39. Kapitel

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Die Hitze, die von unten aufstieg, verbrannte das Fell an seinen Hinterbeinen. Durch einen Schleier aus Schmerz konnte Sternenpfote eine Gestalt erkennen, die plötzlich auf dem Felsplateau auftauchte und Schwebetropfen von ihm weglockte. Er traute seinen Augen nicht. Ist das Mondpfote? Er sieht so... anders aus. Sein ganzes Fell leuchtet als hätten tausend Sterne sich darin verfangen!

Er schrie auf, als Schwebetropfen und sein Bruder aufeinander losgingen. Krallen zerfetzten Fell und Fleisch, Blut spritzte auf, wilde Augen funkelten im Licht des Mondes. Lautes Kreischen, Reißen von Haut. Sternenpfote wollte das nicht sehen, konnte seinen Blick aber nicht abwenden. Auch Kräuselpfote schien wie erstarrt.

Schwebetropfen schien jeden Schlag von Mondpfote im Vorhinein zu wissen. Duckte sich geschickt oder wich elegant aus. Und obwohl er sie erfolgreich von sich weghielt, fügte sie ihm Wunden zu. Ohne ihn berührt zu haben klaffte plötzlich eine tiefe Wunde an seiner Schulter. Mondpfote ignorierte den Schmerz, drängte vor und versuchte, die Kriegerin in Richtung des Vulkankraters zu stoßen. Das Glimmen des Feuerschlunds reflektierte sich in den Augen der beiden Kämpfenden.

Plötzlich passierte das Unglaubliche. Schwebetropfen knurrte etwas, woraufhin ihr gesamter Körper in unsichtbaren Schatten verschwand. In der Dunkelheit der Nacht war sie nicht mehr zu sehen. Mondpfote stolperte überrascht zurück und drehte sich wild um die eigene Achse, um den Angriff der Kätzin nicht zu verpassen.

»Pass auf!«, rief Sternenpfote seinem Bruder zu, doch es war zu spät.

Die Schatten wichen von Schwebetropfen. Ihre krallenbewehrte Tatze traf Mondpfote seitlich an der Brust, sodass der Kater kreischend weggeschleudert wurde und blutend zusammenbrach. Mit triumphierend leuchtenden Augen schritt die Kriegerin auf ihn zu.

»Die Macht der Schatten ist sehr nützlich«, lachte sie. »Genauso wie die Macht des Feuers und die Macht von Morgen. Ich kann mich in den Schatten verstecken, wie einst Muschelstern. Ich kann dich verletzten ohne dich zu berühren, wie einst mein Bruder Wolkenruß. Und ich sehe jeden deiner Angriffe, bevor du ihn ausführst, so wie einst meine Tochter Libellenklang.«

Sie beugte sich über Mondpfote und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der Schüler panisch aufjaulte und versuchte, davonzukriechen, doch Schwebetropfen hielt ihn fest. »Gib mir deine Macht!«, schrie sie ihn an.

»Lieber sterbe ich!«, brüllte Mondpfote mit einer Stimme, die Sternenpfote noch nie gehört hatte.

»Mutter!«, rief auf einmal Kräuselpfote. »Bitte! Du musst das nicht tun!«

Schwebetropfen fuhr zu ihrer Tochter herum. »Du hast gar nichts zu sagen!« Ihr Blick fiel auf Sternenpfote. »Warum lebt er noch? Du hättest ihn schon lange in den Vulkan stoßen müssen!«

Sternenpfote zuckte zusammen und sah Kräuselpfote flehend an. Die Schülerin wich seinem Blick nicht aus. In ihren Augen lag eine herzzerreißende Trauer. Und Bedauern. Langsam schüttelte sie den Kopf.

»Warum schüttelst du den Kopf?«, fuhr Schwebetropfen sie an und kam mit weit ausholenden Schritten auf sie zu. »Ich habe für dich gesorgt! Ich hätte dich auch zusammen mit deinen Brüdern dem EisenClan übergeben können, aber ich habe dich behalten! Du müsstest dankbar sein, dass...« Ihre letzten Worte gingen in einem Gurgeln unter.

Fassungslos starrte Kräuselpfote auf ihre rote Pfote, von der unaufhörlich Blut tropfte. Das graue Fell von der Kehle ihrer Mutter hing noch zwischen ihren Krallen. Sie zitterte. Dann hockte sie sich neben Schwebetropfen auf den Boden, die sie hasserfüllt anstarrte.

»Wie... Wie konntest du?«, röchelte die Kriegerin. »Ich... Ich bin deine Mutter!«

»Ich wünschte, du wärst es nicht«, schluchzte Kräuselpfote und vergrub die Nase in ihrem Fell. Doch Schwebetropfen schlug sie mit letzter Kraft weg.

»Du vergisst, welche Mächte ich besitze«, zischte sie erstaunlich klar trotz ihrer zerfetzten Kehle. »Noch heute werdet ihr alle sterben.« Als sie ihre Augen schloss, erzitterte die Erde wie unter einem ohrenbetäubenden Donnerschlag.

Sternenpfote schwankte. Der Rand des Felsplateaus bröckelte unter seinen Pfoten ab. Er konnte sich nicht mehr halten. Panisch krallte er sich am splitternden Stein fest. Die Hitze von unten schien noch heftiger zu wüten. Er spürte, wie heiße Flammen über sein Fell leckten und kreischte vor Schmerz auf. Da war nur noch ein schwarzer Nebel vor seinen Augen.

Plötzlich stachen spitze Krallen sich in seine Schultern. Durch die dunklen Schleier hindurch erkannte er Kräuselpfote, die ihn mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht festhielt, vor dem Sturz bewahrte. Dabei hast du mich verraten, dachte er noch. Mit einem Mal riss die Schülerin entsetzt die Augen auf. Was ist los?

Doch da wusste er es schon selber. Eine Flammensäule schoss aus dem Vulkankrater. Sengender Schmerz brannte sich in seinen gesamten Körper. Unerträglich. Sternenpfote sah nur noch Feuer. Schmeckte nur noch Feuer. Fühlte nur noch Hitze. Er schrie. Schrie sich die Seele aus dem Leib. 

Warrior Cats - Zeit des KampfesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt