Kapitel 11

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Es war Karjha anzusehen, dass mir jegliche Ehrenbezeugung verweigert hätte, wären nicht noch andere Minister im Raum.

„Seine Majestät der Kaiser schickt Euren Cousin, Erzherzog Gideon nach Marokko. Als Botschafter!", brauste Karjha auf und ich schluckte hart. Gideon war mir immer die größte Stütze gewesen. Auf ihn konnte ich mich verlassen, komme was wolle. Mit geschlossenen Augen rief mir in den Kopf, dass ich meinen Nutzen daraus ziehen könnte. Mit Gideons Offenheit könnte er sicherlich Verbindung zum Untergrund aufnehmen zu dem auch Kenneth gehörte. Müsste er dafür nicht fort ... ich bemerkte die fragenden Blick der Minister und rief mich wieder zu Ordnung. „Darüber brüskiert Ihr Euch in diesem Maße?" – „Außerdem wirft er mir vor, ich hätte mich Euch aufgedrängt und fordert einen neuen Botschafter!" Ich zog meine Augenbrauen nach oben und unterdrückte ein Lachen. Also hielt Mathew sein Versprechen doch ein. Vielleicht konnte ein neuer, uns wohlgesonnener Botschafter Grace zurückholen. Aber zumindest würde Gideon ein Auge auf sie haben.

„Versprecht mir, dass Ihr alles beim Alten belassen werdet!" – „Diese Entscheidungen obliegen dem Kaiser, Mylord" Es lag mir fern ihm auch nur im geringsten Maß zu unterstützen und gar zu beschützen. Er hatte mich hiermit einmal zu oft herausgefordert. Auch wenn er ständig von Freundschaft sprach, sah ich ihn lediglich als Nutznießer an mir. „Majestät! Ihr vergesst, dass ich enge Beziehung zu den Führer unserer spanischen Gesellschaft pflege!"

Ich schloss die Augen, wenn ich an das kleine, zerbrechliche Mädchen dachte, dass in meinem Bett gelegen ist. Mittlerweile würde sie zu einer Schönheit herangereift sein .Sie wird allen am Hof den Kopf verdrehen. „Ich stimme dem Kaiser in allen Punkten zu", stoppte ich ihn. Ich merkte wie die Minister erleichtert ausatmeten. Als hätte ich es gewagt vor unseren Leuten einen Pakt mit den Spaniern zu schließen.

„Karjha", ich trat einen Schritt auf ihn zu. Zu nah wagte ich mich nicht an ihn heran, da seine Schultern immer noch vor Wut bebten und nichts riskieren wollte. „Ich habe mich dem Kaiser einmal widersetzt. Versteht, dass ich hinter meinem Verlobten und meinem Kind stehen muss" – „Ihr macht einen großen Fehler, Majestät"


Meine Hofdamen begleiteten mich, bis ich vor den Türen seines Arbeitszimmers stand. Er war mit Sicherheit noch wach. In der Nacht, in der er unseren Staat in eine Krise gestürzt hatte, wird er hoffentlich nicht ruhigen Gewissens schlafen. „Karjha war bei dir?", fragte er und ich nickte stumm. Verzichtete auf einen Knicks.

„Er ist bis auf weiteres besänftigt", ließ ich ihn wissen und ging langsam auf seinen Schreibtisch zu. Ich trug noch immer meine Abendgarderobe und hoffte, dass ihm das auffiel. „Ich weiß, Ihr zweifelt an meiner Loyalität zu meinem Land an", begann ich, als ich merkte, dass Mathew kein Gespräch mit mir beginnen würde, „und mein Recht, es zu lenken. Aber Ihr hättet viel größere Bedenken haben müssen, hätte ich meine Mutter verraten und sie hinrichten lassen. Denn so wie ich meine Familie schütze, werde ich auch mein Land schützen. Das solltet Ihr in Betracht ziehen"

Ich ließ mich auf seinem Schreibtischstuhl nieder und sah ihn erwartungsvoll an. In den letzten Nächten haben wir eigentlich immer stillschweigend geschlafen oder über die Kinder gesprochen. Es missfällt mir, wie militärisch Novells Ausbildung wird. „Ich stelle Euch den Ministerrat nicht an die Seite, weil ich an Eurer Loyalität zweifle, meine Liebe. Sondern weil Ihr noch zu jung seid, um diese Last alleine zu tragen" Er erhob sich von seinem Stuhl und ich merkte, wie seine Hände, seine Lippen, alles an ihm zitterte. Die letzte Woche musste ihm einiges abverlangt haben. Aber vielleicht musste er sich vom Hof verabschieden. Vom Leben eines Kaisers.

„Komm her zu mir, Lavinia", lud er ein und öffnete seine Arme. Es war falsch, dass er mich hielt, anstelle das ich ihn stützte. Aber ich würde ihn bald verlieren. Gemeinsam mit Gideon war er der Letzte, der mich gehalten hatte in der dunkelsten Zeit meines Lebens. Ich wüsste nicht, an wem ich mich wenden würde, sollte keiner der Brüder mehr am Hof sein. „Ihr werdet eine neue Ära einleiten Cousine. Ich wünsche Euch nur das Beste dafür"

Er drückte sich los von mir und schleppte sich in sein Zimmer.

Das Schicksal ließ ihn nie wieder herauskommen.

Sein Leibarzt ließ mich eine halbe Stunde später in seine Räume rufen. Wie es meine Pflicht als Verlobte war, hielt ich geziemten Abstand vom Bett, solange Mathew die entfernteren Verwandten ihre letzte Ehre erwiesen.

Ein stummes Zunicken.

Eine letzte Verbeugung.

Abschied.

Gideon, Gwen, Marchand und Dorian kamen alle gleichzeitig und ich ließ mich erleichtert auf der anderen Seite des Bettes nieder und wischte Mathew über die Stirn. Er sah nicht schlechter aus, als in den letzten Wochen. Einzig anders war, dass er plötzlich schwerer atmete. Keuchender und quälend langsam. „Dorian, du wirst Lavinia heiraten", befahl Mathew in das Schweigen hinein. Seine Stimme war so leise, dass ich glaubte, ihn missverstanden zu haben. Ich begegnete Dorians Augen. Er würde nicht widersprechen. Das konnte ich ihm ansehen.

Und ich?

Vor acht Jahren hätte ich beinahe meine ganze Familie verraten, um bei ihm Zuflucht zu suchen. Aber jetzt? Ich hatte mir nie Gedanken gemacht, wen ich an meine Seite holte, wenn Mathew von uns ging. Dafür könnte ich mich jetzt selbst ohrfeigen.

„Gwen, versprich mir, dass du die Verlobung und alles andere überwachst" – „Natürlich, Bruder" Mathew schloss die Augen und seine Lungen dehnten sich langsam. Ich versteifte mich neben ihm. Noch vor wenigen Stunden hatte er dieses Land in eine Krise gestürzt. Wie konnte er jetzt plötzlich so schwach sein? „Bleibt bei mir", flüsterte ich in sein Ohr und ein leises Lächeln zog sich über seine Lippen. Er schlug die Augen wieder auf. Auch wenn Mathew es mir nicht glaubte, ich hätte in geheiratet. Jetzt würde ich Dorian heiraten.

„Ich bin müde. Bitte lasst mich alleine", verlangte Mathew. Es war wie an jedem anderen Abend. Die höfliche Form eines Hinausschmisses. Die Männer zogen ab. Nachdem ihm jeder ein letztes Mal die Hand geküsst und einige Worte ausgetauscht hatte. Nur Gwen blieb regungslos stehen. Gideon legte ihr seine Hand auf die Schulter. „Bleibt Ihr einen Augenblick bei ihm? Ich möchte mich umkleiden", fragte ich Gwen, die nickte und ihren Kopf an Gideons Brust drückte. In diesem Moment hätten die beiden ihren letzten Bruder gebraucht.

Maida zog mich zu einer festen Umarmung an sich. „Oh Maida", schluchzte ich und drückte mich an sie. Alle Krisen die ich bisher durchgestanden hatte, erschienen mir plötzlich harmlos. Da hatte ich Mathew immer an meiner Seite. Jetzt blieb mir ein Hofstaat, dessen Sympathien sich mit dem Wind drehten. Ausgenommen einiger weniger. Vielleicht war es wirklich gut, Dorian zu meinem Mann zu nehmen. Egal was zwischen uns gewesen war, ich wusste, dass er mich verteidigen und schützen würde.

Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Maida hatte mich in Rekordzeit umgekleidet und ich stand dem Geheimgang zu Mathews Gemächern gegenüber. Ich sollte ihn nicht länger alleine lassen, schoss mir durch den Kopf.

„Mach dir keine Sorgen, Majestät. Die Minister werden Euch nicht im Stich lassen", versprach Mathew und ich legte mich an seine Seite. Da, wo ich seit Monaten hingehört hätte, wäre das Leben nicht so hart zu ihm. „Es ist alles für einen Tausch des spanischen Botschafters vorbereitet. Aber wählt klug, Lavinia. Grace Verlobter ist ein Mann edler Abstammung" Ich strich Mathew liebevoll über die Stirn. Ich könnte sie zumindest an den Hof zurückholen, ohne die Gesellschaft zu verärgern. Das war mehr, als mir Karjha geboten hatte.

Mathews Atem wurde immer flacher. Ich presste meine Lippen zusammen und drückte sie auf seine Stirn. Gleichzeitig griff ich nach seiner Hand. Seine Mundwinkel zuckten. Das Röcheln wurde leiser.

Der größte Kaiser dieser Monarchie starb mit einem Lächeln auf den Lippen.

Ich presste meinen Kopf auf seine Brust, bis ich keine Tränen mehr hatte. Sein Kammerdiener kam zur stündlichen Visite leise in den Raum geschlichen. „Es lebe die Kaiserin", flüsterte er, während er auf der anderen Seite des Bettes kniete. „Gott behüte uns, lieber Edgar. Es kommen schwere Zeiten"

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Glaubt ihr, Lavinia heiratet Dorian oder findet sie noch einen anderen Weg?

Ich hoffe ihr hattet schöne Feiertage und ich freue mich auf ein weiteres Lesejahr. Ich wünsche euch ganze viele fesselnde, herzergreifende und aufwühlende Geschichten zum Erleben, zum Teilen und Niederschreiben im kommenden Jahr.

Ich bin ein bisschen früh dran, aber: Prosit Neujahr ihr Lieben!

Lavinia, dass Mädchen unter VielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt