat recht, aran nín", stimmte ein Elb ihm zu. "Wenn sie nicht aufgibt und weiterkämpft, können wir sie retten."
"Ich bin hier", meldete sich Naira beleidigt.
"Gleich nicht mehr", widersprach eine Elbenfrau, die neben Nairas Kopf kniete.
"Was soll das heißen?", hinterfragte Thorin wütend und verängstigt.
"Genau, was soll das heißen?", echote das Halbblut.
"Essen", kommandierte die Elbenfrau lediglich und hielt ihr ein Kraut vor den Mund. "Dieses Kraut wird dafür sorgen, dass Ihr einschlaft. Dadurch werden Eure Kräfte auf den Heilungsprozess verwendet."
"Na dann", gab Naira nach und öffnete den Mund, damit die Elbenfrau ihr das Kraut verabreichen konnte.
"Eine Sache noch", verfügte sie, während sich ihre Augen langsam schlossen. "Haut euch nicht die Köpfe ein, bevor ich wieder bei vollen Kräften bin. Sonst kann ich euch nämlich nicht die Meinung geigen."
Die Umstehenden lachten oder lächelten leicht.
"Bilbo", wandte sich das Halbblut an den Hobbit. "In meiner Abwesenheit bist du dafür verantwortlich, dass sich niemand gegenseitig umbringt."
Bilbo nickte lächelnd.
"Du kannst dich auf mich verlassen, Naira", versicherte er.
"Wie schön", meinte diese und gähnte. "Wir sehen uns, wenn ich wieder wach bin."
Und damit schlossen sich ihre Augen und die Welt um sie herum wurde dunkel und still.

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Übersetzungen
Azog, im gorgoran cen... - Azog, ich verfluche dich....

Naira - Flammenherz (Der Hobbit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt