Kapitel 64

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Taehyung p.o.v

Ich hörte die Schläge und Wut und Verzweiflung kochten immer weiter in mir auf. Doch was sollte ich tun? Wie könnte ich sie retten, nachdem ich das Messer habe fallen lassen?

„Nimm mich!", schrie ich aus voller Kehle. „Lass sie in Ruhe!"

Mir wäre es so viel lieber, wenn er mich verprügeln würde. Selbst wenn ich dabei drauf ginge, so hätte Jeanhee die Chance zu Atem zu kommen und das Messer zu erreichen. Ich hatte unsere Hoffnung zerstört und unsere Chancen verspielt. Doch sie musste hier raus kommen. Das war alles, was jetzt noch zählte.

„Was ist los?", knurrte der Alte. „Warum schreist du nicht?"

Gefolgt von diesen Worten hörte ich einen weiteren Schlag und an Jeanhees Stelle schrie ich auf. Wie sehr ich diesen Mann hasste.

„Schrei!", schrie er frustriert.

Ich hörte, wie sie ihn anspuckte.

„Keine Lust!", hörte ich sie lachen.

„Dann sollte ich vielleicht mehr wie eure Mutter sein!", lachte er. „Mal schauen, ob du lieber aus anderen Gründen schreist, wenn Schmerzen es nicht bringen!"

Das wird er doch nicht...

Das kann er nicht machen!

Ich musste sie retten! Ich musste sie beschützen! Wild zappelnd versuchte ich die Fesseln zu lösen, doch alles, was ich damit erreichte war ein Sturz von mir und dem Stuhl. Aneinander geschweißt fielen wir zu Boden. Und dann spürte ich etwas Kühles an meiner Hand.

Das Messer!

Warum war ich nicht früher auf die Idee gekommen?

Ich griff nach dem Messer und begann erneut wie wild damit an dem Seil zu sägen.

Vom Nebenzimmer kamen erneute Kampfgeräusche. Das bedeutete, dass Jeanhee nicht aufgegeben hatte. Es gab Hoffnung. Ich musste mich nur beeilen um ihr rechtzeitig helfen zu können.

Und so säbelte ich an dem Seil herum, während ich dem Kampf lauschte. So wie es klang, sackten sie beide einiges an Schlägen ein. Doch während er jedes Mal aufschrie, blieb Jeanhee still. Mir war bewusst, dass sie für mich alles schweigend einsteckte. So war sie eben. Doch das beruhigte mich nicht im geringsten. Es wäre zwar herzzerreißend, ihre Schreie zu hören, aber ich würde mich wesentlich besser fühlen, wenn ich wirklich wüsste, wie es ihr ging. Wenn sie bei Schmerzen schreit, weiß ich, dass sie Schmerzen hat. Doch wenn sie nie schreit, wie sollte ich wissen, wie weit sie noch gehen konnte?

Und dann hörte ich einen erschreckend lauten Knall nebenan. Ich hörte auch das Knacken von Knochen und betete instinktiv, dass es die seinen waren.

„Wage es nicht!", knurrte Jeanhee und ihre Stimme klang beunruhigend schwach.

„Wieso nicht?", lachte der Alte. „Dein toller Bruder durfte es doch auch mit deiner Mutter machen, wieso sollten wir nicht?"

„JEANHEE!", schrie ich.

Das durfte auf keinen Fall passieren!

„Du bist einfach nur krank!", sagte Jeanhee. „Genauso krank, wie sie es war. Nein, du bist noch schlimmer!"

„Lass mich nur kurz meinen Gürtel öffnen, dann siehst du, wie gesund ich bin!", lachte er.

Und in dem Moment schossen meine Arme auseinander. Ich hatte es geschafft!

Sofort zog ich mich mit all meiner Kraft an der Wand hoch und hinkte zum Nebenraum.

Ich sah, wie er sich die Hose öffnete und sie gerade herunterziehen wollte.

Jeanhee lag unter ihm. Ihm hoffnungslos ausgeliefert.

„Jeani!", rief ich aus und stürzte wutentbrannt drauf los. Ich sah, wie er sich überrascht mir zuwandte und stolperte. Das Messer in meiner Hand bohrte sich geradewegs in seine Schulter. Er schrie auf, sprang auf die Beine und wollte auf mich los. Hätte ich doch nur richtig getroffen. Eine verletzte Schulter bringt niemanden um. Zweite Chance verhauen.

Jeanhee riss die Augen sorgenvoll auf und im nächsten Moment trat sie zu. Dieses Mal erreichte sie jedoch ihr Ziel. Der Alte brach vor meiner Nase zusammen und schien das Bewusstsein zu verlieren.

„Tae!", japste Jeanhee ungläubig. „Das ist unsere Chance!"

Sie sprang auf die Beine und rannte zu mir. Unglaublich, wie viel Kraft dieses Mädchen aufbauen konnte, wenn es darum ging jemanden zu retten. Sie war immer so schwach, doch wenn es um mich oder Hunde ging – und wahrscheinlich auch um Jungkook – entwickelte sie die Kräfte einer Bärenmutter.

Sie stützte mich ab und gemeinsam verließen wir den Raum. Sie auf beiden Beinen, ich mehr schlürfenden Fußes.

Wir flohen durch den Gang an ein paar leerstehenden Räumen vorbei zu einer rostigen alten Treppe. Jeanhee zog mich mehr oder weniger die Treppen hoch. Meine Beine schmerzten so sehr, dass ich sie kaum heben konnte. Als wir die Treppe bezwungen hatten, rief sie nach ihrem Wolfshund Aslan.

Er war hier?

Am Ende der Halle tauchte ein Schatten auf und ich erkannte Aslan, der eine Decke mit sich trug. Doch bevor ich fragen konnte, was der Plan war, hörte ich unter uns das Fluchen unseres Pflegevaters. Er war also wieder wach. Jetzt würde es alles wieder von vorne beginnen. Dann gewann der Schmerz den Kampf gegen meine Willenskraft und mir wurde schwarz vor Augen.

„Tae!", schrie Jeanhee und ich spürte, wie sie mich mit aller Kraft hielt, dann verlor ich gänzlich das Bewusstsein.

Als ich wieder aufwachte, traute ich meinen Augen nicht. Ich sah das Licht am Ende des Tunnels. Doch vom Ende des Tunnels kam nicht nur das weit bekannte Licht. Es starrten mich auch zwei goldfarbene Augen an.



Puppy Eyes / BTS JK FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt