Kapitel 30

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Die Abendluft war angenehm erfrischend und nicht ansatzweise so kühl wie Isabelle es erwartet hätte. Ihre Jacke hatte sie deshalb nur lose über ihre Schultern gelegt, während sie auf der Steintreppe vor dem Eingang der Villa saß und in die Ferne schaute. Die zwei Tassen Kakao, die unberührt neben ihr auf der Stufe standen, mussten schon fast wieder kalt sein. Ihr Blick glitt über den sandigen Weg, der vom Tor aus zur Villa führte. Vor ihrem inneren Auge sah sie zwei Kinder auf dem Weg laufen. Beide Jungen hatten ihre gute Kleidung beschmutzt- Sie war von Sand und grünen Grasflecken gezeichnet. Damals hatte sie unten am offenen Fenster gestanden und sie neugierug beobachtet.

,,Hey Elliot!" rief ihr Bruder in irgendeine Richtung rechts von der Villa. Damian, dessen Augen aufgeregt funkelten, schien völlig ungeduldig darauf zu warten, dass sein bester Freund zu ihm kam. Elliot, der für seine zehn Jahre schon wesentlich erwachsener war, als man es von einem Kind in dem Alter erwartet hätte, trottete langsam auf Damain zu, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Unter dem einen Arm klemmte ein Buch. Er hatte wohl im Vorgarten gelesen, dachte Isabelle. Doch das interessierte sie nicht. Sie wollte wissen, wer dieser Junge neben ihrem Bruder war. Er hatte fast dieselben pechschwarzen Haare und eine schlanke Statur. Als Elliot fast bei ihnen angekommen war, begann der unbekannte Junge nervös von einem Bein auf das andere zu treten. Nun stand Elliot vor ihnen und Isabelle glaubte, dass sein Blick nicht begeistert wirkte, als Damian ihn freudestrahlend anlächelte.

,,Das" begann Damian euphorisch und deutete auf den Jungen neben sich, ,,Ist Alexander Lane."

Der fremde Junge - Alexander- sah nun von seinem gesenkten Blick auf und schenkte dem skeptisch dreinblickendem Elliot ein schiefes Grinsen. Isabelle, die das Geschehen genauer beobachten wollte, verließ lansam ihre Komfortzone und traute sich von dem Fenster weg zur Eingangstür, die sie einen Spalt breit öffnete. Vorsichtig, wie ein scheues Reh, lugte sie aus dem Spalt der offenen Tür hinaus. Gespannt sah sie zu, wie Elliot dem neuen Jungen die Hand entgegensteckte. ,,Elliot Damon Bail." stellte er sich vor. Mit festem Griff und einem freudigem Lächeln, das fast dem Damians gleich kam, ergriff Alexander seine Hand. Isabelle, die ihr Lieblingskuscheltier fest umklammert hielt, konnte nun einen Blick auf das Gesicht des Jungen erhaschen. Er sah ganz nett aus, stellte sie fest. Besonders seine sturmgrauen Augen gefielen ihr. Strumgraue Augen, die sie jetzt direkt anblickten. Erschrocken zuckte Isabelle zusammen. Wie vom Blitz getroffen rannte sie wieder ins Haus und knallte die Tür hinter sich zu. Völlig außer Atmen (Ob es am Schock oder an dem kurzen Sprint lag, konnte sie nicht sagen) stand sie kerrzengerade an der Wand neben dem Fester.

,,Wer war das?" hörte sie Alexander fragen.

,,Ach, das war nur Isabelle. Meine kleine Schwester." erklärte Damian. ,,Sie ist ein bisschen scheu. Hat Angst vor neuen Menschen."

Darauf hatte Alexander nichts mehr erwidert.

Isabelle lächelte leicht bei dieser Erinnerung. Alex hatte sie das erste Mal gesehen, als sie sieben Jahre Alt war. Und danach, wenn er sich mit ihrem Bruder getroffen hatte, konnte er hin und wieder einen Blick auf sie erhaschen, wenn sie sich mal unüberlegter Weise nach unten getraut hatte. Bis sie dann eines Tages mit zwölf Jahren ihre Mutter auf eine Veranstaltung begleitet hatte auf der Alex auch war. Es hatte keine zwei Minuten gedauert, da war er auch schon bei ihr gewesen und ihr nicht mehr von der Seite gewichen. Nach einem Jahr waren sie irgendwie zu der Gewohnheit gekommen, dass Alex jeden Donnerstag um 18 Uhr vorbei kam und mit ihr auf der Steintreppe gesessen hatte. Und irgendwann kamen noch spontane Treffen dazu. Und als sie älter wurden auch Spaziergänge. Doch niemals hatte Isabelle ihn in die Villa gelassen. Sie hingegen war schon ein paar wenige Male bei Alex gewesen. Sie wohnten nur wenige Minuten voneinander entfernt. Und doch sind ihre Treffen weniger geworden. Isabelle vermutete, dass es daran lag, dass sie sich jetzt jeden Tag in der Schule sahen. Obwohl sie dort nie viel miteinander redeten. Sie fragte sich, ob er eines Tages einfach nicht mehr auftauchen würde. Diese Treffen als sinnlos erachten würde.

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