43. Kapitel

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Als Anna die Augen öffnete, war es vollkommen still um sie. Ein kühler Wind strich ihr übers Gesicht und brachte einen seltsam fremden aber angenehmen Duft mit. Sie drehte den Kopf und zuckte zusammen. Jeder Knochen in ihrem Körper schmerzte, aber am schlimmsten war ihr rechter Arm. Vorsichtig, um sich so wenig wie möglich zu bewegen, schielte sie darauf hinunter. Er stand in einem unnatürlichen Winkel von ihrem Körper ab und Anna stöhnte gequält auf.

„Anna?", sagte da eine leise Stimme und ein kleines schmutziges Gesicht schob sich in ihr Blickfeld.

Koshy starrte sie mit großen Augen an und sagte überflüssigerweise:

„Nicht bewegen, dein Arm ist gebrochen."

Trotz der Schmerzen musste Anna lächeln.

„Hilf mir bitte auf", bat sie den Jungen und versuchte sich in eine sitzende Lage zu bringen.

Dabei fuhr ihr ein dumpfer Schmerz durch die Körpermitte und eine Welle von Hitze kroch ihr durch die Eingeweide. Anna hielt inne. Etwas stimmte nicht. Vorsichtig legte sie die Hände auf ihren Bauch, doch der Schmerz war abgeflaut. Nur die Hitze breitete sich langsam und stetig, ausgehend von ihrem Bauch, in ihrem ganzen Körper aus. So wie die Wärme kam, verschwand der Schmerz und Anna schloss für einen Moment die Augen um dieses Gefühl zu genießen. Sie öffnete sie wieder, als Koshy seine Hand über die ihre legte.

„Erde",sagte er grinsend und Anna sah ihn fragend an. „Du warst Wind, jetzt bist du Erde", erklärte er, als wäre das absolut einleuchtend. „Fehlen noch zwei."

Er stand auf und Anna hatte plötzlich freie Sicht auf ihre Umgebung. Verdutzt sah sie sich um. Sie saß auf einer üppigen Wiese. Nicht weit von ihr schlängelte sich ein Fluss durch die Ebene, der zwischen hohen Klippen hindurch ins Meer mündete. Anna starrte ungläubig auf die Bucht, die vor ihr lag. Ein breiter weißer Sandstrand erstreckte sich von einer Klippe zur anderen. Die Klippen zu ihrer Rechten flachten ab und gingen in einen dichten Wald über. Das alles kam Anna seltsam vertraut vor.

„Wo sind wir hier?", fragte sie Koshy.

„In der Bucht von Zenon."

Noch während er antwortete, erkannte sie es. Sie kannte die Klippen, den Wald, all das.

„Koshy! Aber wo ist die Stadt?"

Langsam kamen die Erinnerungen der jüngsten Ereignisse zu ihr zurück. Das Heer des Königs, Zenon unter Beschuss, ihr Schild und...

„Was ist passiert?", fragte sie drängend.

„Er war da, der Meister des Nichts", erklärte Koshy und schauderte bei der Erinnerung. „Ich konnte ihn spüren. Ich habe meine Sinne nach ihm ausgestreckt und dabei auch meinen Vater gefunden. Er lebt, Anna! Ich konnte schmecken, wie sein Blut die Erde tränkt, verstehst du? Daraus zieht der schwarze Meister die Kraft um das Nichts zu kontrollieren. Mein Vater ist ein Siliere, ein Teil der Natur. Durch sein Blut stellt der schwarze Mann eine Verbindung zu denElementen her, er benutzt ihn als Brücke zu den Kräften, die in den Elementen schlummern."

„Der schwarze Mann? Meinst du den Priester, den ich gesehen habe? Der deinen Vater erdolcht hat?"

„Ja. Er ist kein Magier, also hat er keine Verbindung zu den Elementen, aber um die Tür zum Nichts offen zu halten, braucht er Kraft und die zieht er aus seiner Umgebung. Als er dich angegriffen hat, hat das nicht ausgereicht. Ich konnte sehen, wie Soldaten rings um ihn gefallen sind. Er hat ihre Lebenskraft benutzt, um das Nichts auf dich zu konzentrieren, um es zu steuern."

Koshys Worte fanden nur langsam Zugang zu ihrem Verstand. Sie starrte immer noch auf die leere Bucht vor ihren Augen und fürchtete sich vor der Antwort, die Koshy ihr noch nicht gegeben hatte.

Das Erbe der schwarzen KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt