Dorian dirigierte mich zurück in meine Räume und ich war dankbar, mich erneut auf ihn stützen zu können. Mein Arzt wartete bereits und ich ließ mich schnaufend auf eine Sitzgruppe sinken. Dorian trat zu meinem Sekretär und musterte die Boxen, die sich auf ihm sammeln. Ich hustete und keuchte auf vor Schmerz. Maida holte einen großen Trennflügel und baute ihn entschieden vor Dorian auf. Das war das einzige Zeichen, dass er hier noch nichts zu suchen hatte. Morgen Abend fand das Staatsdine und am folgenden Morgen diese vermaledeite Zeremonie statt und dann endlich konnte ich mich mit ihm zurückziehen. Maida entkleidete mich in Rekordgeschwindigkeit und mein Arzt hatte keinen Moment später das Stereoskop an meinem Rücken. Ich schloss meine Augen und bemühte mich tief durchzuatmen, musste aber einen Moment später erneut husten. Warum das tat das so weh? Ich schniefte. „Wir müssen Ihre Majestät aufwärmen und sie muss sich hinlegen", befahl mein Arzt und Maida half mir sofort in meinen Morgenrock und legte eine Decke um meine Schulter. Sie hastete zur Tür und keifte etwas hinaus. Fröstelnd zog ich die Decke enger um mich und bewegte mich auf mein Bett zu.„Die Hochzeit?", fragte ich, als ich mich in die Kissen sinken ließ. „Kann warten", fiel mir Dorians ins Wort und kam um die Trennwand herum. Ich ließ mich in den Haufen Polster zurücksinken und sah Dorian kopfschüttelnd an. Nichts konnte warten. „Kleine Schritte, Majestät", ermahnte mich mein Arzt, „Zuerst diese Nacht. Morgen können wir über das Staatsdine sprechen und nach dem Dine über die Hochzeit" Er klopfte Dorian auf die Schulter, der sich zu mir ans Bett setzte. Maida reagierte auf ein Klopfen an der Tür und nahm die Wärmeflasche entgegen. Ohne zu zögern krabbelte sie über das Bett und legte sie auf meine Brust. Dorian wich mir dabei keinen Zentimeter von der Seite.
„Kannst du bitte nochmal nach den Kindern sehen? Ich will nicht, dass sie sich sorgen", bat ich und Dorian nickte widerwillig. Ich wusste es zu schätzen, wie Ernst er in guten und in schlechten Zeiten nahm, obwohl wir noch nicht Mal verheiratet waren. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und nickte Maida knapp zu. Noch immer auf der anderen Seite des Bettes sitzend erwiderte sie die Geste und nahm anschließend meine Hände in ihre Hand. Ich wandte mich ihr zu und zog meine Beine an. Erschöpft schloss ich die Augen. Sie würde mich schützen.
Maida
Sie fieberte schon wieder. Erzherzog Dorian und ich hatten Seiten gewechselt. Ich saß auf einem Stuhl neben ihrem Bett, während der Erzherzog neben ihr lag und sie festhielt. Er hatte nichts dagegen, dass ich blieb. Ich war dankbar, dass er es zuließ, denn ich könnte es nicht ertragen, sie jetzt alleine zu lassen. „Sie war heute so glücklich, wisst Ihr?", versuchte ich uns zu verteidigen. Das Verhältnis zwischen ihm und Princesse Solei war ohnehin angespannt. Da brauchten wir keinen unterschwelligen weiteren Konflikt. „Seitdem Seine Majestät der Kaiser tot ist, habe ich sie nicht mehr so lange so unbedarft erlebt. Sie war jung, Majestät", redete ich verzweifelt weiter. Dorian schnaubte und strich ihr eine verschwitzte Strähne aus dem Gesicht.
„Wie soll ich sie je wieder aus den Augen lassen, wo ich weiß, dass ...", er deutete auf Ihre Majestät und seine Stimme brach. Mir war noch nie aufgefallen, welch ein Glück ich hatte, immer bei ihr sein zu dürfen. „Wir passen in Zukunft besser auf" – „Diese Person mit ihrem Leichtsinn!" Der Erzherzog strich sich verzweifelt durch die Haare und ich seufzte auf. Da hatte sich Ihre Majestät etwas Schönes eingehandelt.
„Princesse Solei würde für Ihre Majestät sterben"
„Es erscheint mir eher, als würde Lavinia für die Princesse sterben"
„Ihr werdet viele schwere Entscheidungen treffen müssen, Majestät. Seine Majestät der Kaiser hat sie eingesperrt und das hat es nicht leichter gemacht"
Der Erzherzog starrte auf sie hinunter und in diesem Moment rollte sie sich an seiner Brust zusammen. Wir hielten beide den Atem an, weil wir befürchteten, sie würde erneut husten, aber es blieb still. Seufzend ließ ich mich zurücksinken. „Ich lasse Euch alleine, Majestät. Gräfin laRovere kommt früh genug, um Euch ungesehen hinauszubringen" – „Ich danke Euch, Gräfin"
Lavinia
Verschwitzt schlug ich die Augen auf und rollte mich von Dorian herunter. Sofort schlang sich sein Arm fester um meine Taille und er blinzelte selbst. Ich fühlte mich ausgeruht, aber er sah aus, als wäre er die halbe Nacht wach gewesen. Schuldbewusst lächelte ich und richtete mich eine Spur auf. Der stechende Schmerz in meiner Brust und in meinem Kopf war verschwunden. Ich strich mit meiner Hand über seine Wange und hauchte ihm vorsichtig einen Kuss auf die Lippen.
Sofort richtete sich Dorian ebenfalls auf und drückte mich zurück in die Kissen. „Mir ist heiß", protestierte ich, doch Dorian richtete demonstrativ die Decken. Frustriert wollte ich sie erneut von mir schieben, aber Dorian hielt meine Hände fest. „Du musst dich warm halten", mahnte er und ich seufzte auf. Gerade war mir zu warm. Trotzdem gab ich nach. „Schlaf weiter. Es ist noch lange nicht Morgen und du siehst erschöpft aus", versuchte ich den Spieß umzudrehen, damit ich mich um ihn kümmern konnte. „Du hast mir einen ordentlichen Schrecken eingejagt" – „Dorian, du musst dir überlegen, ob du das wirklich durchziehen möchtest. Ich ...", meine eigene Stimme brach bei dem Gedanken, aber ich musste ihn aussprechen. Für ihn. Damit ich ihm ihn eine Wahl lassen konnte, so unmöglich sie auch zu schein schien, „ich werde nicht mehr gesund werden. Du wirst wohl die meiste Zeit mit mir an meinem Krankenbett verbringen" Dorian schüttelte entschieden den Kopf, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. Im ersten Moment hatte ich mir auch gedacht, ich würde auf keinen Fall aus gesundheitlichen Gründen auf diese Ehe verzichten. Aber ich musste auch an ihn denken und seine Bedürfnisse für die jetzt bereits zu wenig Raum war.
„Bitte überleg es dir nochmal gut"
„Ich liebe dich Lavinia"
„Das hat nichts mit Liebe zu tun. Du musst dir überlegen, ob du in dieser Position glücklich werden kannst"
Dieses Mal schwieg Dorian und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er mich wieder an sich zog. Er hatte sich bereits ein Leben in Italien aufgebaut. Ich könnte es ihm nicht verdenken, wenn er es einem Krüppel wie mir vorzieht. Der Gedanke trieb mir Tränen in die Augen, aber ich blinzelte sie tapfer weg.
Ich hatte bereits ausreichend Chancen auf Glück und habe sie alle vertan. Es war an der Zeit, sich um sein Glück zu kümmern.
DU LIEST GERADE
Lavinia, dass Mädchen unter Vielen
Historical FictionLavinia wird mit der Gewissheit konfrontiert, dass Paget nicht zurückkehren wird, während ihr Cousin Mathew immer schwächer wird. Wer wird das Land reagieren, sollte Mathew wirklich sterben und wer steht ihr dann noch zur Seite? Im letzten Band dies...