7.Kapitel

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Lucius war ein überraschend unterhaltsamer Weggefährte. Er hatte darauf bestanden sich vorzustellen und hatte Aric seinen Namen genannt. Nun ritt er unbekümmert neben Aric her und erzählte eine Geschichte nach der anderen. Aric war verschlossen und stets auf der Hut, doch er konnte sich der Sympathie dieses jungen Mannes schwer entziehen. Er war ein Schönling. Ausgesprochen gut aussehend mit seinem blonden Haar und sonnengebräunter Haut, die trotz der Wintermonate nicht zu verblassen schien. Die blauen Augen strahlten eine unerschütterliche Selbstsicherheit aus und seine Worte verrieten eine Klugheit, die ihm Arics Respekt einbrachte.

Lucius schien genau zu wissen, wen er vor sich hatte und wie weit er gehen durfte. Er erzählte eine Menge über Land, Leute und schöne Frauen, stellte Aric aber keinerlei Fragen, wollte auch nicht dessen Namen wissen und er vermied es geschickt das Gespräch auf eine persönliche Ebene zu führen.

Trotz der scheinbaren Belanglosigkeit der Gesprächsthemen genoss Aric die Unterhaltung und die Gesellschaft von Lucius.

Es war der letzte Tag ihrer Reise und sie näherten sich einem seitlichen Ausläufer des Riesengebirges. Aric war seiner eigenen Heimat hier nicht mehr fern und die Nähe zu der Festung der Krieger machte ihn unruhig. Was auch immer die Hintergründe dieser Reise waren, führten sie in die Nähe des geheimen Kriegersitzes, war das definitiv beunruhigend. Er blickte den Gebirgszug entlang Richtung Norden, als Lucius sein Pferd nach Osten wandte um die Spitze des Gebirgslaufes herum und auf die offene Ebene hinausritt. Aric folgte ihm erleichtert. Gegen Nachmittag, die Sonne stand schon sehr tief, befanden sie sich im Niemandsland. Nichts außer trockenem gefrorenem Gras zog sich bis an den Horizont. Da blieb Lucius plötzlich stehen.

„Wir sind da. Hier endet die Reise."

Aric musterte seinen Gefährten überrascht. Hier gab es nichts. Keinen Baum, keinen Fels geschweige denn eine Hütte. Einfach nichts. Und hier war das Ziel seiner Reise? Er unterdrückte den Drang eine Erklärung zu verlangen und nickte steif.

„Gut, dann werde ich Euch nun verlassen."

Lucius beförderte einen kleinen Beutel unter seinem Mantel hervor und reichte ihn Aric.

„Es war eine angenehme Reise. Ich danke Euch."

Aric nahm den Beutel schweigend entgegen, nickte Lucius zu und wendete sein Pferd. Wahrscheinlich würde er den Mann nie wieder sehen. Eine alte Wut stieg in ihm auf. Seine Vorsicht und die Notwendigkeit anonym zu bleiben machte ihm immer wieder zu schaffen, wenn er solche Begegnungen hatte. Streng genommen war Lucius nur Teil eines Geschäfts. „Ware" sozusagen. Es war etwas, das ein Krieger schon sehr früh lernte. Immer auf Abstand zu bleiben. Einen anderen Menschen nie zu nah kommen zulassen. Es verlieh ihm eine gewisse Sicherheit, doch es zwang ihn gleichzeitig in die Einsamkeit. Nachdenklich warf Aric einen Blick zurück auf Lucius und stutzte. Er war verschwunden. Spurlos. Arics Augen suchten den ganzen Horizont ab, doch vergeblich. Als hätten der Mann und sein Pferd sich in Luft aufgelöst.

Beunruhigt trieb er sein eigenes Tier an. Das alles war sehr seltsam. Dass Lucius sich mitten auf der Ebene verabschiedet hatte, war noch leichter zu erklären. Er konnte von dort aus allein weiter ziehen um sein eigentliches Ziel nicht offenbaren zu müssen. All das war verständlich, aber nicht wie ein Reiter auf einer endlosen offenen Fläche einfach verschwinden konnte. Wie vom Erdboden verschluckt.

Kurz erwog Aric in der Festung der Krieger vorbeizuschauen, entschloss sich dann aber direkt nach Zenon zu seiner eigentlichen Aufgabe zurückzukehren. Die Sonne ging bereits unter, als er die Berge hinter sich ließ.


Als Anna durchs Tor schritt, ohne einen Blick zurückzuwerfen, wusste Amon, dass es ein endgültiger Abschied war. Die Anna, die er kannte würde nicht zurückkehren. Falls sie sich wieder sehen würden, würden sie beide nicht mehr dieselben sein.

Das Erbe der schwarzen KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt