Der Aufbruch der Krieger war ein atemberaubender Anblick. Aric stand neben seinem Pferd auf einer Anhöhe einige Meilen vor Ronan und beobachtete wie sich ein Schwall Menschen aus dem Berg ergoss. Von hier oben hatte er einen guten Blick in die Ebene vor der Festung und konnte außerdem das Tal überblicken, in dem Ronan lag. Die Krieger sammelten sich in beeindruckendem Tempo zu einer kleinen Armee. Fast jeder Mann war beritten und sie reisten nur mit so viel Gepäck, wie das eigene Reittier tragen konnte.
Die Entscheidung dazu war schnell und ungewöhnlich einstimmig ausgefallen. Die meisten unter ihnen warteten schon zu lange darauf, dass sich endlich etwas bewegte, sodass Taos mit seinem Vorschlag offene Türen eingerannt war. Zumal Sogo einige Zeit zuvor mit der Bitte Zenons um Hilfe in die Festung gekommen war. Es gab keine ausgefeilte Strategie, dazu war die Zeit zu knapp. Taos' Anweisung war einfach: „Wir gehen hin, sehen uns die Lage an und schlagen zu wo es nötig und möglich ist." Die Versammlung hatte ihm ihre Zustimmung entgegengebrüllt. Dies war ganz nach ihrem Geschmack, eintreffen und handeln, dazu waren sie ausgebildet. Taos war fraglos zu ihrem Heerführer ernannt worden und Aric fand, dass ihm diese Rolle gut stand. Mehr noch, er füllte sie aus wie kein anderer. Aric hatte ihn im Kerker von Abeno als klugen und geduldigen Mann kennengelernt, der ihm ein guter Freund war. Er hatte gesehen wie dieser Mann um seine Frau geweint hatte und wie er seine Tochter sanft in den Armen gehalten hatte. In den letzten Tagen hatte Aric nun eine ganz andere Seite an Taos kennengelernt und die Erkenntnis ließ sein Herz höher schlagen: Er war der geborene Anführer. Er konnte die Menge begeistern und gleichzeitig unerbittlich bleiben. Er hörte den Menschen zu, nahm sie ernst und erwartete trotzdem ihren Gehorsam. Einen Gehorsam, den er bekam. Es war fast als hätte er einen Mantel abgelegt, der einen Teil seiner Selbst bisher verborgen hatte. Er trug keine Krone, keine Insignien der Macht, doch seine Autorität strahlte so hell, dass sie Aric noch aus der Ferne blendete. Uneingeschränkt folgten ihm die Krieger, die untereinander so verschieden waren und die normalerweise zu jeder Zeit immer nur nach den eigenen Entscheidungen handelten. Wärme flutete Arics Brust, als er Taos in der Ebene durch die Menge reiten sah. Von allen Seiten näherten sich ihm Männer, beantworteten seine Fragen und nahmen seine Befehle entgegen. Lanis Treisa ritt schweigend neben ihm. Ein treuer Gefährte und Fels in der Brandung. Allein seine Anwesenheit verschaffte Taos die nötige Aufmerksamkeit. Taos hatte von Anfang an klar gemacht, dass er nicht auf Treisas Rat verzichten wollte und dass er die Krieger nur mit Treisa an seiner Seite in den Krieg führen würde oder gar nicht. Treisa hatte keine Wahl gehabt, als seine Bedingung zu erfüllen. Doch Aric war sich sicher, dass der Hohe Meister der Krieger Taos auch unaufgefordert nicht von der Seite gewichen wäre. Taos war sein Freund und er war sein König!
Die Sonne stand noch nicht im Zenit, als der Zug aufbrach. Es waren rund 500 Männer und Frauen, die Taos nach Zenon folgten. Nur wenige waren zum Schutz der Festung zurückgeblieben oder irgendwo außerhalb im Einsatz.
Aric verließ seinen Späherposten und trabte den Hügel hinunter um sich zu Gorjak zu gesellen. Die Vorhut hatte sich bereits vom Zug gelöst und kundschaftete den Weg für sie aus. Ein anderer Späher nahm Arics Platz an der Flanke ein und Aric nickte ihm zu. Er grüßte und verschwand wenig später in dem kleinen Wäldchen, das sich dem Hügel anschloss.
Gorjak ritt im vorderen Teil der Gruppe und Aric schloss rasch zu ihm auf. Er entdeckte auch Sogo ganz in der Nähe und Oliver, der eines der wenigen Packpferde mit sich führte.
„Na? Was geben wir für ein Bild ab?", fragte Gorjak grinsend, als er Aric kommen sah.
„Ein faszinierendes", erwiderte Aric amüsiert. „Es ist doch erstaunlich, wie diese Armee funktioniert. Ohne Rangordnung oder Zuteilung werden alle Aufgaben erfüllt und jeder kennt seinen Platz."
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Das Erbe der schwarzen Königin
FantastikFeuer wird Erde verbrennen, Wind wird ihre Asche aufs Meer hinaus tragen, Wasser schenkt ihr neues Leben. Nichts ist ewig, doch es währt für immer... Anna lebt auf der Straße. Zusammen mit ihrem besten Freund Amon lässt sie sich treiben. Ihre einzig...