Kapitel 5

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Noah

Mein Blick war die ganze Taxi fahrt nach draußen gerichtet. Die Sonne schien, es war warm. Ja selbst in London war mal schönes Wetter. Es war atemberaubend schön hier. Die Häuser zogen an mir vorbei und ich lehnte meinen Kopf an die Scheibe. Dad saß neben mir und meine Mum hatte sich daneben Platz gemacht. Sie unterhielt sich die ganze Zeit aufgeregt mit dem Taxifahrer. Ich schloss nach einiger Zeit die Augen. Der Tag war anstrengend gewesen. Zu viele Emotionen und zu viele Tränen sind geflossen. Ich war erschöpft. Ich fühlte mich alleine. So eine große Stadt und ich hatte das Gefühl als wäre niemand außer mir hier. Egal wie schön es hier war, ich vermisste meine Freunde jetzt schon.

„Noah?", holte mich plötzlich die Stimme meines Vaters aus meinen Tagträumen. Ich blinzelte kurz und drehte meinen Kopf zu ihm. „Mhm?" Dad lächelte mich an und kratzte sich verlegen im Nacken. Meine Mutter redete immer noch wie ein Wasserfall und schenkte uns keinerlei Beachtung. „Deine Mutter wollte dich eigentlich schon morgen zur Schule schicken, aber ich konnte sie überzeugen, dass du noch ein bisschen Zeit hast dich hier ran zu gewöhnen." ich warf meiner Mutter einen Blick zu. „Du wirst erst nächste Woche zur Schule gehen müssen"
Ich lächelte ihn verwirrt aber trotzdem dankbar an. Wäre auch echt krass gewesen, wenn ich direkt nach dem Umzug hier zur Schule gehen sollte. Und das auch noch mitten in der Woche. Meine Mutter hatte manchmal echt komische Vorstellungen. „Danke, Dad. Das ist echt lieb von dir"
Ich wand mich wieder ab und sah raus. Meine Stirn knallte wieder gegen das Glas. Ein kurzer Schmerz zuckte durch meinen Kopf, aber ich ignorierte es. Was war denn plötzlich los mit meinem Dad? Warum war er plötzlich so freundlich? Sonst redete er doch auch nie mit mir. Und so oft wie er mich heute schon angelächelt hat... ist ja schon fast gruselig. Hatte er irgendetwas genommen? 

„Noah?" und wieder sah ich zu ihm. „Es tut mir Leid"
„Was?", gab ich etwas harsch von mir und Dad zuckte unmerklich zusammen. Sein Blick glitt abermals zu meiner Mutter, aber wir waren weiterhin Luft für sie. „Ich will einen Neuanfang. Ich weiß, wir haben uns nie wirklich gut verstanden, aber wir müssen zusammen halten."
Ich stieß ein schnauben aus. Wow, das kam aber früh. „Ich hab dich unglaublich lieb. Es tut mir alles so Leid. Wir haben dich einfach aus deinem Leben gerissen, obwohl ich das hier ja auch nicht wirklich wollte. Ich hätte versuchen können etwas daran zu ändern, aber hab es nicht getan. Ich wollte mich entschuldigen! Ich habe dich immer unfair behandelt. Ich möchte das ändern. Ich weiß, ich kann nicht ändern was ich getan habe, aber ich will es jetzt besser machen..."
Ich spannte meinen Kiefer an und nickte langsam. „Wir sind in einem Taxi. Müssen wir sowas unbedingt hier besprechen?" Dad zuckte nur hilflos mit den Schultern. „von mir aus. Das was du mir mein ganzes Leben lang für ein Gefühl gegeben hast kannst du nie wieder ändern. Aber ich würde mich freuen, wenn sich etwas ändern würde", murmelte ich und guckte wieder raus. Ich hatte keine Lust weiter darüber zu reden. Dad verstand, nickte und ließ mich in Ruhe. Aber über einen Neuanfang hatte ich ja auch schon nachgedacht. Schade, dass wir für diese Erkenntnis erstmal das Land verlassen mussten. Und hoffentlich war diese Entscheidung nicht nur für kurze Dauer, sondern würde langfristig etwas ändern. Aber ich machte mir deswegen nicht allzu viel Hoffnung. Bei meinen Eltern wusste ich ja nie. Und wenn ich gleich vom schlimmsten ausging, dann konnte ich im Nachhinein wenigstens nicht verletzt werden. Denn Hoffnungen wegen meinen Eltern hatte ich mir als kleiner Junge schon genug gemacht. Und jedes einzelne Mal wurde ich enttäuscht. Irgendwann lernt man daraus. 

Ich starrte wieder aus dem Fenster, bis wir endlich hielten. Ich fiel fast aus dem Auto so schnell öffnete ich die Autotür und sofort stockte mein Atem. Was. war. das?
Das Haus war riesig! Mein Blick glitt die Straße entlang und ein Haus war größer und schöner als das andere. Mein Mund klappte auf und zu wie ein Fisch auf dem trockenen. Das war nicht deren ernst...
„Darin wohnen wir?", fragte ich fassungslos und drehte mich zu meinen Eltern um. Mum warf ihre langen blonden Haare über die Schulter, zupfte ihr Kleid zurecht und strahlte mich dann an. „Natürlich, wir müssen den Leuten doch zeigen, was wir haben. Da können wir ja nicht in einer Bruchbude wohnen. Was soll mein Chef denn sonst von mir denken" Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. Zeigen was wir hatten? Bruchbude? Unser früheres Haus war schon groß genug für drei Leute. Und das hier grenzte ja schon an einer Villa. Wir brauchen definitiv ne Hausangestellte. Aber wenn Mum sich schon so ein Haus kaufen wollte, dann konnte sie dafür ja auch noch gerne Geld ausgeben. 
Auch Dad guckte etwas perplex. Er wusste wohl auch nicht wo es hinging. Super Kommunikation, die da zwischen ihnen statt fand. Er musste das Haus schließlich auch mit finanzieren. Ich zuckte mit den Schultern und machte mich auf den weg zum Taxifahrer, welcher schon unsere Koffer aus dem Kofferraum geholt hatte. Was ging mich das an? War ja nicht mein Geld. Wenn sie es so haben wollte, bitte. Ich lächelte dem Taxifahrer dankend an und nahm meinen Koffer entgegen. Unsere Sachen würden die nächsten Tage hier ankommen. Ich hoffe das dauert nicht zu lange und ich kann mein Zimmer noch einrichten in den Tagen bevor ich wieder zur Schule musste.

Mein Weg führte mich zusammen mit meinem Koffer ins Haus und ich staunte nicht schlecht. Auch innen war das Haus Luxuriös. Ich stellte meinen Koffer im Flur ab und ging durch die Räume. Das Wohnzimmer war um einiges größer als unser früheres. Es war in hellen Tönen gehalten. Ein paar Möbel standen schon drinnen. Meist weiß mit goldenen Akzenten. Und war das Marmor? Ich strich mit einer Hand über die Säule. Ich lief weiter zu der Küche, welche gleich an das Wohnzimmer angrenzte, sodass man von da aus direkt in die Küche gucke konnte. 

Die Küche war hingegen schwarz, was mir unglaublich gut gefiel. Wenigstens etwas. Meine Hand strich über den Tresen und ich seufzte auf. Ich glaube hier konnte es mir gefallen. Auch wenn alles nur so nach Geld schrie. Ich ging zurück ins Wohnzimmer und sofort fiel mein Blick durch die große Glasfront. Dahinter erstreckte sich ein riesiger Garten. Sogar ein Pool war an der Seite in den Boden eingelassen. Ich lief wieder in den Flur und guckte in die anderen Zimmer. Eine Abstellkammer, welche groß war, aber nichts besonderes hatte. Ein Badezimmer und ein Gästezimmer. Mein Weg führte mich weiter die Treppe hinauf. Dort waren zwei Badezimmer, zwei weitere Zimmer, an allen klebten bereits Zettel und somit konnte ich sehen, dass Mum und Dad wohl nicht mehr zusammen in einem Bett schliefen. Dann gab es auch noch ein Büro und nochmals zwei Gästezimmer. Als ob wir so viel Besuch bekamen. Wenn ich immer Freunde bei mir hatte, schliefen diese sowieso bei mir. Und meine Eltern waren ja sonst auch nie da. Aber bitte, wenn sie das so wollten.

Doch dann stockte ich. Und wo schlief ich? Kein Zettel war angebracht auf dem mein Name stand. Ich lief nochmal an den ganzen Türen vorbei wieder nichts. Es gab eine Treppe weiter nach oben und ich beschloss oben nach meinem Zimmer zu suchen. Vielleicht gab es dort ja weitere Räume. Groß genug war das Haus dafür auf jeden Fall. Ich erklomm die letzte Treppenstufe und stockte abermals. Vor mir befand sich nur eine Tür und diesmal stand dort mit großen Buchstaben in der Handschrift meiner Mutter mein Name drauf. Warte mal. Ist das...?
Ich öffnete die Tür und ein langes und helles Zimmer erstreckte sich vor mir. Durch die großen Fenster schien Licht hinein, wodurch das Zimmer noch schöner wurde, die Wände in weiß. Das gehörte alles mir? Ich hatte das komplette Dach für mich alleine? Was mir gleich auffiel war die andere Tür gleich neben mir. Ich öffnete sie schnell und zum Vorschein kam ein großes Badezimmer. Ich hatte auch noch ein eigenes Bad? Ich fühlte mich wie in einem Film. Das konnte doch nicht wirklich wahr sein. Ich hatte das Gefühl vor Glück zu platzen. Begeistert sah ich mich um. Genau mein Geschmack, denn genau wie die Küche war das komplette Badezimmer mit schwarzen Möbeln ausgestattet. Es sah extrem edel aus. Mein Grinsen wuchs.  Zurück in meinem neuen Zimmer fiel mir die Glastür auf und ich ging auf sie zu. Ich öffnete sie schnell und ein Balkon kam zum Vorschein. Nicht schlecht!
Ich schloss ließ die Türen offen und drehte mich um. Ein Bett war bereits dort, auf welches ich mich auch sofort warf. Vielleicht wird es ja doch nicht so schlimm hier. Also das Bett war schonmal echt bequem. 

„Noah?" Mein Dad rief nach mir. Schnell stand ich auf und lief die zwei Treppen runter ins Erdgeschoss zu ihm.
„Ja?"
„Könntest du schnell deiner Mutter helfen? Sie ist im Keller" Er zeigte auf sein Telefon „ich muss noch kurz telefonieren"
Manche Sachen werden sich also nie ändern. Neuanfang hin oder her, die Arbeit war wichtiger. Brav nickte ich aber, obwohl ich gar keine Lust hatte mit meiner Mutter Zeit zu verbringen. Ich lief also die Treppe runter und kam an mehreren Türen vorbei.
„Ah Noah. Gut, dass du da bist. Ich muss nochmal los. Die Heizung funktioniert nicht, kannst du da mal gucken? Du bist ein Schatz!"
Und schon dar sie weg. Na toll. Jetzt durfte ich Handwerker spielen. Wieso genau war ich nochmal so nett und bin hier runter gekommen? Und warum brauchte meine Mutter im Sommer die Heizung? Schultern zuckend ließ ich die Rohre links liegen und lief in jeden Raum hier unten und bekam immer größere Augen. Was war das für ein Haus? Das muss Millionen gekostet haben, so viel gibt es hier. Was ist nur aus meinem Leben geworden? Eben lebte ich noch in einem normal großen Haus mitten in einem Dorf, weil wir ja Geld sparen mussten und warum sollte man so viel Geld ausgeben für ein Haus in dem man sowieso fast nie war? Und dann zogen wir um und meine Mum brauchte sofort nen ganzen Imagewechsel? Was war das bitte für ein Chef, den sie ja unbedingt zeigen wollte wie groß und toll ihr Haus war? Eine Sauna, ein Fitnessraum und ein Pool? Was ist mit meinen Eltern plötzlich so falsch gelaufen? So was gibt es doch nur in einer Geschichte. Und jetzt wohne ich in genau so einem Haus? 

Ich schüttelte den Kopf, machte mich dann aber daran mir doch die Heizung anzugucken. Ich musste das ganze erst mal sacken lassen. Und obwohl das Haus so unglaublich groß war, war es mehr als gemütlich und sobald unsere Sachen von Zuhause ankommen und alles steht, wir es ganz bestimmt noch besser! Weil schön ist das Haus auf jeden fall. Nur extrem ungewohnt.
Gut, dass ich Morgen noch nicht zur Schule muss und dann auch erst mal Wochenende ist. So kann ich mich daran hoffentlich daran gewöhnen. Und ganz langsam mit diesem Leben starten...

Original with you [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt