Kapitel 39

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Das Zeremoniell gab uns eine halbe Stunde zum Betrachten der Geschenke. Erleichtert ließ sich Dorian auf einen Stuhl sinken und ich nahm dankbar auf seinem Schoß platz. Ich strich ihm über seine frisch rasierten Wangen und Dorian schmiegte sein Gesicht an meine Handfläche. „Wie geht es dir", flüsterte er und ich drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich gehöre endlich dir. Wie glaubst du denn, dass es mir geht?", neckte ich und Dorian zog mich an meinem Hals erneut zu sich. Ich konnte nicht genug davon bekommen und vertiefte den Kuss. Dorian stöhnte auf. Errötend rutschte ich ein Stück von ihm ab. Wir hatten noch einen mehrstündigen Lunch vor uns, bei dem wir uns beide benehmen mussten.

„Heute Nacht", versprach Dorian, worauf ich leise seufzte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass plötzlich wirklich alles erlaubt war. Ich erhob mich von seinem Schoß und mein Blick viel direkt auf die großen Fenster des Salons. Ich schrie entzückt auf und griff nach Dorians Hand. Es schneite. Der erste Schnee des Jahres. Dorian sah sich irritiert um, bevor er leise lachte.

„Wir sollten dir einen Mantel hohlen", stoppte Dorian mich, aber ich schüttelte entschlossen den Kopf. „Nur für wenige Augenblicke", hielt ich dagegen und Dorian seufzte auf. Er zog mich näher an sich, bevor er die Tür öffnete. „Hast du mir nicht erst vor einer halben Stunde gehorsam versprochen?", neckte er mich, worauf ich ihm die Zunge rausstreckte. Er senkte seinen Kopf erneut zu mir herab und drückte seine Lippen auf meine. Es war berauschend, dass uns jeder dabei sehen durfte. Als ich mich von ihm löste, hatten sich bereits die ersten Schneeflocken in seinem Haar verfangen. „Habe ich dir schon gesagt, wie schön du heute bist?", flüsterte er mir ins Ohr und ich seufzte auf. Ich ließ mich gegen ihn sinken und er knapperte an meinen Ohrläppchen, während ich den Schnee beobachtete. Die kalte Luft und seine heißen Lippen an meinem Hals, brachten mein Blut in Wallung. Genüsslich lehnte ich meinen Kopf zurück und schloss die Augen. „Man sollte abends heiraten. Dieses Hinhalten ist die reinste Folter", flüsterte ich worauf Dorian lachte. Ich spürte seinen warmen Atem an meinem Ohr. „Das nennt sich Vorfreude. Komm, wir müssen uns dem Schein wegen zumindest ein paar Geschenke ansehen", erinnerte mich Dorian und ich seufzte auf. Er führte mich wieder in den Salon und wir betrachteten zuerst die Geschenke des Hochadels. Ich lachte, als ich neben der kostbaren Schneekugel, die mir Solei geschenkt hatte, auch eine Packung Pralinen fand. Sofort steckte ich mir eine in den Mund reichte die Packung an Dorian weiter. „Solei?", riet er, worauf ich nickte. Niemand anderes würde Schokolade für ein angemessenes Geschenk halten, aber Solei wusste, was ich in diesem Moment brauchte.

„Majestäten. Die Gäste sind nun soweit. Der Lunch kann losgehen"

Es fühlte sich wunderbar an von Dorian mit der Gewissheit zu Tisch geführt zu werden, dass wir jetzt eine Einheit waren. Ich musste meine Nähe zu ihm nicht mehr rechtfertigen, sondern durfte sie als Selbstverständlichkeit darstellen.

Anders als bei meinen normalen Gesellschaften saßen alle Gäste auf einer langen Tafel. Direkt gegenüber von uns saß der Grande Duc Leblanc und rechts von mir saßen zum Glück Nemours und Gwen. Dorian hatte weniger Glück. Zu seiner Linken saß Chevaliers. Als Außenminister stand im dieser Platz leider zu. Einen Moment lang war es still an der Tafel, bevor sich Dorian erhob. „Ich möchte einen Tost ausbringen!", verkündete Dorian. Abwartend sah ich zu ihm auf. „Auf Ihre Majestät, die Kaiserin. Meine Frau", gegen Ende hin wurde er leiser und einen Moment lang, verharrte mein Blick in seinem. „Die Kaiserin lebe hoch! Hoch!", der Bann war durchbrochen und ich nickte den Adligen zu. Als die Stimmen verhallt waren, erhob Dorian erneut die Stimme: „Ich bin dankbar an die Seite einer so wunderschönen Frau berufen worden zu sein und schwöre mein Leben in Dienst unseres Land zu stellen!" Die Adeligen erhoben erneut die Gläser und prosteten ihm zu. Ich erhob ebenfalls mein Glas, wartete allerdings, bis Dorian sich gesetzt hatte und stieß mit ihm an. „Ich werde es mir merken, dass du in meinem Dienst stehst" – „Ich bin dir jederzeit überaus willentlich zu Diensten" Ich errötete und Dorians Lächeln wurde breiter. Der erste Gang wurde hereingebracht und ich befürchtete, dass das mein letztes Lachen für die nächsten zwei Stunden sein würde.

„Ich finde den Stoff Eures Kleides wunderbar. Wo habt Ihr in gekauft?", fragte ich die Grande Duchesse Leblanc. Nemours beobachtete wie immer mit Argusaugen, mit wem ich mich unterhielt, um notfalls lenkend eingreifen zu können. Eine Angewohnheit, die er seit meiner ersten Stunde bei Hof nicht ablegen konnte. „Ich habe ihn mir extra für dieses Fest aus Italien liefern lassen", behauptete sie und ich gab mich gespielt überrascht. Eine furchtbare Geldverschwendung für ein Kleid, das man nur einmal tragen würde. „Majestät verbringen Ihre Flitterwochen in Malheur?", fragte sie gleich darauf, um das Gespräch nicht abreißen zu lassen. Obwohl ich mittlerweile 24 Jahre alt war, behandelte man mich hier immer noch wie einen Neuling. „Ja, Seine Majestät zeigt mir das Haus meiner Mutter", erzählte ich und lächelte Dorian warm an. Auch wenn mir ein bisschen mulmig dabei zumute ist, freute ich mich auf gemeinsame Zeit.

„Ist das Eure Art Gehorsam einzufordern, Majestät? Die Kaiserin dazu zu drängen mit Fremden zu feiern, anstelle die Freude mit ihrem Hofstaat zu teilen?" – „Wir ziehen uns bis Silvester zurück. Bis auf die ein oder andere Überraschung, die ich für Ihre Majestät geplant habe, werden wir erst zu Silvester öffentlich auftreten" Dorian blieb überraschend ruhig, während ich meine Hände unter dem Tisch zu Fäusten balle. Er hätte es niemals gewagt, mich so unverschämt anzusprechen. Ich wäre ihm gerne über den Mund gefahren, wollte Dorian aber nicht bloßstellen.

„Also habt Ihr wirklich eingefordert, die Flitterwochen in Eurer Heimat zu verbringen?" – „Meine Frau ist die Kaiserin. Ich diene ihr genauso, wie Ihr es tut, Grande Duc" Ich bemerkte, wie Dorian unruhig wurde und ich begann mich selbst unwohl zu fühlen. Verunsichert sah ich zu Nemours, der Leblanc wütend anfunkelte. Also täuschte ich mich nicht. Sein Verhalten war wirklich unangemessen.

Leblanc nahm einen großen Schluck von seinem Whiskey und setzte sein Glas schwungvoll wieder ab. „Ich glaube Ihr seid die erste Kaiserin, die ihrem Mann Gehorsam schwört", bemerkte er und ich zog meine Augenbrauen nach oben. „Wem gegenüber seid Ihr loyaler – Eurem Mann oder unserem Land?" – „Ich vertraue darauf, dass Seine Majestät nie etwas von mir verlange würde, dass unserem Land schadet. Und jetzt genug davon!" Dorian legte beschwichtigend seine Hand auf meinen Oberschenkel und ich lächelte ihn vorsichtig an. Es war furchtbar unangenehm, dass seine Integrität ausgerechnet heute angezweifelt wird. Mir war bewusst, dass ihn der Adel nicht mit offenen Armen empfangen würde, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn anfeinden würden.

***

Endlose Stunden später, schloss ein Diener endlich die Tür unserer Kutsche. Müde ließ ich meinen Kopf zurückfallen. Meine Hofdamen hatten mir aus meinem Hochzeitskleid geholfen und mich in ein Reisekostüm gesteckt. Dafür war ich sehr dankbar, da ich so um einiges mehr Bewegungsfreiheit hatte.

„Es tut mir leid, dass dich Leblanc angefeindet hat"

„Ich danke dir für dein Vertrauen in mich"

Schief grinsend schmiegte ich mich näher an ihn. Uns stand eine mehrstündige Fahrt bis in die späten Abendstunden bevor. Da ich heute Nacht aber noch so einige Vorhatte, musste ich Schlafreserven anlegen. Als Dorian bemerkte, dass ich einnickte, zog er mich noch enger an sich und ich seufzte genüsslich auf.

Ein unerträgliches Stechen in meinem Kopf weckte mich wieder. Benommen richtete ich mich auf und griff mir an die Stirn. Ich schlug die Augen auf und wurde von dem schwachen Licht in der Kutsche geblendet. Es dämmerte bereits. Dorian beugte sich zur Gaslampe und drehte sie herunter. „Wie geht es dir?", flüsterte Dorian vorsichtig und ich sah ihn gequält an. Er strich mir über die Wangen und mich überlief ein Schauer, weil seine Finger kälter waren, als meine glühenden Wangen. „Nicht mehr lange, Lavinia, und wir haben ein Bett für dich", versprach er und sah ihn benommen an. Wir konnten kaum länger als zwei Stunden unterwegs sein. Das war nicht Mal die Hälfte der eigentlichen Reiseroute. „Wir werden die nächsten Nächte bei einer Freundin von mir verbringen. Wir müssen dein Fieber in den Griff bekommen", erklärte er mir und ich ließ meinen Kopf in die Ecke sinken. Mir ging es doch den ganzen Tag gut. Wie konnte ich mich plötzlich so krank fühlen? Dorian zog mich zu sich und schluckte schwer. Das Stechen ließ langsam nach, aber dafür machte sich ein kratzen in einer Lunge bemerkbar. Dorian hatte Recht. Ich brauchte dringend ein Bett. 

Lavinia, dass Mädchen unter VielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt