Frustriert riss Sonnenpfote an dem Moos, das auf der dicken Wurzel der Eiche wuchs. Es gab zwar nach, doch blöderweise hingen noch unzählige Rindenstückchen darin. Seufzend begann er, sie eines nach dem anderen rauszufriemeln. Eine anstrengende Arbeit und eine verdammt harte Strafe.
Dafür, dass er sich offensichtlich mit einer EichenClan-Katze getroffen hatte, hatte Weidenstern ihm aufgetragen, sich den Rest des Mondes um Säbelauge zu kümmern. Der Älteste wirkte aber in letzter Zeit noch verrückter als sonst, sodass Sonnenpfote froh war, wenn er im Wald Moos sammeln konnte. Er lächelte in sich hinein. Es war nicht verboten, Moos an der EichenClan-Grenze zu sammeln.
Immer wieder schaute er in Richtung Buchenhain, der die Grenze markierte. Hoffend, dass eine Patrouille vorbeikam, zu der auch Wasserpfote gehörte. Bisher war aber noch nichts passiert. Enttäuscht wandte er sich wieder den hartnäckigen Rindenstückchen zu. Doch auf einmal hörte er ein lautes Jaulen und fuhr herum.
Zwei EichenClan-Katzen rannten auf die Grenze zu. Schattenherz war eine von ihnen. Der unangenehme Kater fixierte Sonnenpfote mit seinen dunkelgrauen Augen, als er ihn entdeckte. »Du! Schüler! Wo ist er?«
»Wer?« Sonnenpfote erschrak bei dem aggressiven Ton, den der schwarze Krieger anschlug.
»Hirschbein!«, fuhr Schattenherz ihn an. »Er muss hier lang gekommen sein!«
»Hirschbein ist entkommen?« Der Schüler riss erschrocken die Augen auf. Der Gedanke daran, dass ein Mörder frei herumlief, machte ihm Angst.
»Ich habe dir gesagt, dass er zum SumpfClan gerannt ist!«, fauchte die schwarze EichenClan-Kätzin frustriert. »Jetzt können wir ihn unmöglich einholen!«
Ich schon!, dachte Sonnenpfote. Ohne nachzudenken stürmte er los und hörte nicht mehr, was genau die beiden Krieger ihm hinterher riefen. Er hörte nur noch den Wind in den Ohren, spürte die federnde Erde unter seinen Pfoten und atmete bei jedem Sprung die frische Waldluft ein.
Die Bäume und Büsche um ihn herum verschwammen zu einem tiefen Dunkelgrün. Und dann war da der Fluss. Ohne zu zögern stürzte er sich in die Fluten, paddelte wie wild und kam auf der anderen Seite völlig durchnässt ans Ufer. Doch das war nicht schlimm. Er fühlte sich frei, so frei. Er fühlte sich wie ein Vogel, der über den Sumpf dahinflog. Wie ein Falke, der zielstrebig auf seine Beute zuhielt.
Wohin?
Sonnenpfote verlangsamte sein Tempo etwas. Er war noch nie so tief in das SumpfClan-Territorium eingedrungen, aber seltsamerweise fühlte es sich vertraut an. Diese umgefallene Birke, hatte er sie nicht schon mal gesehen? Unschlüssig ging er auf sie zu, wobei der Schlamm sich nun doch an seinen Pfoten festsog. Der Gestank des SumpfClans stieg ihm in die Nase. Er musste schon nahe beim Lager sein.
Plötzlich entdeckte er eine große Gestalt, die sich mit weiten Sprüngen der Birke näherte und hinter ihr verschwand. Hirschbein! Als Sonnenpfote mit einigen Schwierigkeiten auch bei dem umgefallenen Baum angekommen war, hörte er die verzweifelten Rufe des EichenClan-Katers.
»Schwebetropfen! Schwebetropfen, wo bist du?«
Warum ruft er nach Schwebetropfen? Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Sie war es, die Flossenwolke damals aus dem Lager gelockt hat! Sie ist seine Komplizin und seine Geliebte!
Gerade bereitete er sich darauf vor, über die Birke zu springen und den großen Kater zu Boden zu ringen, doch etwas stimmte nicht. Niemand antwortete Hirschbein. Alles war unheimlich still. Zu still für ein Lager bei Sonnenhoch. Vorsichtig lugte er über den Rand des Baumstamms, um in die Mulde zu sehen, in der das Lager sich offensichtlich befand. Hirschbein stand verloren auf einer vollkommen verlassenen Lichtung.
»Schwebetropfen?«, rief er erneut. Die Verunsicherung war ihm anzuhören. Er stolperte einige Schritte zurück, als sich das Schilf an einer Stelle teilte und ein uralter Kater mit zerfetztem Pelz heraustrat.
»Was schreist du so rum?«, fauchte er Hirschbein an. »Wer bist du überhaupt? Und was hast du hier zu suchen?«
»Wo... Wo ist der gesamte SumpfClan hin?«, stotterte der EichenClan-Kater verwirrt.
»Sich rächen«, krächzte der Älteste. »Sie haben nur mich, Schluchtschatten und Frostschweifs Junge zurückgelassen.« Er deutete auf eine mindestens genauso alte Kätzin wie er, die nun ebenfalls aus dem Schilf heraustrat. Ihre linke Gesichtshälfte war entstellt und sie hatte nur noch ein blaues Auge. Zu ihren Pfoten tummelten sich zwei winzige Junge.
»Sich rächen?« Hirschbein wich noch ein paar Schritte zurück. »An wem? Wofür?«
»An Winternacht und ihrem Schüler«, antwortete der Älteste. »Dafür, dass sie nicht gekommen sind, um unsere Verletzten zu heilen. Und dafür, dass Muschelsterns älteste Tochter deshalb ihren Verletzungen erlegen ist.«
An Winternacht und ihrem Schüler. Die Worte trafen Sonnenpfote so hart und plötzlich wie der Pfotenhieb eines Feindes aus dem Hinterhalt. Sternenpfote! Sternenpfote ist in Gefahr! Der gesamte SumpfClan ist auf dem Weg zu ihm!
Ohne nachzudenken drehte er sich um und stürmte davon. Ihm war egal, dass Hirschbein nun frei war und ihn vielleicht sogar bemerkt hatte. Er wollte nur eines: Seinen Bruder warnen, bevor es zu spät war. Doch vielleicht war es das schon! Er musste Verstärkung holen!
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Warrior Cats - Zeit des Kampfes
Fanfiction»Drei werden es sein. Katzen des Himmels, der Nacht und des Lichts. Die Zeit des Kampfes ist angebrochen. Hüte dich vor einem Feind, der ein Freund dir scheint.« Mit dieser Prophezeiung fängt eine Geschichte an. Eine Geschichte über die drei Mächte...