Kapitel 21 - Sylvesters Ahnung

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Der Graf winkte ab. »Wenn Ihr mich fragt, ist das alles Humbug. Es gibt keinerlei Beweise dafür, das eine derartige Waffe tatsächlich existiert.« 

»Es gibt das Buch. Und vor ein paar Monaten konnte man das Labor der Claybrook Brüder ausfindig machen«, sagte Lord Salverton. Sein Vater verdrehte nur die Augen und reichte mir seinen Arm. So schlenderten wir durch das Gewächshaus. Lord Salverton ging direkt hinter uns, wie ein treues Entenküken. »Die Waffe wurde im gesamten Buch, das übrigens mehrere hundert Seiten umfasst, nur in einem Absatz erwähnt.«

 »Des weiteren ist es Logenbrüdern gelungen, in ihrem Labor eine Waffe zu erfinden, durch die das Problem des Vampirismus für immer gelöst werden könnte.«, zitierte der Lord hinter uns. »Die Gebrüder Claybrook arbeiteten schon seit Jahren an eben dieser ehrenhaften Aufgabe und ihre Anstrengungen wurden erst kürzlich von Erfolg gekrönt.« Ich hob erstaunt die Augenbrauen. »Ihr könnt es auswendig?« 

»Natürlich kann er es auswendig«, sagte sein Vater. »Das ist schließlich alles. Zwei mickrige Sätze, mehr nicht. Und von den Claybrook Brüdern will ich gar nicht erst anfangen. Größenwahnsinnig, alle beide. Vor zwei Jahren sind sie spurlos verschwunden, nur ein paar Monate bevor man das Buch gefunden hat. Als die Nachtwächter dann das Labor entdeckten war alles leer geräumt.« 

»Das bestätigt doch nur die Theorie der Wächter. Irgendjemand wollte etwas vertuschen, etwas Großes.« Der Graf schnaubte verächtlich. »Oder jemand hat sich einfach einen Spaß erlaubt und als es ernst wurde ist er davongelaufen.« Ich war sicher, dass sie diese Diskussion schon öfter geführt hatten. Wahrscheinlich immer mit demselben Ergebnis. Ich dagegen fand das alles hochinteressant. Eine Geheimwaffe, ein Buch und ein leeres Labor. Mein kleiner Bruder wäre entzückt gewesen. Der Lord hatte zu uns aufgeschlossen und ging nun auf meiner anderen Seite. »Falls es diese Waffe aber wirklich gibt«, sagte er, »wäre es fatal nicht auf die Hinweise einzugehen. Es könnte unseren Sieg bedeuten. Wir könnten endlich das zu Ende bringen, was die Gründer der Nachtwächter vor Jahrhunderten begonnen haben.«

»Wie sähe so eine Waffe denn aus?«, fragte ich. Lord Salverton zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist es eine Art Dolch oder ein Gift, so genau wissen wir das nicht.« Sein Vater murmelte abschätzig etwas in seinen Bart und ich runzelte die Stirn. »Aber damit könnte man doch nur einzelne Vampire töten und nicht eine ganze Spezies vernichten.« 

»Ja, deswegen ist unsere Vermutung, dass die Waffe nicht nur den Vampir selbst zur Strecke bringt, sondern auch all diejenigen, die durch ihn verwandelt wurden.« Wir waren inzwischen wieder an der Stelle mit der komischen Tentakelpflanze angelangt, deren Namen ich mir nicht hatte merken können. »Sie müssen zugeben, dass all das sehr nach einem Ammenmärchen klingt«, warf ich ein. Ein leichtes Lächeln zuckte über die Lippen des Lords. »Und was hätten Sie früher von Vampiren gehalten?«

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Als ich an diesem Nachmittag nach Hause kam, lief Sylvester mir aufgeregt entgegen. »Lucy, wo warst du denn die ganze Zeit? Ich habe etwas entdeckt, glaube ich.« Müde strich ich ihm über den Kopf. »Hast du nicht eigentlich Unterricht? Wo ist Mr. Keller?« Er winkte ab und redete einfach weiter. »Erinnerst du dich noch an das Buch, aus dem du mir vorgelesen hast? Das aus Vaters Bibliothek? Wir sind mit dem siebten Kapitel nicht fertig geworden, weil Mutter uns unterbrochen hat. Naja, jedenfalls konnte gestern nicht einschlafen, also habe ich weiter gelesen.« 

Seine Wangen waren vor Aufregung ganz rot angelaufen und seine Augen funkelten begeistert. »Sylvester, ich bin wirklich hungrig. Hat das nicht bis später Zeit?« 

»Nein, hat es nicht!«, rief er bestimmt und senkte dann seine Stimme, obwohl außer uns niemand in der Nähe war. »Es geht darin um ein Mädchen, das eine Art Krankheit hat. Es ist eigentlich gar nicht mehr richtig am Leben und an die Sonne kann es auch nicht, aber am allerwichtigsten: Es trinkt Blut.« Mir lief ein Schauer den Rücken hinunter. Was Sylvester da beschrieb war zweifellos ein Vampir. Aber das wusste mein Bruder noch nicht. Wahrscheinlich sollte ich einfach so tun, als hätte ich keine Ahnung wovon er redete. Er war doch erst zehn. Ich wollte nicht, dass er Teil von etwas wurde, das ich selbst noch nicht einmal ganz verstand und das noch dazu ungeheuer gefährlich war.

 »Es ist ein Märchenbuch, nichts weiter«, sagte ich deshalb, woraufhin Sylvester die Arme vor der Brust verschränkte. »Ich weiß, dass du mehr weißt als du zugibst und ich finde es ungerecht, dass du es vor mir geheim hältst.« 

»Worauf willst du überhaupt hinaus?« Er sah sich in dem verlassenen Flur um und setzte dann eine ernste Miene auf. »Ich glaube das Ding, das Vater angegriffen hat, war genauso wie das Mädchen aus dem Buch.« Ich schwieg. »Wohin verschwindest du in letzter Zeit immer? Früher hast du nie so oft deine Freundinnen besucht.« Gewissensbisse machten sich in mir breit. Ich wollte ihn nicht anlügen. Außerdem verbrachte ich kaum noch Zeit mit ihm seit all das passiert war. »Du kannst es mir sagen, Lucy, ich bin gut im geheim halten.« Ich kannte meinen kleinen Bruder. Er war neugierig und ausgesprochen klug für sein Alter. Wenn ich es ihm selbst erzählte, könnte ich wenigstens auf ihn aufpassen und musste mir keine Sorgen machen, dass er seine Nase hinter meinem Rücken in Dinge hineinsteckte, die ihn nichts angingen. Und abgesehen davon, fand ich, dass er die Wahrheit verdient hatte. »In Ordnung«, sagte ich deshalb, seufzte tief und begann zu erzählen. 

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»Das ist so aufregend.« Sylvester sah mich mit tellergroßen Augen an. »Und gefährlich! Vor allem für neugierige kleine Jungen«, erwiderte ich streng, obwohl ich ihm insgeheim recht gab. Ich hatte ihm all das erzählt, was der Lord mir bei unserem ersten Treffen beigebracht hatte und mein Bruder hatte jede noch so kleine Information aufgesaugt wie ein Schwamm. »Du musst mir versprechen, dass du nichts unüberlegtes tust. Verstanden?« Er nickte eifrig. »Und du darfst niemandem davon erzählen.« Diesmal zögerte er kurz. »Und was wenn Mutter mich fragt, wo du dich rumtreibst?« »Dann sagst du, dass ich Audrey besuche. Oder beim Schneider bin, denk dir irgendetwas aus, das kannst du doch so gut.« 

»Meinst du nicht, dass sie irgendwann misstrauisch wird?« O doch, da war ich mir sogar fast sicher. Ich war keine besonders gute Lügnerin und meine Mutter verfügte über eine äußerst ausgeprägte Intuition. Leider blieb mir nichts anderes übrig, als das beste zu hoffen. Wie auf Kommando bog sie in genau diesem Augenblick um die Ecke. »Wo warst du nur wieder so lange, Kind?« Ich suchte im Kopf bereits nach einer Ausrede, aber es schien wohl eher eine rhetorische Frage gewesen zu sein, denn sie wartete meine Antwort nicht ab. 

»Sylvester, bitte lass uns allein, ich muss mit deiner Schwester reden. Hast du jetzt nicht Latein-Unterricht?« Er verdrehte die Augen und ging an ihr vorbei. Dabei warf er mir einen mitleidigen Blick zu. Wenn Mutter uns alleine sprechen wollte, bedeutete das in der Regel nichts gutes.




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Sorry für die lange Funkstille, lag daran, dass ich mit diesem Kapitel einfach absolut unzufrieden bin. Ich finde Silvester sollte irgendwie anders davon erfahren, aber ich bin einfach auf nichts gekommen, mit dem ich zufrieden bin. Seid bitte gnädig, es ist schließlich nur der erste Entwurf und dafür ist Wattpad ja auch irgendwie da.

byeeeeeeeeeee


Die sterbliche BaroninWo Geschichten leben. Entdecke jetzt