14. Kapitel

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Mondpfote wartete. Wieder. Seit Luchssterns Tod kam er jeden Tag hierher, zur SumpfClan- Grenze, um auf Schwebetropfen zu warten. Er wusste, dass er sie eigentlich hassen müsste. Schließlich hatte sie seinen Vater getötet. Doch seltsamerweise spürte er nichts dergleichen. Nur tiefe Zuneigung, ja, aber war es auch Liebe? Nein!, schalt er sich selbst. Sie hat Funkenpelz getötet! Ich erfülle nur Luchssterns letzten Willen. Was auch immer seine Worte auch für Schwebetropfen bedeuten mögen...

Sein Blick blieb an dem Schilf auf der anderen Seite des Flusses hängen. Dorthin hatten sie gewollt, als sie als Junge hierhergekommen waren. Bald würde erneut die Blattleere kommen. Das Wasser würde wieder zufrieren. Er hoffte inbrünstig, dass der neue Anführer, sollte der SternenClan Sprungflügel und Sternenpfote rechtzeitig ein deutlicheres Zeichen senden, ihn nicht allzu oft zu dieser Grenze schickte.

Plötzlich ertönten Stimmen von der anderen Seite des Flusses. Mondpfote duckte sich und lauschte. Wenigstens waren Tupfenjunges und Steinjunges im Lager, wo sie ihn diesmal nicht stören konnten.

»Mein Liebster«, schnurrte eine Katze. »Es erscheint mir wie eine Ewigkeit seit unserem letzten Treffen.«

»Ich war hier, jeden Tag«, antwortete die andere Stimme. »Nur du warst nicht hier. Warum nicht?«

»Ich konnte nicht gehen. Muschelstern wollte mich im Lager haben.«

»Dieses arrogante, selbstsüchtige Fuchsherz!«, knurrte der andere. Mondpfote war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass es ein Kater war. »Wenn er mir auch nur ein einziges Mal über den Weg läuft, werde ich ihn zerfetzen!«

»Beruhige dich! Du weißt, dass nicht er es ist, den wir aus dem Weg schaffen müssen!«

»Ich weiß«, murmelte der Kater.

»Er ist der einzige, der es gesehen hat!« Schweigen. »Er hat es gesehen, verstehst du! Als Einziger! Und er war sein Bruder!« Wieder Schweigen. »Noch stehe ich unter Muschelsterns Schutz und er wird es nicht wagen, mich zu beschuldigen, aber wenn ich Muschelstern weiterhin abblitzen lasse...«

»Wir haben keine andere Wahl«, sagte der Kater. Mondpfote bemerkte, dass das Schilf sich leicht bewegte, konnte jedoch nicht erkennen, wer diese Katze war. Wegen der Feuchtigkeit vom Fluss konnte er auch keinen Geruch wahrnehmen. »Ich habe keine Wahl.«

»Es muss geschehen«, miaute die andere Katze eindringlich. »Du liebst mich doch?«

»Ja, ja das tue ich! Weißt du schon wo?«

»Diesmal wird es nicht bei der Klippe sein«, erklärte die Katze. »Ich werde Muschelstern berichten, dass es einen Grenzübertritt an der EichenClan- Grenze gab. Er wird ihn dorthin schicken und da wirst du auf ihn warten. Keiner wird sich wundern, wenn er in einem Kampf gegen dich stirbt. Er ist in letzter Zeit recht aufbrausend und hat in einem Zweikampf noch nie aufgegeben. Egal, wie schwer seine Verletzungen waren.«

»Wirst du mich nicht unterstützen?«

»Er wird misstrauisch werden, wenn er meinen Geruch wahrnimmt. Du musst es für mich tun, mein Liebster.«

»Ich mache alles für dich«, schnurrte der Kater. »Wann wird das sein?«

»In drei Tagen. Um Mitternacht, wenn der Mond am höchsten steht. Einen Tag vor der Großen Versammlung.«

»Ich werde dort sein.«

Wieder ertönte lautes Schnurren. Dann verabschiedeten die beiden Katzen sich voneinander. Mondpfote wartete noch eine Weile, lauschte und erhob sich erst wieder auf die Pfoten als er ganz sicher war, dass sie weg waren. Sein gesamtes Fell sträubte sich wegen dem, was er soeben gehört hatte. Jemand hatte vor, einen SumpfClan- Krieger zu ermorden. Er war sich sicher, dass es dieselben Katzen gewesen waren, die er auch belauscht hatte, als er mit Steinjunges und Tupfenjunges hier war.

Ich muss etwas tun! Er dachte angestrengt nach. Sollte er jemandem Bescheid sagen? Aber wem? Käferblume? Sie würde den Tod einer SumpfClan- Katze eher befürworten als verhindern wollen. Besonders nach Funkenpelz' Tod. Dasselbe galt für seine Brüder. Sprungflügel? Die Heilerin würde bestimmt nicht wollen, dass eine Katze ermordet wurde. Egal aus welchem Clan.

Voller Tatendrang sprang der hellgraue Kater auf und spurtete in Richtung Lager davon. Schwebetropfen würde er auch später noch treffen können. Bei der Überquerung der Mondlichtung fuhr ihm wieder ein Schauer über den Rücken. Zu viele seltsame Sachen waren hier passiert. Erst der Blutgeruch beim Training mit Grünbart, dann Sonnenpfotes extreme Schnelligkeit...

Ohne langsamer zu werden stürmte er durch den Dornentunnel und weiter zum Heilerbau. Die Decke des Busches war immer noch teilweise zerstört vom gestrigen Regen. Weizenherz und Blättersturm waren gerade dabei, neue Zweige hinein zu flechten. Mit zuckenden Ohren betrat Mondpfote den Heilerbau und ignorierte die verwunderten Blicke der zwei Kriegerinnen. Drinnen blieb der Schüler abrupt stehen. Eine fremde Kätzin unterhielt sich mit Sprungflügel und verstummte, sobald sie ihn erblickte.

»Hallo, Mondpfote«, miaute die Fremde. »Schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?«

»Äh...«, brachte der hellgraue Kater nur heraus. »Ich...«

»Entschuldigung, manchmal vergesse ich, dass ich einigen Katzen nur in meinen Träumen begegnet bin«, unterbrach die Kätzin ihn. »Mein Name ist Winternacht.«

»Achso.« Natürlich kannte Mondpfote die Geschichten über die Heilerin, die von Clan zu Clan wanderte, um verletzten oder kranken Katzen zu helfen. Nur wusste er nicht, dass sie sich zurzeit beim EisenClan befand.

»Wolltest du etwas, Mondpfote?«, erkundigte sich Sprungflügel. Die Heilerin wirkte seltsam angespannt. »Bist du verletzt? Hast du Schmerzen? Husten? Schnupfen scheinst du ja nicht zu haben.«

»Nein, ich...«

»Dann tut es mir sehr leid, dich wegschicken zu müssen«, fiel die Heilerin ihm ins Wort. »Ich muss mit Winternacht einige wichtige Sachen besprechen. Es geht um die Zukunft unseres Clans.«

»Aber es ist wichtig! Es geht um...«

Sprungflügels wütend blitzende Augen ließen ihn verstummen. Mit hängendem Schweif verließ er den Heilerbau.

Wenn selbst sie mich nicht anhören möchte, wird niemand es tun. Dann muss ich mich selber darum kümmern, dass diese SumpfClan- Katze nicht stirbt! Er rief sich zurück ins Gedächtnis, was die beiden Katzen besprochen hatten. Einen Tag vor der Großen Versammlung. Um Mitternacht. Wo das Territorium des SumpfClans und des EichenClans zusammentreffen. Auch ich werde da sein, dachte er grimmig.

Warrior Cats - Zeit des KampfesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt