Die Türe wirdgeschlossen und die medizinische Notversorgung gestartet. Die Sirenevon draußen dringt gedämmt an mein Ohr, während ich nach dem Defibrillator greife.
1. Ich habe keine Zeit zum durchatmen. 2. Defibrillator ansetzen. 3. Und los. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. MeinKollege macht die Herzdruckmassage. 11. 12. Wir haben ihn wieder. 13. Unfälle wie dieser sind immer die schlimmsten. 14. Ich entferne den Defibrillator. 15.Und atme durch. 16. Er liegt stabilisiert auf der Liege. 17. Gleich sind wir im Krankenhaus. 18. Dort muss er notoperiert werden. 19. Mir ist heiß. 20. Jeder meiner Handgriffe muss sitzen. 21. Ich darf nicht zögern. 22. Ich darf mir keine Fehler erlauben. 23. Menschenleben hängen davon ab, dieses Menschenleben vor mir hängt davon ab. 24.„Sein Puls hat sich beruhigt", teilt mir mein Kollege, der Azubi, mit. 25. Ich nicke. 26. Tunnel Blick. 27. Nur das Ziel vor Augen. 28. Lebenretten. 29. Immer wieder. 30. Jeden Tag aufs Neue. 31. Wir haben bereits einen Pressverband angelegt. 32. Und ihm eine Atemmaske aufgesetzt. 33. Die Notärztin ist auch schon wieder unterwegs. 34. Jetzt sind es nur noch meine Kollegen und ich. 35. Ein Fahrer. 36. Der Azubi.37. Und ich. 38. Wir müssen eigentlich angeschnallt hier sitzen. 39. Aber es geht gerade um Leben und Tod. 40. Da ist angeschnallt sein, nur das geringste Problem das wir haben. 41.Plötzlich fängt der Mann an zu husten. 42. Seine Atemmaske färbt sich rot. 43. Blutrot.44. „Mach die Atemmaske ab! Wir müssen ihn zur Seite drehen!" rufe ich hektisch. 45. Der Azubi reißt die Atemmaske vom Gesicht. 46. Das Blut fließt heraus. 47. Wir drehen ihn auf die Seite. 48. Der Mann hustet weiter. 49. 50. Hustet weiterhin Blut. 51. Die inneren Verletzungen müssen verheerender sein als angenommen. 51. Wir fahren mit mehr als 70 km/hdurch die Stadt. 52. Sein Puls fällt erneut. 53. 54. 55. „Defibrillator!"56. 57. 58. Herzdruckmassage.59. 60. 61. 62. Die Herztöne fallen weiter ab. 63. „Wir verlieren ihn!" 64. Verzweiflungin der Stimme des Azubis. 65. Nein.66. Der Mann darf nicht sterben! 67. Nicht unter meiner Aufsicht. 68. „Erkommt durch!", sage ich mehr zu mir selbst. 69. Es wäre der erste Tote den unser Azubi miterlebt. 70. Das wäre hart. 71. „Und wird nicht vorkommen!", ermahne ich mich selbst. 72. Dann hört der Mann auf zu zappeln. 73. Er reißt seine Augen auf. 74. Der Blick im Angesicht des Todes. 75. Ich kenne diesen Blick zu gut. 76. In mir zieht sich alles zusammen. 77. Sein physischer Schmerz wird für einen Moment mein psychischer Schmerz.78. Dann bricht der Mann zusammen. 79. Letzte Blutstropfen fallen aus seinem Rachen. 80. Er ist tot. 81. Unser Azubi starrt schockiert auf den Mann. 82. Festgeschnallt und tot. 83. Vom Krankenwagen zum Leichentransport. 84. „Manchmal", beginne ich, „Ist das so. Das ist nicht unsere Schuld, hörst du?"85. Der Azubi nickt. 86. 87. Starrt apathisch auf den Leichnam vor ihm. 88. Ich setze mich hin. 89. Ein Ruckeln lässt mich zusammen zucken. 90. Ich schwanke zur Seite. 91. Undwerde mit einem Mal gegen die Wand geschleudert. 92. Mein Kopf schmerzt. 93. Und dann nochmal zur anderen Seite. 94. Schmerzen. 95. Nicht mehr nurpsychisch. 96. Physisch. 97. Blut. 98. Mein eigenes. 99. Den eigenen Tod stirbt man, mit dem Tod eines anderen mussvman leben, erinnere ich mich.100. Mein Blick gleitet zu dem Toten auf der Trage als ich ein letztes Mal durch den Krankenwagen geschleudert werde.
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100 Sekunden
Short StoryDen eigenen Tod stirbt man, mit dem Tod eines anderen muss man leben, erinnere ich mich. - Auch wenn es nur einige wenige Sekunden sind die man mit dem Tod des Anderen leben muss. Für alle, denen 100 Sekunden reichen. -lvnrzz