Ich vernahm laute Stimmen aus dem Vorzimmer und lächelte in mich hinein. Ich verstand zwar kein Spanisch, aber es war dem Italienischen nicht so unähnlich und ich konnte mit Sicherheit sagen, dass das nicht Prince Espositos Stimme war. Vergnügt erhob ich mich vom meinem Stuhl und zögerte einen Moment auf meinem Weg zur Tür. Überspannte ich den Bogen gerade? Spanien hatte sich zwar unbeliebt gemacht, aber einem militärischen Konflikt möchte ich trotz allem aus dem Weg gehen. Ich ließ mir die Tür öffnen, winkte aber ab, als man mich ankündigen wollte.
„Ignacio"
Der junge Mann wirbelte von meinen Sekreteren zu mir herum und verbeugte sich steif, aber eindeutig tiefer als gestern. Ich lächelte. „Hat dieser Lärm etwas zu bedeuten?", fragte ich freundlich und zog die Augenbrauen nach oben. Seine Antwort war entscheidend für meine weitere Strategie. Hoffentlich zog er den Kopf ein. Grace wäre unglücklich, wenn wir nochmal aneinander gerieten.
„Hört mich bitte an"
„Für Bittgesuche sind meine Minister verantwortlich"
Meine Wundwinkel zuckten, während Ignacio seine Fäuste ballte. Er hatte gespielt und sich verkalkuliert. Ich konnte ihn nicht bedauern. „Bitte", wiederholte er eindringlicher, „ Ich liebe Eure Tochter. Lasst mich meinen Fehler wieder gut machen"
Ich trat einen Schritt zurück und nickte ihm zu. Um Grace Willen soll er seine Chance bekommen.
„Ich weiß durchaus zu würdigen, wie viel Ihr Grace bedeutet. Aber ich darf meine Politik nicht von meinen Sympathien beeinflussen lassen", erklärte ich und lächelte schmal. „Ich handle nur aus Liebe zu Grace. Einen anderen Grund gibt es für mich nicht, hier zu sein", er machte eine kurze Pause. Ich konnte nicht verhindern, dass mein Lächeln breiter wurde. Es machte mich unsagbar glücklich, dass Grace jemanden gefunden hat, der in solch großem Ausmaß für sie einsteht.
„Ich bitte Euch uns von der Pflicht zu entlassen, Kenneth hinzurichten", begann er und ich öffnete empört den Mund. Das war dreist und zeigte, dass er nicht viel von Außenpolitik verstand. „Ich weiß, dass Ihr Euch unsere Loyalität sichern wollt, aber bitte vergesst nicht, dass Ihr erst durch Karjha von der Reiseroute erfahren habt" Ich presste meine Lippen für einen Moment zusammen. Darin lag das Problem. Ich wusste nicht, warum Karjha diesen Stein ins Rollen gebracht hat, obwohl er gewusst haben musste, dass er Spanien wahrscheinlich überrollen würde.
***
Gräfin Delune kündigte Nemours an und ich erhob mich gespannt. Sicherlich war ihm die offizielle Antwort bereits in einem Schreiben mitgeteilt worden. „Nun?", drängte ich und deutete ihm eilig platz zu nehmen. Den Handkuss mussten wir uns heute sparen. „Sie wollen Kenneth nicht zum Tode verurteilen", kürzte Nemours das Ganze ab und ich ließ mich frustriert zurücksinken. „Aber sie sind bereit ihn in einem Seegefecht niederzustrecken", ergänzte er, worauf ich nervös Luft ausblies. Ein Schiff zu versenken bedeutete einerseits mehr Verluste als notwendig waren und garantierte andererseits nicht, dass gerade Kenneth dabei umkam. „Glaubt Ihr, dass wir noch etwas Besseres erreichen?" – „Nein, Majestät. Es ist Tatsache, dass uns die Spanier erst auf diese Spur gebracht haben und dass Kenneth in Spanien eine geachtete Persönlichkeit ist. Dieser Mord, diese Verurteilung würde Fragen aufwerfen, die nicht ohne weiteres zu beantworten sind" Frustriert verschränkte ich die Hände. „Ruft den Oberkommandierenden und Chevaliers", wandte ich mich an Delune, die sofort nickte und zu den Sekreteren nach draußen trat.
Es dauerte noch drei Stunden, bis endlich alle 3 Männer an einem Tisch hatte. „Haben wir Schiffe in Spanien, die umgehend mobil zu machen sind?" – „Ich bin mit meinen Generälen alles durchgegangen, Majestät. Wir müssen wohl oder übel auf spanischen Schiffen angreifen" Verärgert schnaubte ich. Warum hatte man nie eine Militärflotte zur Hand, wenn man sie brauchte. Nicht, das dieser Fall in meiner mehrwöchigen Regentschaft schon einmal eingetreten wäre. „Ich möchte, dass unsere ranghöchsten Militärs dieses Schiff ebenfalls besteigt. Es ist wichtig, dass ich einen vertrauenswürdigen Zeugen dieses Untergangs habe" Alle Männer nickte sofort und ich atmete tief durch.
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Lavinia, dass Mädchen unter Vielen
Historical FictionLavinia wird mit der Gewissheit konfrontiert, dass Paget nicht zurückkehren wird, während ihr Cousin Mathew immer schwächer wird. Wer wird das Land reagieren, sollte Mathew wirklich sterben und wer steht ihr dann noch zur Seite? Im letzten Band dies...