Gewalt und Besorgnis

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„Ich hasse solche rotzfrechen Gören, wie du es bist", sagt er wütend und packt mich an den Armen an. „Lassen Sie mich los", sage ich und versuche, den Arzt meine Arme zu entziehen. „Du kleines Miststück", knurrt er durch seine aufeinandergepressten Lippen. Mein Atem geht schneller und ich habe furchtbare Angst vor ihm. Sonst ist Dr. Seehauser doch nicht so aggressiv und zudringlich. „Am liebsten würde ich dich mal so richtig durchficken, damit du zur Vernunft kommst. Und wehe Dir, du sagst jemandem ein Wort. Ich kann dich mit nur einem kleinen Tropfen eines einzigen Medikaments umbringen und niemand wird es mir je nachweisen können", sagt er und drückt noch fester zu. Mittlerweile laufen die Arme leicht blau an, da kein Blut mehr hineinfließen kann. Dann lässt er los und verschwindet. Mir kommen die Tränen. Ich schaue zu meinen Armen, die nun mit dunkelblauen und lila Flecken übersät sind. Schnell gehe ich zu meinem Schrank und hole mir eine Jacke heraus. Es ist zwar warm, jedoch kann ich diesen Anblick meiner Arme niemandem zumuten und Dr. Seehauser hat mir ja gedroht, dass ich es niemandem sagen darf ...

Ich drehe mich zur Seite und weine in mein Kissen. Gegen 15 Uhr öffnet sich die Tür und Thomas kommt herein. „Hey, wie gehts ...", beginnt er, unterbricht sich jedoch selbst, als er mein verweintes Gesicht sieht. „Gut. Alles bestens", sage ich und wische die Tränen weg. „Was ist passiert?", fragt Thomas. „Nichts, mir geht es super", sage ich. „Sieht man. Ich soll dir von Nina und Hannah einen wunderschönen Gruß ausrichten. Hannah kommt vielleicht später vorbei", erzählt er. „Okay", murmele ich. „Sag mal, ist Dir in der Jacke nicht zu warm?", erkundigt Thomas sich. „Nein, das geht schon so", antworte ich. „Okay. Brauchst du irgendwas? Ich würde mir schnell einen Kaffee holen gehen", sagt er. „Nein, ich brauche nichts. Danke", sage ich. Dann verschwindet er und mein Handy vibriert einmal. Ich schaue auf das Display und sehe Hannahs Nummer. Sie hat mir geschrieben:

Hey, wie gehts dir? Was dagegen, wenn ich heute noch vorbeikomme?

Ich antworte ihr sofort:

Nein, ich habe nichts dagegen. Ich muss dir im Vertrauen etwas erzählen. Als Freundin, nicht als Bulle!

Einige Minuten später erhalte ich Ihre Antwort:

Okay, ich bin in einer Stunde da. Ich muss mich erst noch umziehen, damit ich nicht als Bulle erscheine. Bis später 😘

Dann kommt Thomas wieder und ich lege mein Handy weg. „So, da bin ich wieder. Ich habe dir eine Zeitschrift mitgebracht. Du magst doch bestimmt die BRAVO, oder?", fragt er und legt sie mir aufs Bett. „Danke, wäre aber nicht nötig gewesen", murmele ich. „Kein Ding. Aber ich muss bald wieder los. Ich muss heute zusammen mit Nina eine Doppelschicht für ein paar Kollegen übernehmen", seufzt er. „Dann will ich dich nicht aufhalten. Kannst mir ja später schreiben", sage ich. „Ja, mache ich. Bis dann, Lina", sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Ich werde rot wie eine Tomate und mal wieder explodieren Schmetterlinge in meinem Bauch.

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Was möchte sie Hannah im Vertrauen erzählen?

Asds / Niedrig und Kuhnt // knowing me, knowing youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt