21. Kapitel

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Das ist nicht real, dachte Sternenpfote und kauerte sich noch mehr zusammen. Das ist nicht real. Das ist nicht echt. Ich bin ein loyaler EisenClan-Schüler. Ich gehöre nicht zum SumpfClan. Ich bin der Sohn von Funkenpelz und Käferblume. Sie sind meine Eltern und nicht... und nicht...

Er brachte es nicht über sich, den Namen der Katze zu denken, die er in seiner Vision gesehen hatte. Sie hatte Funkenpelz getötet. Und war vielleicht sogar für den Tod von Falkenschweif verantwortlich. Sie konnte nicht seine Mutter sein. Wie denn auch? Die anderen EisenClan-Katzen hätten doch bemerken müssen, dass Käferblume plötzlich drei Junge mehr hatte!

»Das ist nicht real«, sagte er laut. Das Echo hallte von den Wänden der Sternenhöhle wieder. Das Funkeln und Glitzern der kleinen Zaubersplitter schien ihn zu verhöhnen.

»Dein ganzes Leben ist eine Lüge«, flüsterten sie ihm zu. »Du gehörst zum SumpfClan. Du bist der größte Feind all deiner Freunde. Deine richtigen Eltern hassen dich und deine Brüder und haben euch deswegen ausgesetzt. Du hast das Vertrauen deiner Clan-Gefährten missbraucht. Sie werden dir nie verzeihen. Sie werden dich verbannen. Du wirst dein restliches Leben in Einsamkeit verbringen und dann in irgendeiner Blattleere elendig verhungern.«

»Nein!«, hauchte Sternenpfote und stolperte zurück, bis er gegen die hinterste der Wände stieß. »Nein...«

Aber ich werde nicht zurückkehren. Nicht, wenn Schwebetropfen die neue Anführerin ist. Ich werde sie nicht ansehen können. Ich weiß ja nicht mal, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll. Und Käferblume? Sie kennt die Wahrheit. Warum hat sie nichts gesagt? Haben Mondpfote, Sonnenpfote und ich es nicht verdient, die Wahrheit zu wissen? Und... Wer ist dann unser wirklicher Vater?

Doch was ihn am meisten wunderte: In meiner Vision hat Schwebetropfen sich über vier Junge gebeugt. Aber das vierte...

Wolkenjunges hatte ein durchgängig weißes Fell gehabt. Aber dieses Junge hatte schwarze Flecken gehabt. Oder waren das nur Schatten gewesen? Oder Schmutz? Er keuchte unter dem Schmerz, der ihm durch das Herz schoss. Sie war gestorben ohne die Wahrheit über ihre Herkunft zu wissen. Er selbst wusste ja nicht mal alles.

Plötzlich schob sich ein Schatten vor den Eingang der Sternenhöhle. Sternenpfote drückte sich enger an den Boden, damit der Neuankömmling ihn übersah, aber es klappte nicht. Sein gelbbraunes Fell stach in all dem Schwarz einfach zu sehr hervor.

»Sternenpfote?«

Beim Klang von Winternachts Stimme stand der Kater überrascht auf. Die umherwandernde Heilerin hatte er zuletzt erwartet. Aber dass sie hier war, konnte nur eins bedeuten: Der EisenClan hatte nun einen neuen Anführer und dieser Anführer war Schwebetropfen.

»Da bist du«, miaute Winternacht und wartete, bis er bei ihr angekommen war. Sein Hinterbein und seine Ballen schmerzten immer noch von der überstürzten Reise zur Sternenhöhle.

»Ist Schwebetropfen jetzt wirklich die neue Anführerin des EisenClans?«, fragte er niedergeschlagen.

»Ja«, kam die etwas zögerliche Antwort.

Sternenpfote verzog gequält das Gesicht.

»Deine Mutter und deine Brüder vermissen dich. Möchtest du nicht ins Lager zurückkehren? Du bist schon zwei Tage fort. Sie machen sich Sorgen.«

»Ich werde keinem Clan angehören, der von einer Mörderin angeführt wird!«, fauchte er gereizt. Und von meiner Mutter, fügte er in Gedanken hinzu, schüttelte aber sofort wieder den Kopf.

»Du möchtest wirklich nicht zurückkehren?«, hakte Winternacht nach. »Der EisenClan wird nach dir suchen. Spätestens heute werden die Katzen darauf kommen, dass du dich in der Sternenhöhle versteckst. Dann vor ihnen wegzulaufen würde wie Verrat aussehen.«

Da hat sie recht, dachte er betrübt. »Aber ich kann mit meinem Bein und meinen wunden Ballen nicht sehr weit kommen. In der Nähe der Sternenhöhle wachsen keine Kräuter, die mir helfen können.«

»Warum kommst du nicht einfach mit mir?« Die eisblauen Augen der Kätzin strahlten ihm entgegen. »Ich werde dich stützen, bis wir an einem sicheren Ort sind und dich heilen.«

»Und dann?«, fragte Sternenpfote verzweifelt. »Ich werde nicht zum EisenClan zurückkehren! Nie im Leben!«

»Ich brauche einen Schüler, an den ich mein Wissen weitergeben kann«, sagte Winternacht fast beiläufig. »Du warst schon der Schüler einer Heilerin, kennst also schon viele Heilkräuter und Krankheiten. Ich werde dir mehr beibringen können als Sprungflügel. Schließlich bin ich viel weiter gereist und bin die Tochter von Sternenglanz, dem Wunderheiler. Hast du schon von ihm gehört?«

Sternenpfote schüttelte den Kopf.

»Du erinnerst mich an ihn. Genauso stur, aber innerlich voller Energie und bereit, alles zu geben.« Die schneeweiße Kätzin beugte sich zu ihm hinunter. »Ich verspreche dir, dass ich dich nicht dazu zwingen werde zum EisenClan oder SumpfClan mitzukommen, wenn es dort Arbeit für mich gibt. Darüber solltest du dir also keine Sorgen machen.«

Der gelbbraune Kater fühlte sich leicht überrumpelt. Eine Weile stand er unschlüssig da. Die Zaubersplitter in den Wänden der Sternenhöhle funkelten und blitzten als würden sie sich für ihn freuen. Das Wasser des Teiches war vollkommen klar. Die Decke der Höhle mit ihren vielen nach unten zeigenden Zacken spiegelte sich darin.

Wenn ich ihr Schüler werde, werde ich meine Familie nie wiedersehen. Oder nur flüchtig an den Grenzen. Dafür werde ich der beste Heiler, den die Clans je erlebt haben. Ist es das wert? Er dachte an Käferblume, die ihn sein ganzes Leben lang belogen hatte. Und an Schwebetropfen... Er musste sich dazu zwingen, die Krallen bei sich zu behalten.

»Ich werde der beste Schüler sein, den du haben kannst«, beschloss er mit fester Stimme und sah der wandernden Heilerin in die eisblauen Augen.

Ein geheimnisvolles Lächeln zuckte über ihr Gesicht. »Das will ich doch hoffen«, schnurrte sie und bot ihm ihre Schulter an, um ihm aus der Sternenhöhle hinaus zu helfen.

Warrior Cats - Zeit des KampfesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt