Kapitel 21

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Ich schlüpfte ohne vorher zu klopfen in das Gästezimmer, indem heute Nacht die Kinder schlafen durften. Wie erwartete, waren sie alle vier im Tiefschlaf. Mathews Sohn, George, war auf eine der breiteren Sitzgruppen ausgewichen, Layla lag beinahe auf Étienne, wobei sie eine Hand zurückstreckte und sie mit Avels Fingern verknüpfte. Ich fuhr mir über meine eigene, müde Stirn und bereute es bereits jetzt, sie nicht schlafen lassen zu können. Ihre Erzieher waren schon unglücklich darüber, dass der Vormittagsunterricht aufgrund eines Frühstücks ausfiel. Wenn sie erfuhren, dass ich sie habe schlafen lassen, werde ich mich eine wilden Meute gegenübersehen.

Vorsichtig schob ich die Vorhänge beiseite, worauf sie bereits alle grummelten. Ich lachte auf und setzte mich auf Avels Bettseite, um ihn durch die Haare zu wuscheln. „Mama?", brummte er fragend worauf ich liebevoll über seine Wange strich. Im nächsten Moment saß er kerzengerade in seinem Bett und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Verzeiht, man hat uns nicht geweckt" – „Ich weiß. Es war meine Anordnung" Leila krabbelte von Étienne herunter und schlang ihre langen Arme um mich. Ich lächelte Avel beruhigend zu, während ich Leila aus dem Bett hob. Mathew und ich haben Novel zu einem Soldaten erziehen wollen und haben Avel da gleich mitgezogen.

Als Leila alle Jungen geweckt hatte, rief ich nach ihren Bediensteten, damit sie für den Tag fertig gemacht werden konnten. „Ich erwarte euch zum Frühstück", verabschiedete ich mich, worauf sie alle vier zu lächeln begannen. Frühstück bei mir bedeutete immer den Ausfall einiger Lernstunden. 

***

Ich blieb abrupt stehen, als ich die beiden Männer in meinem Arbeitszimmer stehen sah. „Worum geht es?", fragte ich und versuchte erst gar nicht meinen Ärger zu verbergen. Ich hasste es, wenn sie unangemeldet in meine Räume eindrangen. Für Besprechungen des kleinen Rates gab es eigene Räumlichkeiten. „Ich weiß, dass Ihr Euch Zeit für die Kinder nehmen wollt, Majestät, aber Ihr müsst langsam beginnen die Gesandten vorzuladen, Beschlüsse mit Geheimgesellschaften unterzeichnen und so weiter", kam Chevaliers gleich auf den Punkt. Er war Minister für militärische Angelegenheiten, nicht für Äußeres. Einen Moment war versucht verärgert zu sein, bevor ich nickend nachgab. Ich konnte mir vorstellen, dass er mir damit helfen wollte. Nemours nickte befürwortend.

„Müssen wir das jetzt besprechen?"

„Die Menschen wollen sehen, dass es Euch gut geht, Majestät"

„Die Menschen wollten erst sehen, dass ich leide"

„Nun, jetzt wollen Sie wissen, dass Ihr sie führen und beschützen werdet"

Ich fuhr mir über meine Stirn und nickte zustimmend. Ich war zu unfähig mein Kind zu beschützen. Wahrscheinlich hatte ich somit das Recht verwirkt, auf mein Volk zu achten. Unglücklicherweise gab es niemanden, der diesen Gedanken aussprechen wird.

„Die Gesandten werden nervös, weil Ihr mit dem Spaniern gesprochen habt", setzte Nemours hinterher worauf ich verächtlich Luft ausstieß. Gott schütze uns alle vor Spaniern, sie scheinen mehr Unheil als Heil zu bringen. „Also ein Diner", schloss ich und erhob mich aus meinem Stuhl. „Ich werde mich am Balkon zeigen und in den nächsten Tagen ausfahren" Alle drei öffneten gleichzeitig die Münder, worauf ich bremsend die Hand hob. Konnte sie nicht begreifen, dass ich mich um meine Kinder zu kümmern hatte? „Legt eine offizielle Audienz für den Nachmittag fest", stoppte ich sie und machte mich mit schleichenden Schritten auf den Weg in den grünen Salon. Ich brauchte dringend etwas zu essen.

Ich schloss für einen Moment die Augen und legte schützend die Hände vor das Gesicht. Bis heute Nachmittag musste ich eine Antwort für die beiden finden. Ich fühlte mich nicht bereit auf einen Balkon zu treten und mich bejubeln zu lassen. Dafür dass ich Mathew unglücklich habe sterben lassen oder Novel dem Militär überließ. Aber wenigsten musste ich da nicht sprechen. Denn was ich zu den Diplomaten sagen soll, war noch eine Stufe schwieriger.

Lavinia, dass Mädchen unter VielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt