Kapitel 23 - Ein ungewöhnliches Angebot

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Eine Stunde später saß ich aufgeregt in der Kutsche und knetete meine schwitzigen Finger. Am besten ich brachte es so schnell wie möglich hinter mich. Während der Fahrt hatte ich genug Zeit über alles nachzudenken und kam zu der Erkenntnis, dass ich dumm war wie Bohnenstroh.

Um eine Ehe kam ich nicht herum. Aber meine Lüge würde mir am Ende rein gar nichts bringen. Außer einem schlechten Gewissen. Vielleicht sollte ich mir die Interessenten, von denen Mutter gesprochen hatte erst einmal ansehen. Wer weiß, vielleicht verliebte ich mich ja Hals über Kopf in einen von ihnen. Dann würde ich unsere vermeidliche Verlobung einfach auflösen und einen anderen Lord heiraten. Das war schließlich mein Schicksal. Mein unausweichliches, trostloses, unfreies Schicksal.

Mit einem unsanften Ruck hielten wir vor dem reichverzierten Stadthaus. An der Tür empfing mich ein untersetzter Diener, den ich vom Sehen bereits kannte und führte mich in das dunkle Arbeitszimmer, wo der Lord noch heute Morgen mit mir gelernt hatte.

Er saß an seinem Schreibtisch, tief über Dokumente und Papiere gebeugt. Seine dunklen Locken fielen ihm wirr in die Stirn und er hatte die Ärmel seines Hemds bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Als wir eintraten, machte er sich nicht einmal die Mühe von seiner Arbeit aufzusehen. »Was gibt es, Lionel?«, murmelte er gedankenverloren.

»Lady Lucinda, Mylord.« Überrascht hob er den Kopf. »Danke, Lionel.« Der Diener verbeugte sich kurz und verschwand dann aus dem Zimmer. »Geht es euch gut? Ihr seht ein wenig aufgewühlt aus.« Sofort stand er auf und bot mir seinen Stuhl an. In ihm steckte eben doch ein echter Kavalier. Oder er hatte einfach Angst, ich würde in Ohnmacht fallen. So fühlte ich mich nämlich auch.

»Wir müssen reden. Ich habe etwas ziemlich dummes gemacht«, sagte ich und ließ mich auf das Polster sinken. Er lehnte sich gegen die Tischplatte und musterte mich mit gerunzelter Stirn. »Habt Ihr jemandem von der Bruderschaft erzählt?« Ich winkte ab. »Ja das auch, aber deswegen bin ich nicht hier. Eigentlich...«

»Wie bitte?!«, unterbrach er mich. »Ich dachte Ihr hättet verstanden wie wichtig es ist das Geheimnis zu bewahren.«
»Ich habe es nur meinem Bruder gesagt. Aber er wird es für sich behalten, wirklich!« Lord Salverton stöhnte und vergrub dann sein Gesicht in den Händen. Wenn Ihn das schon aus der Fassung brachte, hatten wir ein hartes Gespräch vor uns. »Wie schon gesagt, das hatte ich gar nicht gemeint«, sagte ich kleinlaut und begann wieder meine Finger zu kneten.

Wo sollte ich überhaupt anfangen? »Also, meine Mutter ist der Meinung, es sei Zeit für mich, endlich zu heiraten. Und zwar schon sehr bald.« Meine Güte, das war schwerer als gedacht. Viel schwerer. Einfach raus damit!, dachte ich und holte tief Luft.

»Jedenfalls habe ich Ihr gesagt, dass es bereits jemanden gibt. Also als potentiellen Ehemann, meine ich. Und möglicherweise ist dabei Euer Name gefallen.« Für einen Moment sah er mich nur geschockt an, dann schüttelte er den Kopf, als müsse er sich selbst wachrütteln.

»Ihr habt eurer Mutter gesagt wir beide wären ein Liebespaar?«

»So in etwa, ja.« Ich konnte seinen Gesichtsausdruck schwer einordnen, aber wütend sah er nicht aus. Ich wartete darauf, dass er etwas erwiderte, aber er starrte nur nachdenklich an die Wand und schwieg. »Aber keine Sorge«, sagte ich. »Ich werde mir irgendetwas ausdenken. Vielleicht habt Ihr mir ja das Herz gebrochen. Oder ich Euch, wer weiß.« Das war zweifellos eine der seltsamste Situationen, in der ich mich jemals befunden hatte. Genau genommen war ich kurz davor in hysterisches Gelächter auszubrechen. »Was genau habt Ihr eurer Mutter denn über uns erzählt?«.

Die Frage überraschte mich. »Äh, ich weiß nicht genau, ich bin nicht sehr ins Detail gegangen.« Wieder dieser mysteriöse Ausdruck in seinem Gesicht. Gott im Himmel, ich würde wohl nie schlau aus ihm werden.

»Angenommen, Ihr würdet genau das tun. Behaupten, wir hätten es beendet. Was würde dann passieren?« Ich zuckte mit den Schultern. »Dann würde meine Mutter ein Treffen organisieren mit den Männern, die an mir als Ehefrau interessiert wären und ich müsste mir einen davon aussuchen.«

»Was ist mit dem Mann von neulich? Lancelot Irgendwas.«

»Oh, Gott bewahre, nein!«, rief ich instinktiv, aber wenn ich jetzt so darüber nachdachte, klang sein Antrag plötzlich nur noch halb so abstoßend. Bei ihm wüsste ich wenigstens worauf ich mich einließe.

»Rein hypothetisch gesehen«, sagte Lord Salverton. »Was wäre, wenn wir wirklich heiraten würden?« Ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke. »Was?!« Er zuckte mit den Schultern. »Na ja, mein Vater wird auch langsam ungeduldig. Ich bin schließlich sein einziger Sohn. Außerdem hätte es auch für euch Vorteile. Als meine Frau hättet Ihr Zugang zu den Versammlungen der Nachtwächter, Ihr würdet sogar euer eigenes Alias erhalten.«

Mir hatte es kurzzeitig die Sprache verschlagen. Auf der Kutschfahrt hatte ich mir jede erdenkliche Reaktion seinerseits haarklein ausgemalt, aber das hier stand auf einem ganz anderen Blatt. »Habt Ihr niemanden den Ihr eines Tages heiraten wollt? An Verehrerinnen kann es euch kaum mangeln.«

»Die Frauen, die ich kenne, wären nicht besonders begeistert, wenn sie wüssten, dass sie in eine Geheimgesellschaft einheiraten. Sowieso gibt es nicht nur eine Art von Liebe. Und eine Ehe in Freundschaft ist mehr, als die meisten sich erträumen können.« Er klang beinahe ein wenig verlegen. »Sind wir denn Freunde?«, fragte ich.

»Sind wir das nicht?«, antwortete er und jetzt war ich es, die das Gesicht in den Händen vergrub.

»Das ist absolut verrückt!«

»Und irgendeinen fremden Herzog zu heiraten ist nicht verrückt? Meiner Erfahrung nach sind die wohlhabenden Leute dieser Welt oft nicht die Sorte von Mann, die man sich als Ehemann wünscht.« Da hatte er allerdings recht. Ich hatte in meinem Leben schon viele einflussreiche Männer kennengelernt und die meisten waren selbstgefällige Schnösel gewesen, die man nicht mehr als einen Abend lang ertragen konnte, geschweige denn ein Leben lang. »Angenommen wir würden wirklich heiraten«, sagte ich. »Was tun wir, wenn sich einer von uns in jemanden verliebt?«

Er zuckte mit den Schultern. »Viele Leute haben Affären. Wir müssten es wenigstens nicht hinter dem Rücken des anderen tun. Wir wären wohl die ehrlichsten Eheleute in ganz England.« Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Eine Zweckehe! Niemals hätte ich so etwas auch nur Betracht gezogen. Irgendwie war ich immer davon ausgegangen, dass ich schon noch rechtzeitig jemanden fände, in den ich mich halsüberkopf verlieben würde. Jemanden aus guter Familie, mit viel Land und genug Geld, dass ich mich um nichts zu sorgen brauchte. So war es bei meiner Schwester gewesen und ich naives Ding hatte mir dasselbe gewünscht.

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Uhhh shit's going down...

Ich bin echt froh, das alles so langsam ins Rollen kommt. Aktuell habe ich die ersten 30 kapitel schon fertig und ich kanns kaum erwarten sie hochzuladen und eure Meinung zu hören. Ich will nicht zu viel verraten aber ich sage nur: Vampirball.

Ich hoffe ihr bleibt dran!

Byyyeeeee

Die sterbliche BaroninWo Geschichten leben. Entdecke jetzt