Der Tage wurde von diesem Zeitpunkt nur noch anstrengender. Deshalb verzichtete ich darauf, Olivia in den Salon zu begleiten. Müde ließ ich mich an meinen Frisiertisch sinken und fädelte meine Ohrringe aus. „Majestät, darf ich Euch noch einmal behelligen?", fragte Timophly und ich sah ihn müde durch den Spiegel an. Geschlagen nickte ich. Er hatte den ganzen Tag Dienst, also hoffte ich, dass es wichtig war. „Der Oberkommandierende hat mir eine heikle Bitte anvertraut", begann Timophly zögerlich und ich zog meine Augenbrauen hinauf. Eine heikle Bitte? Wie sensibel konnte diese spanische Angelegenheit schon zu handhaben sein? Ich deutete ihm fortzufahren.
„Er bittet Euch in die Kaserne, damit er Euch alle Unterlagen zeigen kann", berichtete Timophly und meine Augenbrauen wanderten noch eine Spur weiter nach oben. Das war allerdings ein Anliegen, dass Timophly sensibel handhaben musste. „Gebe ich klein bei, wenn ich ihm entgegen komme?", fragte ich Timophly. Meine Leibwache sah mich einen Moment überrascht an und ließ sich Zeit mit seiner Antwort. „Nein, Majestät. Als Zivilist in eine Kaserne eingeladen zu werden, ist etwas besonders", erklärte er und ich nickte langsam. Ich musste diese Angelegenheit mit Dorian besprechen. „Ich werde es mit dem Erzherzog besprechen, danke Leutnant" – „Der Oberkommandierende bat mich Euch zur Eile anzutreiben" Ich lachte und begann erneut mir den Schmuck von den Händen zu schieben. La Rovere schlüpfte gerade mit einer weiteren Portion Nachspeise durch die Tür und sah Timophly irritiert an. Er verbeugte sich kurz vor mir, bevor er wieder vor der Tür Stellung bezog.
Als Dorian durch die Tür kam, lächelte ich ihn breit an. Ich hatte es mir in einem der Sessel mit einem Buch gemütlich gemacht. Er kam zu mir und drückte mir einen Kuss auf meine Hand. „Hat Olivia noch recht über meine Steifheit gewettert?" – „Sie kann sich einfach nicht vorstellen so zu leben" Beleidigt zuckte ich mit den Schultern. Dorian drückte mir einen Kuss auf die Stirn und hob mich von meinem Platz hoch. „Ich kann selbst laufen", beschwerte ich mich, bevor ich mich an seine Brust schmiegte. Dorian legte mich in unserem Bett ab und rollte sich über mich. Seufzend drückte ich die Hände gegen seine Brust. „Ich muss dir noch etwas erzählen"
Dorian lag still neben mir, während ich mir die Liste von positiven und negativen Aspekten eines Besuches von der Seele redete. Dabei klammerte ich völlig aus, dass ich meinen Aufenthalt hier abbrechen müsste. Als ich ihm am Ende meines Monologes ansah, war uns das beiden klar. Dorian nickte mehrere Male, bevor er mich in eine Umarmung zog. „Ich stimme Timophly zu, dass ist eine Ehre, Lavinia. Du solltest fahren", erwiderte Dorian. Ich wandte mich zu ihm um und er lächelte tapfer. Schuldbewusst drückte ich mich an seine Brust. Dorian drehte die Gaslampe ab und spielte mit meinen Haaren, bis uns beide der Schlaf übermannte.
***
Ein Soldat half mir aus der Kutsche. Maida und la Rovere folgten dicht auf meinen Fersen. Timophly brauchte einen Tag um das Treffen einzurichten, aber dann ließ ich mich von nichts mehr aufhalten. Einerseits, weil ich es schnell hinter mich bringen wollte und andererseits, weil ich es nicht erwarten konnte, dieses trostlose Anwesen zu verlassen und Olivias politische Diskussionen zu entkommen.
„Majestät", der Oberkommandierende hastete die Treppen herunter und ich lächelte zögerlich. „Bitte verzeiht", er beugte sich über meine Hand und hauchte einen Kuss auf meinen Handrücken. Er war heute zahm wie ein Lamm. Das war gut für mich. „Ihr habt eine lange Kutschenfahrt hinter Euch. Möchtet Ihr etwas zu Euch nehmen?" – „Nachdem alles geklärt ist, nehme ich die Einladung gerne an"
Der Oberkommandierende verbeugte sich erneut, bevor er mich durch die steinernen Gänge der Anlage führte. Wie bereits bei meinem ersten Besuch hier, als ich versuchte, Novel dem Oberkommandanten zu entreißen, war die Anzahl an Soldaten überwältigend und die Wege immer noch genauso verwirrend. Anders war allerdings, dass mich der Oberkommandierende in einen großen Saal führte, in dem verschiedene Karten und Landschafts-modelle aufgebaut waren. Ich drehte mich einmal bewundernd im Kreis. „Nun verstehe ich, warum Ihr mich hierher gebeten habt", brachte ich heraus und ging näher auf eine Karte von England zu. Sie war anders, als jedes Dokument, dass ich bisher gesehen habe. Alle größeren Militärbasen des Landes waren eingetragen, genauso wie Bahnverbindungen, gut gepflasterte Straßen und sonst noch so vieles, dass ich nicht verstand.
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Lavinia, dass Mädchen unter Vielen
Historical FictionLavinia wird mit der Gewissheit konfrontiert, dass Paget nicht zurückkehren wird, während ihr Cousin Mathew immer schwächer wird. Wer wird das Land reagieren, sollte Mathew wirklich sterben und wer steht ihr dann noch zur Seite? Im letzten Band dies...