Mit knurrendem Magen starrte Sonnenpfote auf den zerfledderten Haufen aus Federn, den Schattenherz ihm gebracht hatte. Vor zwei Tagen oder so hätte man das noch als Amsel bezeichnen können, doch jetzt war sie nur noch Krähenfraß. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken daran, das fressen zu müssen.
»Psst!«
Der Schüler drehte sich um. Die graue Kätzin drückte sich wieder gegen die vertrockneten Zweige seines Gefängnisses. Und wieder sah das etwas ulkig aus. Diesmal war sie jedoch offensichtlich nicht gekommen, um mit ihm zu reden, denn sie schob ihm durch eine Lücke eine frisch gefangene Maus zu.
»Die ist für dich«, miaute sie mit einem frechen Funkeln in den Augen. »Habe ich selber gefangen. Ich habe mir gedacht, dass du hungrig sein könntest.«
»Danke.« Sonnenpfote schnupperte an der Maus und nahm einen großen Bissen. Das Fleisch war unglaublich zart und schmolz auf seiner Zunge dahin. Nachdem er zu Ende gekaut hatte, sagte er: »Wasser.«
Die Kätzin legte fragend den Kopf schief.
»Dein Name hat etwas mit Wasser zu tun«, fügte er schnell hinzu. Nicht, dass sie noch denkt, ich würde sie losschicken, um Wasser zu holen. Das darf ich ja auch gar nicht. Ich bin nur ein Gefangener.
»Stimmt«, schnurrte die Kätzin. »Ich heiße Wasserpfote.« Sie trat von den Zweigen zurück. »Ich störe dich mal nicht weiter beim Fressen.«
Du störst mich nicht!, wollte Sonnenpfote ihr noch hinterher rufen, doch da war sie schon zu weit weg. Wie peinlich wäre es, wenn der gesamte EichenClan hörte, dass er sie bei sich haben wollte. Sie war die Einzige, die wirklich freundlich zu ihm gewesen war. Und jetzt hatte sie ihm auch noch Frischbeute gebracht.
Auf einmal wurde es unruhig auf der Lichtung des EichenClan-Lagers. Sonnenpfote nahm einen letzten Bissen von der Maus, bevor er den Kopf reckte, um zu erfahren, was da los war. Er entdeckte den hellbraunen Kater, mit dem Wasserpfote immer aus dem Lager ging und der wahrscheinlich ihr Mentor war, eine schwarze Kätzin und einen hellgrauen Kater mit dunkleren Sprenkeln, die von ihren Clan-Gefährten umringt wurden. Sie schienen jemanden bei sich zu haben.
»Was ist hier los?« Eine braun-weiß gefleckte Kätzin sprang aus einer Baumhöhle auf den Boden und kam auf die Patrouille zu. Die Katzen machten ihr Platz.
Das muss Knospenstern sein! Es war das erste Mal, dass er die EichenClan-Anführerin sah. Trotz seiner Gefangenschaft war sie nie gekommen, um ihn zu bestrafen oder zu verhören.
»Noch ein EisenClan-Eindringling auf unserem Territorium«, antwortete der hellbraune Kater, der die Patrouille anzuführen schien.
Noch einer vom EisenClan? Wer ist gekommen, um mich zurück zu holen? Sonnenpfote stellte sich auf die Hinterpfoten, um so gut es ging über die Katzen hinweg zu schauen. Doch das war gar nicht nötig. Die Menge teilte sich und gab den Blick auf Käferblume frei. Seine Mutter erwiderte Knospensterns Blick gefasst.
»Ich bin hier, um meine Söhne zurückzufordern«, gab sie bekannt. »Das EichenClan-Lager ist der einzige Ort, wo sie sich noch aufhalten können.«
»Sie hätten die Grenze nicht überqueren dürfen«, antwortete Knospenstern streng. »Aber wir haben nur einen deiner Söhne. Sonnenpfote. Allerdings schien auch er auf der Suche nach seinem Bruder gewesen zu sein. Da muss ich dich enttäuschen, Käferblume. Sternenpfote haben wir nicht.«
Die EisenClan-Kätzin spannte sich sichtbar an, hielt sich jedoch unter Kontrolle. »Dann gib mir wenigstens Sonnenpfote zurück. Er hat eure Grenze überquert, ich weiß, aber das ist kein Grund, ihn gefangen zu halten. Wir werden ihn dafür bestrafen. Das ist eine Angelegenheit des EisenClans, nicht die des EichenClans. Du hast kein Recht, ihn hier festzuhalten.«
»So?« Knospenstern peitschte wütend mit dem Schweif hin und her. »Ihr werdet ihn also bestrafen? Ich kenne die Bestrafungen des EisenClans. Sie sind nicht hart genug.«
Käferblume bleckte die Zähne. »Du ziehst die Ehre meines Clans durch den Dreck! Nimm das sofort zurück!«
»Ich werde gar nichts zurücknehmen!« Die Anführerin baute sich nun in voller Größe vor der Kätzin auf. »Erinnerst du dich nicht an Sonnenherz? Er hat meinen Kriegern faule Tricks beigebracht und ist selbst daran zugrunde gegangen! Hätte der EisenClan ihn hart genug bestraft, wäre nichts passiert. Meine zwei Krieger wären jetzt noch am Leben und Sonnenherz bei gesundem Verstand!« Sie gab ein verächtliches Lachen von sich. »Und dann hast du auch noch die Dreistigkeit, deinen Sohn nach Sonnenherz zu benennen!«
Schon wieder Sonnenherz!, dachte Sonnenpfote. Was hat es mit ihm auf sich? Warum...?
Er schrie auf, als Käferblume sich fauchend auf Knospenstern stürzte. Beide Kätzinnen gingen zu Boden und teilten Schläge aus, bis Blut spritzte.
»Nein!«, schrie Sonnenpfote und zerrte verzweifelt an den vertrockneten Ästen seines Gefängnisses, doch sie waren zu stark miteinander verflochten.
Knospenstern schaffte es, Käferblume mit einem Tritt ihrer Hinterbeine von sich zu schleudern. Die Kriegerin kam hart auf dem Boden auf und keuchte, als ihr die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Benommen schüttelte sie den Kopf und wollte aufstehen, wurde jedoch von dem hellbraunen Kater festgehalten. Sie fauchte wütend. Blut rann aus einer Wunde dicht über ihrem rechten Auge und färbte den weißen Kreis dort leuchtend rot.
Die Anführerin des EichenClans stemmte sich auf die Pfoten und stellte sich mit gebleckten Zähnen vor der unterlegenen Käferblume auf. »Ich hätte Besseres von dir erwartet«, zischte sie. »Seit wann bist du so reizbar?«
»Du hast selber keine Jungen! Du verstehst nicht, was es bedeutet, eine Mutter zu sein! Ich würde alles geben, um meine Söhne zu beschützen!«, schleuderte Käferblume ihr entgegen.
Knospenstern riss fassungslos die Augen auf und verengte sie sofort wieder zu Schlitzen. Ein Knurren stieg in ihrer Kehle auf, als sie sich zu der Kriegerin hinunter beugte. »Du würdest alles geben?«, fauchte sie. »Wie du willst!«
Blitzschnell hatte sie die Krallen ausgefahren und fuhr sie Käferblume quer durchs Gesicht und über ihr rechtes Auge. Ihr schmerzerfülltes Kreischen ging in Sonnenpfotes Schrei unter. Ungläubig starrte er in das blutverschmierte Antlitz seiner Mutter. Unfähig, sich zu bewegen.
Nein! Was hat Knospenstern getan! Wie konnte sie nur!
»Bring sie zurück zur Grenze, Buchenkralle«, befahl die EichenClan-Anführerin und schüttelte ihre blutbefleckte Pfote. »Und befreit den Schüler. Der Preis wurde bezahlt.«
Während der hellbraune Kater die immer noch kreischende Käferblume am Nackenfell packte und wegzerrte, kam Schattenherz auf Sonnenpfotes Gefängnis zu. Der junge Kater sträubte sein Nackenfell und wich mit gefletschten Zähnen und ausgefahrenen Krallen zurück.
»Herzlichen Glückwunsch, du bist frei«, knurrte der schwarze Kater verächtlich und riss mit seinen gewaltigen Pranken eine Lücke in den vertrockneten Strauch.
Sonnenpfote wartete, bis Schattenherz zur Seite getreten war und stürmte dann hinaus. Niemand hielt ihn auf, als er das Lager verließ. Der Wind pfiff in seinen Ohren und wirbelte sein Fell auf. Das Trommeln seiner Pfoten auf der harten Erde klang wie das Donnern bei einem Gewitter. Zielstrebig verfolgte er die Duftspur seiner Mutter. Erst, als er sie leise wimmernd an der Grenze unter einer der Buchen fand, fiel ihm auf, dass die EichenClan-Katzen im Lager sich gar nicht bewegt hatten. Er hatte seine Schnelligkeit wiederentdeckt.
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Warrior Cats - Zeit des Kampfes
Fanfiction»Drei werden es sein. Katzen des Himmels, der Nacht und des Lichts. Die Zeit des Kampfes ist angebrochen. Hüte dich vor einem Feind, der ein Freund dir scheint.« Mit dieser Prophezeiung fängt eine Geschichte an. Eine Geschichte über die drei Mächte...