Kapitel 63

185 5 0
                                    

Wie von Geisterhand gesteuert, beinahe wie eine Marionette des Himmels, fuhr ich die Straßen entlang.

Es war also so weit.

All die Jahre hatte ich auf diesen Moment gewartet. Nicht, weil ich ihn erleben wollte, sondern einfach, weil ich instinktiv wusste, dass er kommen würde.

Nach dem Wissen hätte man meinen können, ich wäre darauf vorbereitet gewesen, doch meine Wachsamkeit hatte nachgelassen. Nachdem die letzten Monate wortwörtlich mein ganzes Leben verändert hatten, war ich naiv genug gewesen. Ich hatte tatsächlich geglaubt, dass wir alle hätten glücklich werden können.

Wie sehr Liebe einen blind machen kann, hätte ich nie erahnt. Natürlich hatte ich den Spruch immer gekannt, doch wer würde je denken, dass es wahr ist?

Die Liebe, die ich in den letzten Monaten gespürt und auch erhalten hatte, hatte mich tatsächlich blind gemacht. Ich war achtlos geworden. Je glücklicher ich wurde, desto mehr wollte ich davon erleben.

Je gieriger ich wurde, desto blinder wurde ich auch. Es war klar, dass mir das zum Verhängnis werden würde, doch auch das hatte ich nicht gesehen.

Und jetzt war es so weit, das Gleichgewicht von Ying und Yang wieder herzustellen. Die letzten Monate liefen gut, es war also an der Zeit, dass mal wieder etwas Schlechtes passierte.

Seit ich den Anruf erhalten hatte, war ich wieder bei Verstand. All die Naivität, die ich mir über die letzten Monate angeeignet hatte, war verschwunden. Mir war bewusst, dass nichts Gutes heute mehr passieren würde.

Dieser Tag würde mein letzter sein. Das war mir klar.

Doch ich war noch immer gierig.

Ich wollte wenigstens eines erreichen, bevor ich meinem Ende in die Augen sah. Und dafür würde ich alles geben.

Ich parkte den Wagen in einer verlassenen Gegend aus baufälligen und abrissbereiten, verlassenen Industriegebäuden. Dann sah ich auf die Uhr. Dank der Tatsache, dass ich nicht Zuhause gewesen war, hatte ich einiges an Zeit gespart. Der Weg von der Tierklinik hier her, war deutlich kürzer als er es von Zuhause aus gewesen wäre.

Mir blieben also noch fünfzehn Minuten Zeit.

Ich zog Zettel und Stift aus dem Handschuhfach und ließ mein Herz die Kontrolle über meine Finger übernehmen.

Sobald ich die Nachricht geschrieben hatte, tat ich das Einzige, was mir jetzt noch Hoffnung spendete. Ich band die Nachricht an Jamies Halsband fest und ließ ihn schweren Herzens laufen.

„Geh nach Hause, Jamie!", flüsterte ich, als ich ihn zum Abschied streichelte. „Lauf und finde Jungkook!"

Er rannte los und ich spürte, wie mir eine Träne die Wange hinunterlief. Aus einem Mädchen, das Hunde schütze, ist ein Monster geworden, das einen verwundeten und schwach auf den Beinen laufenden Hund allein durch die ganze Stadt jagte.

Doch ich hatte keine andere Wahl. Ohne mein Handy konnte ich keine Hilfe rufen. Und Aslan würde nicht nach Hause finden. Abgesehen davon brauchte ich Aslan später noch für den zweiten Teil meines Plans.

Sobald Jamie aus der Sichtweite verschwunden war, riss ich mich zusammen und ging den zweiten Teil meines Plans an. Ich holte die Decke aus dem Auto, die ich zuvor für Jamie dort hineingepackt hatte. Sie war zwar etwas mit seinem Blut beschmiert, aber in Zeiten wie diesen durfte man nicht wählerisch sein.

Ich gab Aslan seine Kommandos und atmete dann tief ein und aus, bevor ich die leerstehende Fabrik vor mir betrat.

Es war einmal eine Gummifabrik, doch das war lange her. Inzwischen war es nur noch das Zuhause von Ratten und Spinnen.

Puppy Eyes / BTS JK FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt