Seine Welt bestand nur aus Schmerz. Sein Maul war voller Asche, Ruß und Staub, seine Kehle trocken. Er hatte Durst, so furchtbaren Durst, doch seine Zunge war zu schwer, um sie zu bewegen. Der Kater versuchte, seine Augen zu öffnen, aber sie schienen zusammenzukleben. Hilflos tastete er mit den Pfoten umher. Jede Bewegung schickte qualvolle Blitze durch seinen Körper.
»Ruhig«, sagte auf einmal eine Stimme. »Ich bin es, Kräuselpfote. Du hast... schwere Verbrennungen. Du darfst dich nicht rühren, sonst schälst du dir die eigene Haut vom Leib.«
Der Kater öffnete sein Maul. Er spürte etwas reißen und eine warme Flüssigkeit, die sein Kinn und dann weiter seine Brust hinablief. Die Katze, Kräuselpfote, legte etwas Kühlendes auf sein Gesicht. Er schmeckte Wasser, das jedoch genauso schnell wieder verschwand, wie es gekommen war.
»Der Vulkan ist ausgebrochen. Ich... Ich hatte keine Zeit, um auch deinen Bruder zu retten. Ich konnte nur eine Katze mitnehmen.«
»Wohin?« Er erkannte seine Stimme kaum wieder. Er erkannte sich selbst nicht wieder.
»Wir sind in einer Höhle«, antwortete Kräuselpfote. »Aber wir wurden zugeschüttet. Ich habe versucht, nach einem Ausgang zu suchen, aber es gibt keinen. Jedenfalls habe ich keinen gefunden. Wenn du doch nur sehen könntest...«
Wenn ich doch nur sehen könnte. Der Kater erinnerte sich an den Kampf am Kraterrand. So viel Hitze. Werde ich je wieder sehen können? Werden meine Wunden je heilen? Er wusste, dass sein gesamter Körper verbrannt sein musste. Und sicher war Kräuselpfote auch nicht ganz heil davongekommen. Und sein Bruder... Wäre ich nur schneller und stärker gewesen...
»Mein Mentor Schuppenohr hat gesagt, dass alle Tunnel in den Himmelbergen zur Sternenhöhle führen. Denkst du, wir finden so den Weg hinaus? Aber es kann natürlich sein, dass auch vor ihrem Eingang nur Geröll liegt. Oder das flüssige Feuer ist in sie eingedrungen und hat sie unbetretbar gemacht.« Eine Pause. »Glaubst du, jemand außer uns hat überlebt?«
Er schwieg. SternenClan, mach, dass wenigstens Käferblume und Sonnenpfote noch am Leben sind. Aber werden sie mich überhaupt erkennen?
»Ich schaue mich nochmal um. Vielleicht habe ich den Zugang zu einem Tunnel übersehen.«
Lass mich nicht alleine, wollte er rufen, brachte aber nur ein heiseres Röcheln heraus. Ich brauche Wasser. Wasser, um das Feuer in mir zu löschen. In der Sternenhöhle wird es Wasser geben. Bestimmt. Wir müssen dahin. Ächzend erhob er sich auf die Pfoten, spürte Haut reißen, noch mehr warme Flüssigkeit, die hinausströmte. Schmerz. Brennender Schmerz überall.
»Du solltest dich doch nicht bewegen!«, rief Kräuselpfote von irgendwo her. Tapsende Schritte, noch mehr Schnee, der ihm auf die Wunden gelegt wurden und sie kühlte. »Es gibt tatsächlich einen schmalen Spalt. Wir könnten da durchpassen. Aber du musst durchhalten. Ich führe dich.«
Er spürte etwas Weiches an seiner Schulter. Ihr Schweif. Sie hatte keine Angst davor, ihn zu berühren, obwohl er so entstellt war. Seine eigene Schwester... Von Schmerzen gequält schleppte er sich durch die Dunkelheit. Er würde nicht mal wissen, ob von irgendwo her Licht in die Tunnel schien. Nur pure Schwärze. Vermutlich für immer. Auf einmal war da ein kalter Luftzug. Er zuckte zusammen.
»Wir sind auf dem richtigen Weg«, beruhigte Kräuselpfote ihn und führte ihn weiter. Bald hörte der Kater das leise Plätschern von Wasser. Wasser! Alle seine Instinkte sagten ihm, dass er einfach loslaufen sollte, doch er wusste, dass er höchstens gegen eine Wand laufen und noch unerträglichere Schmerzen erleiden würde.
»Die Sternenhöhle«, hauchte die Kätzin auf einmal. »Wir sind da. Warst du jemals hier? Es gibt Zaubersplitter in den Wänden, die wunderschön funkeln. Ich wünschte, du könntest es sehen. Hier ist der Teich. Trink erstmal etwas.«
Der Kater fühlte, wie das Wasser gegen seine Pfoten schwappte. Es brannte furchtbar, doch er zwang sich dazu, es auszuhalten. Gierig beugte er sich hinab und befeuchtete seine trockene Kehle. Als er wieder aufstand, klebte die Haut an seiner Brust an der der Pfoten. Quälend langsam trennten sie sich wieder.
»Die Sternenhöhle ist nur halb verschüttet«, informierte Kräuselpfote ihn. »Ich habe ein paar Steine weggeräumt, damit du durchkannst, ohne dir die Seiten aufzuschrammen. Komm.«
Sie führte ihn von dem Teich weg. Bei jedem Schritt schossen gleißende Schmerzensblitze durch seinen Körper, doch er hielt durch. Draußen stank es nach verbrannten Bäumen und versengten Pelzen. Wo vorher noch ein kalter Wind geweht hatte, schlug ihm nun ein heißer Sturm entgegen, denn der Wind hatte seine Richtung geändert. Es tat weh.
»Wir sind nicht die einzigen. Da vorne sind noch andere Katzen!«, miaute Kräuselpfote begeistert und drängte ihn weiter.
Nach einer Ewigkeit der Schmerzen brachte die Kätzin ihn zu einem Schneehaufen, auf dem er sich seufzend niederließ. Die Kälte schenkte ihm eine leichte Beruhigung. Irgendwo redeten Katzen aufgeregt miteinander. Er hörte nicht zu. Aus Angst davor, zwei Stimmen nicht zu hören. Nach einer Weile kamen einige Katzen zu ihm.
»Wer ist das?«, fragte ein Kater. »Wie konnte er solche Verbrennungen überleben?«
»Ich bin Heilerschülerin«, antwortete Kräuselpfote. »Ich habe schon so einiges gelernt.«
»Du siehst selber auch nicht besser aus, SumpfClan-Katze«, fauchte der Kater. »Sei froh, dass ich dich nicht gefunden habe, bevor der Vulkan ausgebrochen ist.«
»Wo sind die restlichen Überlebenden?«, fragte die Kätzin und überging die unterschwellige Drohung.
Der Kater lachte auf. »Die restlichen Überlebenden? Es gibt keine restlichen Überlebenden!«
»Was? Aber...«
»Der gesamte SumpfClan wurde entweder von unseren Patrouillen oder von der Lawine ausgelöscht. Das BlitzClan-Lager wurde offenbar ebenfalls überrollt. Nur Windstern und zwei seiner Krieger konnten gerade noch rechtzeitig entkommen. Von Knospenstern, Regenfell und Käferblume, die wir losgeschickt haben, um nach Verstärkung zu rufen, ist nur letztere zurückgekommen.«
»Aber Knospenstern ist eine Anführerin mit neun Leben!«, rief Kräuselpfote. »Muschelstern auch!«
»Neun Leben!« Wieder lachte der Kater. »Wie soll eine Katze ein weiteres Leben leben, wenn ihr Körper unter Schutt und Asche begraben oder vollständig abgebrannt ist?«
Darauf schwieg die Kätzin.
Der Kater seufzte. »Wer ist das überhaupt? Ich erkenne ihn nicht. Er ist zu... entstellt.«
Kräuselpfote zögerte kurz und antwortete dann: »Ich habe ihn in den Bergen gefunden. Er heißt Ignis. Wahrscheinlich ein Streuner, der sich verirrt hat.«
Sie verschweigt ihm, wer ich wirklich bin. Hat sie Angst? Hat sie Angst davor, dass ich verraten könnte, auf wessen Seite sie stand? Wer ihre Mutter ist? Was sie getan hat?
»Ein Streuner also«, miaute der Kater wenig begeistert. »Wenn du dich um ihn kümmerst, ist er in unserer Gruppe der Überlebenden herzlich willkommen. Ich werde Sprungflügel oder Luftfell zu dir schicken, sobald sie mit unseren Verletzten fertig sind.«
»Du bist doch selber verletzt!«
»Die paar Kratzer werden mich schon nicht umbringen!«, fuhr der Kater sie an. »Und jetzt entschuldige mich. Ich habe eine Tochter, um die ich mich kümmern muss.«
Als er gegangen war, beugte Kräuselpfote sich zu ihm runter. »Aus dem EisenClan haben Käferblume, Weizenherz, Sonnenpfote und Sprungflügel überlebt«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Ich dachte, das wolltest du wissen.«
»Danke«, krächzte Ignis. Ein quälender Schmerz brannte sich in sein Herz. Alles ist vergangen. Und wird nun wieder neu anfangen. Wie ein Feuervogel, der aus seiner eigenen Asche wiedergeboren wird.
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Warrior Cats - Zeit des Kampfes
Fanfiction»Drei werden es sein. Katzen des Himmels, der Nacht und des Lichts. Die Zeit des Kampfes ist angebrochen. Hüte dich vor einem Feind, der ein Freund dir scheint.« Mit dieser Prophezeiung fängt eine Geschichte an. Eine Geschichte über die drei Mächte...