Bitte lass diesen Wahnsinn endlich zu Ende gehen. Novel zupfte an meinem Kleid. „Der Minister hat mich davon unterrichtet. Darf ich mitkommen?", fragte er verlegen und ich zögerte einen Moment. Sollte er wirklich alle Informationen ungeachtet ihrer Grausamkeit erfahren? Immerhin haben wir eine Seeschlacht inszeniert, um Kenneth zu töten. Zögernd nickte ich. Bei Militär wird er wahrscheinlich auch nicht geschont.
Ich hastete in einen der größeren Salons, wo sich bereits alle versammelt hatten. Nemours überreichte mir das Telegramm. In Windeseile überflog ich es. „Wir haben es geschafft", rief ich und klatschte begeistert in die Hände. Die Männer jubelten. Erleichtert drückte ich Novel einen Kuss auf die Stirn. Er war Tod. Der Mann der mich gedemütigt, der mich vertrieben, der meine gesamte Jugend vergiftet hatte, war endlich fort. Ich ließ mir vor Novel auf die Knie sinken und atmete tief durch. Mathew, dachte ich sofort, ich habe es geschafft – wir haben es geschafft. Du hast keinen Fehler gemacht, indem du mir die Verantwortung übertragen hast. Ich habe unser zuhause beschützt.
„Majestät habt Ihr die ganze Nachricht gelesen?", fragte Nemours vorsichtig nach, worauf ich ihn irritiert ansah. Ungefähr hatte ich die Zahlen erfasst. Zum Glück haben wir kaum Soldaten verloren. Ich drückte Novel erneut an mich. Mit Kenneths Tod wurde auch seine Zukunft ein Stück sicherer. „Wir haben ein Schiff, worauf sich seine Verbündeten befunden haben, nicht versenkt" – „Nemours, freut Euch. Kenneth war die größte Gefahr und er ist tot. Alle anderen werden wir ausforschen und nur einschreiten, sollten sie wirklich eine Gefahr darstellen" Ich atmete erneut erleichtert aus, lachte auf – ich konnte nicht glauben, dass wir endlich von dieser Qual befreit waren.
„Unterrichtet die Zeitungen!", befahl ich, „Sagt, dass Kenneth in einer Seeschlacht auf spanischen Gewässern niedergestreckt wurde - mithilfe von unseren Soldaten. Ich möchte einen Hofball ankündigen und ein Fest veranstalten. Wir haben nun ein für alle Mal gesiegt" Ich ignorierte Nemours und den Oberkommandierenden, die bei weitem nicht so überzeugt aussahen, wie ich.
***
Ich hastete in Dorian Arbeitszimmer und verzichtete darauf, mich ankündigen zu lassen. Zu meinem Glück war Dorian alleine, deshalb konnte ich meine Arme sofort um ihn schlingen. „Es tut mir so leid", flüsterte ich, worauf Dorian seine Arme noch fester um mich schloss. Kenneth war ein Monster gewesen, aber er hatte es geschafft einen so herzensguten Menschen, wie Dorian großzuziehen. „Ich wünschte, ich könnte mit dir trauen", setzte ich hinterher, als er mich langsam losließ und angestrengt mein Gesicht musterte. Ich gab mir Mühe zu begreifen, dass auch Kenneth seine guten Seiten hatte. Aber sein Schatten hat meine Familie zu lange verfolgt, als dass ich meinen Jubel jetzt unterdrücken könnte. „Dafür liebe ich dich", er zog mich wieder zu sich und drückte mir einen Kuss auf die Nase. Ich spürte sein Bedürfnis nach Nähe und ich schlang lächelnd die Arme erneut um ihn.
„Ich habe auch eine zweite Nachricht mitgebracht", ergriff ich erneut das Wort. Ich ertrug den Gedanken nicht, dass das ganze Schloss feierte und Dorian keinen Grund hatte fröhlich zu sein. „Ich veranstalte einen Hofball und ich dabei möchte ich unsere Verlobung verkünden", Dorian zögerte einen Moment, drückte sich von mir los und musterte mich. „Bist du dir sicher?" – „Ja!" Dorians Mundwinkel zuckten, bevor ich meine Lippen auf seine drückte. Genervt stöhnte ich auf, als ein Klopfen an der Tür ertönte. Ich trat von Dorian weg ans Fenster. Das hier waren seine Räume, deshalb hoffte ich, dass er gebraucht wurde und nicht ich.
Das Zufallen der Tür passierte gleichzeitig mit Dorians Umarmung. „Wirst du gebraucht?", fragte ich und spürte Dorians zögerliche Kopfbewegung an meiner Schulter. „In Ordnung", erwiderte ich schwerfällig und drehte mich vom Fenster fort. „Eines noch wegen Papa", kam Dorian zurück auf das Thema und ich zog überrascht die Augenbrauen nach oben. „Ein Schiff wurde nicht versenkt – wir müssen überprüfen, welche Männer überlebt haben" Genervt verdrehte ich die Augen und winkte bereits wie zuvor ab. Warum wollte mir niemand diesen einen Tag Pause gönnen? Morgen, oder noch besser nächste Woche können wir uns mit möglichen, gefährlichen Überlebenden auseinandersetzen. Aber jetzt wollte ich einfach nur Frieden. „Meinetwegen", tat ich ab und begab mich schulterzuckend zur Tür.
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Ich holte Novel erneut zu mir. Jetzt gab es nichts mehr, das wichtiger war, als wir beide. Novel kam bereits mit zusammengesunkenen Schultern durch die Tür. „Soll ich nach Keksen oder Kuchen läuten?", fragte ich und hoffte, dass ich die Situation damit etwas auflockern konnte. „Wir haben gerade Mittaggegessen", verneinte er und ich zuckte ergeben mit den Schultern. Kuchen hätte dieses Gespräch leichter gemacht. Kuchen machte alles leichter. Ich klopfte neben mir auf die Polsterung und Novel nahm zögerlich platz. „Ihr sollt Euch keine Sorgen machen, Mama", plapperte Novel los und rutschte ein Stück von mir ab, „Ich hätte nicht weinen dürfen – mir geht es gut beim Militär und ich lerne wichtige Dinge", redete er eilig weiter. Als musste er sich diesen Unsinn schnell von der Seele reden, damit er selbst daran glauben konnte. „Das hier ist unser zuhause. Du weinst hier so oft wie es dir beliebt, in Ordnung?", ich neigte meinen Kopf nach unten, um besser in seine Augen sehen zu können. „In Ordnung?", wiederholte ich und hoffte, dass in meiner Stimme die Strenge und nicht die Panik überwog. Novel durfte nicht Recht behalten. Der Minister konnte nicht stärkeren Einfluss auf ihn gewinnen als ich. Er nickte langsam.
„Ich glaube, ich schaffe das nicht. Seitdem Mathew", seine Stimme brach und er verknotete verzweifelt seine Hände in seinem Schoß, „Seitdem Mathew Tod ist, hat sich alles verändert. Vor allem das Militär. Sie sind härter geworden. Unnachgiebiger", er sah mich so flehentlich an, dass sich mein Herz zusammenzog. Es musste einen Weg geben, diese Ausbildung erträglicher, nützlicher zu machen, als sie zurzeit war. „Hast du in der Kaserne Freunde?" – „Ich kenne ein paar der Jungen" – „Stütze dich auf sie. Es nichts wichtiger, wie ein loyales Umfeld, dass einem den Rücken freihält" Novel sah einen Moment zu mir auf und seine Mundwinkel zuckten. Er rutschte näher an mich heran und ich zog ihn wieder auf meinen Schoß.
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Lavinia, dass Mädchen unter Vielen
Historical FictionLavinia wird mit der Gewissheit konfrontiert, dass Paget nicht zurückkehren wird, während ihr Cousin Mathew immer schwächer wird. Wer wird das Land reagieren, sollte Mathew wirklich sterben und wer steht ihr dann noch zur Seite? Im letzten Band dies...