Der halbe Mond war das einzige, was sein fahles Licht auf die Himmelberge warf. Ob das ein gutes Zeichen ist?, dachte Mondpfote, während er einen steilen Hang hinaufkraxelte. Unter ihm hörte er die Rufe der EisenClan- und EichenClan-Katzen. Hoffentlich hat niemand gesehen, dass ich alleine aufgebrochen bin.
Er konnte den Hass auf den SumpfClan zwar verstehen – er hasste ihn ja selber auf gewisse Weise – aber Mondblick, seine vorherige Geburt, war einst der zweite Anführer dieses Clans gewesen. Wenn Schwebetropfen nicht gewesen wäre, wäre der SumpfClan vielleicht noch genauso hoch angesehen wie früher. Sie war der Grund dafür, dass statt Mondblick Muschelstern Anführer geworden war.
Dank seinen Erinnerungen wusste er nun, was sie begehrte. Warum sie eine unschuldige Katze nach der anderen tötete. Schwebetropfen hatte Mondblick damals darum gebeten, ihm seine Gabe zu überlassen. Die Gabe, die Vergangenheit anderer Katzen zu sehen, sobald er ihnen begegnete. Doch Mondblick hatte sich geweigert und herausgefunden, dass sie auch die anderen Träger der Mächte darum gebeten hatte. Dann hatte sie ihn bei dem Kampf gegen den BlitzClan von der Klippe gestoßen. In der Hoffnung, dass seine Wiedergeburt vernünftiger wäre.
Ich werde ihr meine Gabe nie im Leben überlassen, dachte Mondpfote stur. Beinahe wäre er auf einem der locker sitzenden Steine ausgerutscht, konnte sich jedoch gerade noch rechtzeitig fangen. Wer sind nun die anderen Träger der Mächte? Er zählte sie in Gedanken nochmal auf.
Schatten und Licht – keine Ahnung. Gestern und Morgen – wer auch immer. Feuer und Wasser – irgendjemand. Erde und Luft – unbekannt. Sonne und Mond im Licht der Sterne – jetzt wurde es interessant. Die Macht des Mondes besaß er selbst. Die Macht der Sonne könnte Sonnenpfote haben. Seine Schnelligkeit war erstaunlich. Und Säbelauge schien auch in ihm eine Wiedergeburt erkannt zu haben. Wer das zweite ›Licht‹ war, wusste er nicht, doch mit den Sternen konnte nur Sternenpfote gemeint sein.
Ich muss ihn finden, bevor Schwebetropfen ihn findet!
Mondpfote blieb auf dem Gipfel eines schneebedeckten Berges stehen. Der Ausblick war wortwörtlich atemberaubend. Nur mit Mühe konnte er seine Lungen mit Luft füllen. Ihm wurde leicht schwindelig. Er hatte nicht viel Zeit. Er ließ seinen wachsamen Blick über das Gebirge schweifen, schaute in alle Täler und Schluchten, die er sehen konnte und in die auch Mondlicht fiel.
Beim Anblick eines glühenden Feuerschlunds kniff er die Augen zusammen. Drei schwarze Gestalten zeichneten sich vor dem flammenden Hintergrund ab. War Sternenpfote eine von ihnen? Auf die Entfernung konnte er das unmöglich erkennen. Um andere Möglichkeiten auszuschließen, sah er nochmal in allen sichtbaren Tälern nach. An einem der Berghänge waren Grünbart, Flugglanz und ein EichenClan-Schüler schon auf die erste SumpfClan-Patrouille gestoßen und kämpften wie wild.
Grünbart ist ein guter Krieger. Er wird das schaffen, redete Mondpfote sich ein, um seinem Mentor nicht sofort zu Hilfe zu eilen. Ein letztes Mal schaute er zu dem Feuerschlund und prägte sich die richtige Richtung ein. Dann kletterte er den Gipfel hinunter und rannte los.
Er hatte sich gerade durch eine Felsspalte gequetscht, als er in einen dunkelbraunen SumpfClan-Kater hineinlief. Dieser fauchte überrascht auf, erkannte Mondpfote als einen Feind und ging sofort zum Angriff über. Der Schüler konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken, wurde aber vom nächsten Schlag gegen einen Geröllhaufen geschleudert. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst und er schnappte entsetzt nach Luft.
Der SumpfClan-Krieger kam mit bedrohlich gebleckten Zähnen auf ihn zu. »Versuchst du, die zwei Heiler vor ihrem sicheren Tod zu bewahren? Du bist gescheitert! Winternacht wurde bereits hingerichtet! Jetzt ist ihr Schüler dran, aber Muschelstern wird sicher nichts dagegen haben, wenn ich auch einen EisenClan-Schüler zum SternenClan schicke!«
Mit ausgefahrenen Krallen stürzte der Krieger sich auf Mondpfote, der ihm nur mit weit aufgerissenen Augen entgegensah. Das war sein sicherer Tod. Er konnte nicht mal auf die Pfoten kommen, weil sie immer wieder unter ihm nachgaben. Doch plötzlich verkrampfte sich sein gesamter Körper. Er spürte wieder Mondblicks Präsenz in sich. Eine unglaubliche Kraft durchfloss ihn. Kurz bevor der Krieger die Zähne in seine Kehle bohrte, sprang Mondpfote auf und verpasste ihm einen Hieb gegen die Schläfe, der ihn auf den Boden schickte.
Ungläubig starrte der SumpfClan-Kater Mondpfote – Mondblick – an. Er versuchte, noch etwas zu sagen, doch bei dem Aufprall war sein Kiefer gebrochen. Ein rotes Rinnsal lief ihm aus dem Mund. Mondpfote spürte, wie er sich zu voller Größe aufrichtete und sich vor dem geschlagenen Krieger aufbaute.
»Ich bin nicht dein Feind, Saphirsturm«, sagte der Schüler mit einer Stimme, die so gar nicht nach ihm klang. Nun spiegelte sich fassungsloses Erkennen in den blaugrauen Augen des SumpfClan-Katers wieder. Erneut versuchte er, etwas von sich zu geben, doch heraus kam nur ein unartikuliertes Gurgeln.
Mondblick schüttelte traurig den Kopf. »Ich werde keinen meiner Clan-Gefährten töten. Aber ich kann mich nicht für den EisenClan und EichenClan verbürgen. Ihr Hass ist stark. Ich wünsche dir Glück, Saphirsturm. Ich hoffe, wir sehen uns nie wieder.«
Damit sprang Mondblick mit kraftvollen Sprüngen in Richtung des Feuerschlunds davon. In Richtung des Vulkans. Bei jedem Satz spürte Mondpfote die zusätzliche Energie, die ihn durchströmte. Es war nicht nur die Präsenz seiner vorherigen Geburt – sie waren eins – nein, es war auch das Licht des Mondes, das ihm noch mehr Macht verlieh. Trotz der Entfernung konnte er die Vergangenheit von Schwebetropfen sehen.
Sie besaß die Macht der Luft. Die Macht, anderen Katzen einen Teil ihrer Lebensenergie zu geben. Oder zu nehmen. Sie hatte es getan mit ihren Brüdern Wolkenruß und Flossenwirbel, die Feuer und Wasser waren. Sie hatte es getan mit ihrem ersten Gefährten Muschelstern, der die Macht der Schatten besaß, und mit ihren gemeinsamen Töchtern Silbernebel und Libellenklang, die Gestern und Morgen waren. Sie hatte auch Hirschbein und Luchsstern die Macht geraubt.
Luchsstern! Deshalb hat er mich kurz vor seinem Tod zu sich gebeten und mir aufgetragen, Schwebetropfen zu sagen, dass er über ihre Tat Bescheid weiß! Aber nicht nur das – sie waren Gefährten! Und sie... Sie sind meine Eltern! Die Eltern von Sonnenpfote, Sternenpfote und mir! Und einer weiteren Katze! Einer Kätzin mit schwarz-weißem Fell, aber nicht Wolkenjunges! Wer ist sie?
Die Frage wurde Mondpfote beantwortet, als er mit einem letzten Satz auf dem schwarzen Felsplateau landete, das bis zum Rand des kochenden Vulkankraters führte. Dort hatte Schwebetropfen Sternenpfote so weit zurückgedrängt, dass er beim nächsten Schritt nach hinten in seinen Tod fallen würde. Neben ihr stand die schwarz-weiße Kätzin aus seiner Vision. Seine Schwester. Auf ihrer Brust prangte das Mal, das jede Katze trug, der man ihre Macht genommen hatte. Bald würde jedoch Fell darüber wachsen. So wie bei den anderen.
»Schwebetropfen!«, rief Mondpfote seiner Mutter entgegen und richtete sich mit Mondblicks Hilfe zu seiner vollen Größe auf. »Lass ihn in Ruhe!«
Die SumpfClan-Kätzin drehte sich mit zusammengekniffenen Augen zu ihm um. »Ein unwichtiger Schüler wird mich nicht aufhalten können!«, fauchte sie.
»Ich bin kein unwichtiger Schüler!«, brüllte Mondblick. »Ich war einst dein zweiter Anführer! Bevor du mich die Klippe hinuntergestoßen hast!«
Für einen Moment blitzte Unsicherheit in den blauen Augen der Kriegerin auf, doch sie war schnell verschwunden. Ein unheimliches Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Ich habe nicht erwartet, dich ausgerechnet in so einem mickrigen Körper wiederzusehen, Mondblick. Du weißt, dass ich nun neun der insgesamt zwölf Mächte in mir vereine? Du hingegen besitzt nur eine! Du hast keine Chance!«
»Das werden wir ja sehen!«, knurrte Mondblick und ging zum Angriff über.
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Warrior Cats - Zeit des Kampfes
Fanfiction»Drei werden es sein. Katzen des Himmels, der Nacht und des Lichts. Die Zeit des Kampfes ist angebrochen. Hüte dich vor einem Feind, der ein Freund dir scheint.« Mit dieser Prophezeiung fängt eine Geschichte an. Eine Geschichte über die drei Mächte...