Ich strich Layla liebevoll durch ihr braunes Haar und fing meine Tränen mit einem, von ihr bestickten Taschentuch auf. Es dämmerte bereits, aber ich schreckte immer wieder aus meinen Träumen hoch. Mir schossen tausend Dinge durch den Kopf, die ich noch machen müsste, um Mamas Hinrichtung zu verhindern. Mit ein wenig Glück halfen mir meine Freunde am Hof ihr zur Flucht zu verhelfen. Layla hing die ganze Nacht an mir wie eine Klette. Ich sollte schleunigst herausfinden, was mit ihr geschehen war.
„Bleibst du heute Nacht bei mir?", fragte ich, als sie auf den Stuhl neben mich setzte und frisiert wurde. „Darf ich, Mama?" – „Du bist mir hier immer willkommen" Ich sah wie ihr Tränen in die Augen stiegen und fuhr ihr mit der Hand durch die Haare. „Iss erst einmal", wies ich sie an und schickte ihre Hofdame wieder hinaus. Lasalle beeilte sich, meine Haare zu einem Geflecht zusammenzunehmen und als sie den Raum verließ, um das Kleid zu holen, griff ich nach der Bürste. Layla war von dem weißen Laken umgeben und knabberte mehr an ihrem Gebäcksstück, als sie wirklich aß.
„Was ist los mit dir?", fragte ich und entknotete ihre Haare. „Ich habe Avel und Novel belauscht", gestand sie schließlich und ihre Wangen liefen knallrot an. „Ich wollte Novel einladen mit mir den Kuchen zu backen", verteidigte sie sich und ich zog meine Augenbrauen nach oben. Diese Lüge lasse ich ihr ausnahmsweise durchgehen. „Da hab ich gehört wie sie über Onkel Mathew gesprochen haben. Ich habe Novel noch nie so verängstigt gesehen!"
Unfähig etwas zu sagen, zog ich sie näher zu mir. Die Ärmste. Ich sollte Novel den Kopf dafür waschen, dass er sich bei Gesprächen über die Staatsangelegenheiten erwischen ließ. Seufzend drückte ich meine Lippen auf ihre Stirn.
„Habt Ihr auch Angst, Mama?"
„Ein bisschen. Aber wir sind nicht alleine, Layla. Das dürfen wir nie vergessen"
„Natürlich, Mama"
Sie schmiegte sich an mich und ich schloss für einen Moment meine Augen. Ich wünschte, ich könnte ihnen die Angst nehmen.
„Ich möchte, dass Ihr sie heute Nacht wegbringt. Irgendwohin, wo sie sicher ist", verlangte ich und Nemours wand sich unter meinem bohrenden Blick. Es war viel verlangt, dass wusste ich, aber wenn ich erst die Krone auf meinen Kopf hatte, würde ihn auch viel erwarten. Das wusste er. „Das dachte ich mir bereits", erwiderte er und strich sich verlegen durch die Haare. Er war Paget immer loyaler ergeben gewesen, als mir. Ich biss mir auf die Lippe. Sollte Paget wirklich nicht ... tot sein, dann wüsste Nemours wahrscheinlich ...
„Schickt sie zu Paget. Ich bitte Euch Nemours", flehte ich, worauf sich Nemours versteifte. Ich konnte mir vorstellen, dass diese morgendliche Besprechung überhaupt nicht seinen Vorstellungen entsprach. „Ihr wisst, dass Seine Majestät für verschollen erklärt wurde" – „Und ich vertraue darauf, dass Ihr Mama in Sicherheit bringt"
Nemours rutschte auf seinem Stuhl herum und senkte schließlich den Kopf. „Es sind bereits alle Vorbereitungen getroffen. Gwen war sehr deutlich, was mich erwarten würde, sollte ich mich Euch beiden entgegenstellen", ich lachte kurz auf und erhob mich schwerfällig aus meinem Stuhl. „Ich verabschiede mich", erklärte ich und schlang die Arme um meinen Körper. Mathew wird mir ordentlich den Kopf waschen, wenn von dem hier erfuhr. „Dann gehört sie Euch, Hoheit"
„Meine Kleine", ich schluckte, als ich Mamas warme Begrüßung hörte. Sie blieb eine Hochverräterin. Der Adel wird es mir selbst nach Mathews Tod nicht gestatten sie zurückzuholen.
„Lasst mich mit meiner Mutter alleine"
„Wir haben Anweisung den Raum nicht zu verlassen"
„Ich werde sie verlieren. Nur wenige Augenblicke"
Die beiden Männer tauschten ratlose Blicke. „Es ist schon in Ordnung, Edward", unterstützte Mama mein Anliegen, worauf die beiden ohne ein weiteres Wort den Raum verließen. Mir wurde so einiges klar. Mathew war anscheinend entgangen, wem die Wache wirklich loyal gegenüberstand.
Ohne weiter darüber nachzudenken, schlang ich meine Arme um sie und tränkte ihren Kragen mit meinen Tränen. Ich hatte nicht viel von ihr. Aber die Bestätigung, dass sie in diesen Räumen ausharrte und immer einen Rat hatte, war da.
„Sei jetzt stark, meine Kleine, und tu nichts Törichtes"
„Grande Prince Nemours wird sich um Eure Flucht kümmern"
„Willst du mich nichts fragen?"
Ich schüttelte stumm den Kopf und ließ meinen Kopf auf ihrer Schulter ruhen. Hoffentlich fühlte Layla dieselben Geborgenheit, wie ich gerade, wenn sie in meinen Armen lag. Der weiche Stoff ihres Kragens gab mir das Gefühl auf einem Kissen zu ruhen und ihre Arme die Sicherheit die ich brauchte, um durchzuatmen. Eine Entscheidung zu treffen.
„Ich wünschte, Ihr hättet Euch für mich und dieses Leben entschieden. Aber ich verdenke es Euch nicht, diesen Räumen entfliehen zu wollen"
„Ich hätte dich gerne so gestützt, wie du es verdient hättest"
„In einem anderen Leben, Mama"
Sie hauchte einen letzten Kuss auf meine Stirn bevor ich mich abwandte und zur Tür hastete. Durch den Tränenschleier wäre ich beinahe in einen der Wachmänner hineingelaufen. Er hielt mich an meinem Oberarm fest, damit ich nicht fiel. Ich wischte mir schleunigst über die Wange und rang mir ein Lächeln ab, das aber nur noch mehr Tränen in die Augen trieb. „Ihr solltet die Briefen lesen, die von den Marokkanern abgefangen wurden", flüsterte er mir zu und ich sah ihn verwirrt an. Am Ende wusste er, wie es um unsere Monarchie stand, wenn Mathew fort war und dann das Land führungslos zurückblieb. Wir werden gefundenes Fressen für Kenneth und seine Rache sein.
„Ich habe auf Eure Besonnenheit vertraut", fuhr mich Mathew und ich flüchtete mich in einen Knicks. „Anstellte habt Ihr unser Land verraten! Ich dachte, ich könnte in Ruhe gehen. Mit der Gewissheit, dass Land in sicheren Händen zurückzulassen", schrie er und mein Blick flog kurz zu seinem enttäuschten Gesicht, bevor ich meinen Kopf noch tiefer beugte. Ob er wusste, was in den Briefen wirklich stand. Mama wird sie wahrscheinlich chiffriert haben. „Nun steht schon auf", herrschte er mich an.
„Ihr solltet im Bett sein, Majestät" – „Das wäre ich auch, hätte ich nicht das Gefühl, man hätte mich schon entmachtet. Besser gesagt: Frau hätte mich schon entmachtet" Ich lächelte kurz über seinen Wortwitz. Gleich darauf wär ich ihm aber am liebsten um den Hals gefallen und hätte ihn gestützt, damit er nicht fiel. Und nicht alleine war. „Bitte verzeiht mir, Majestät, aber ich konnte meine Mutter nicht verraten" – „Aber Euer Land schon?" Schweigen breitete sich zwischen uns aus und wandte mich ab. Ich hatte vermutet, dass er erzürnt sein würde, hatte das Ausmaß aber völlig unterschätzt.
„Lasst mich jetzt alleine, Lavinia. Ich muss neu kalkulieren"
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Ich wünsche euch einen schönen zweiten Adventsonntag.
Habt ihr eine Vermutung, wie Mathew reagieren könnte?
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Lavinia, dass Mädchen unter Vielen
Fiksi SejarahLavinia wird mit der Gewissheit konfrontiert, dass Paget nicht zurückkehren wird, während ihr Cousin Mathew immer schwächer wird. Wer wird das Land reagieren, sollte Mathew wirklich sterben und wer steht ihr dann noch zur Seite? Im letzten Band dies...