Amon traf sie am Fischmarkt. Ihre Wangen waren rot von der Kälte. Die Kapuze verbarg ihre wilden Locken, doch Amon wusste, dass sie so feuerrot waren, wie ihre Backen. Sie grinste ihn an und ohne ein weiteres Wort verschwanden sie zusammen in einer kleinen Seitenstraße.
„War erzufrieden?"
„Ja", erwiderte Anna und Amon freute sich auf das Abendessen, das sie erwarten würde.
Seit jenem verhängnisvollen Nachmittag im Schloss hatte sich einiges verändert. Sie hatten sich auf den alljährlichen Herbstball des Herzogs geschlichen um mitzunehmen, soviel Bauch und Hände tragen konnten. Es war ein riskantes Spiel gewesen, doch Anna und er waren noch nie vor Schwierigkeiten zurückgeschreckt. Im Gegenteil. Sie waren unter den Straßenkindern bekannt wie bunte Hunde. Die besten und waghalsigsten kleinen Diebe der Stadt. Und mit jeder Herausforderung bewiesen sie erneut ihr Können. An diesem Tag hatten sie allerdings das Spiel verloren. Sie hatten zu viel gewagt und waren erwischt worden.
Amon grinste in sich hinein. Wer zuletzt lacht...
Seit Anna an jenem Tag mit diesem seltsamen Aric zusammengestoßen war, gab es jeden Abend was zu futtern und die Aussichten für den Winter standen zum ersten Mal nicht lebensbedrohlich.
Die beiden wanden sich durch die engen Straßen, vorbei am Markt und an den großen Häusern der reichen Bürger. Jedes Mal wenn Amon hier vorbei lief, stellte er sich vor wie es wohl wäre in solch einem Haus zu wohnen. Es war mollig warm im Winter und angenehm kühl im Sommer. Bedienstete würden jeden Tag die leckersten Speisen kochen und sonntags gab es Pflaumenkuchen.Amon beobachtete einen Lieferanten, der mit einem Karren voller Holz durch das Hoftor fuhr. Wie lange dieses Holz wohl reichen würde um solch ein großes Haus zu beheizen? An den Fingern rechnete er aus, was der Händler für sein Holz bekam und schüttelte wütend den Kopf. Ein Tuchhändler lebte hier mit seiner Frau und seiner 12-jährigen Tochter. Zu dritt verbrauchten sie eine Ladung Holz in wenigen Wochen, deren Wert mehrere Familien aus den armen Vierteln über den Winter bringen konnte. Zenon war eine wohlhabende Stadt, aber dennoch litten hier viele Menschen Hunger. Die Kluft zwischen arm und reich wurde zunehmend größer und das Elend breitete sich in den Vierteln aus wie eine Krankheit. Viele Menschen landeten auf der Straße, weil sie die Mieten nicht bezahlen konnten, manche suchten freiwillig ihr Glück in der Ferne. Immer wieder sah man ganze Familien ihr Hab und Gut verkaufen und mit einem Karren und einem kleinen Beutel Geld zum Stadttor hinausziehen.
Amon hatte noch nie jemanden zurückkommen sehen.
Die Häuser blieben verlassen zurück und begannen zu verfallen. Amon wusste, dass die Menschen von der Straße dort in kalten Nächten und im Winter Schutz suchten. Niemand scherte sich darum und weil die vorübergehenden Bewohner dort nichts renovierten, sondern einfach weiterzogen, wenn es im Haus zu feucht wurde, zerfielen die meisten Häuser langsam und bescherten den äußeren Vierteln einen verwahrlosten Anblick. Amon war dieser Anblick vertraut, denn die Viertel waren seit Jahren sein Zuhause und sein Spielplatz.
Er konnte sich daran erinnern, dass es nicht immer so gewesen war.Das Unglück, das die Bürger der Stadt heimsuchte, war noch nicht alt, doch es wuchs mit jedem Jahreswechsel verheerend an. Traurig dachte Amon an jenen verhängnisvollen Winter vor sechs Jahren zurück, als es auch seine Familie getroffen hatte. Sein Vater war eines Abends nicht mehr von der Arbeit im Wald nach Hause gekommen. Ein Baum hatte ihn erschlagen. Er war Holzfäller gewesen.
Doch damit hatte das Unglück erst begonnen. Mutter wurde krank und Amons Bruder, der neugeborene Seth verhungerte, als ihre Milch versiegte. Die Familie hatte kein Geld für einen Arzt und so erlag seine Mutter zur Jahreswende einer schweren Lungenkrankheit. Sie hatte nach dem Tod des Vaters Schulden machen müssen um sich und die Kinder über Wasser halten zu können und als sie starb, nahmen ihre Gläubiger rücksichtslos das Haus auseinander bis ihnen nichts blieb als die Kleider, die sie am Leib trugen. Amon war elf Jahre alt gewesen, als er mit seiner Schwester Emma und dem erst dreijährigen Bruder Tom plötzlich auf der Straße stand. Er hatte kein Geld und das wenige, das er auf dem Markt aus den Abfällen zog, reichte kaum um seinen eigenen Hunger zu stillen. Also brachte er seine beiden Geschwister ins Waisenhaus. Er hatte sich geschworen, sie eines Tageswieder zurück zu holen. Eines Tages würde er der Stadt Gerechtigkeit bringen und niemand würde ihn aufhalten können.
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Das Erbe der schwarzen Königin
FantasíaFeuer wird Erde verbrennen, Wind wird ihre Asche aufs Meer hinaus tragen, Wasser schenkt ihr neues Leben. Nichts ist ewig, doch es währt für immer... Anna lebt auf der Straße. Zusammen mit ihrem besten Freund Amon lässt sie sich treiben. Ihre einzig...