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Immer noch wütend auf Dorien knallte ich die Tür von meinem Spind zu. Wenigstens hatten wir jetzt große Pause. Die ersten Stunden hatten sich wie eine Ewigkeit angefühlt. Jetzt wartete ich nur noch auf Tobi.

Was bildete sich dieser Dorien eigentlich ein? Ich gehörte niemandem. Der konnte doch nicht einfach sagen, dass ich ihm gehörte.

"Kleines, was für ne Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Du siehst fast aus wie Hulk!", ertönte Tobi's Stimme neben mir.

"Dorien heißt die Laus! Der bildet sich echt ein, dass ich ihm gehören würde!", antwortete ich ihm mit unterdrückter Wut in der Stimme.

"Was hat er denn nun wieder angestellt?", grinste Tobi.

Ohne etwas zu sagen zog ich ihn erst mal raus auf dem Schulhof unter einen der Bäume, die hier etwas verteilt standen. Denn trotz des beginnenden Herbstes knallte noch die Sonne runter, als wäre es noch Hochsommer. Dann erzählte ich ihm, was in der Abstellkammer abgelaufen war.

"Der Kerl hat sie nicht mehr alle. Ernsthaft. Würdet ihr eine Beziehung führen, wäre das ja noch süß, aber nicht so! Soll ich ihn mir vorknöpfen?", fragte Tobi.

Ich schüttelte den Kopf. "Er ist es nicht wert, sich die Hände schmutzig zu machen. Außerdem stimmt irgendwas mit dem nicht. Besser wir halten uns von ihm fern!"

Tobi nickte zustimmend. Aber als er noch etwas sagen wollte, klingelte es auch schon wieder. Gemeinsam machten wir uns schweigend auf den Weg in das Schulgebäude.

An meinem Spind verabschiedeten wir uns und gingen in unseren jeweiligen Unterricht.

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Endlich Schule aus. Eilig packte ich meine Sachen zusammen und stürmte zu meinem Spind. Natürlich auch in der Hoffnung, dass Dorien mich in Ruhe ließ. Der Kerl war echt unheimlich! Vor allem zog er seine Lederjacke nie aus, obwohl er bei der Hitze doch eingehen musste.

Aber das sollte nicht mein Problem sein. Mein Vater würde noch arbeiten, also beschloss ich nach Hause zu laufen. So arg weit war das nicht. Vielleicht eine halbe Stunde Fußmarsch.

Tobi kam gerade um die Ecke. "Du hast es gut. Hast Schluss. Ich muss noch zwei Höllenstunden Chemie hinter mich bringen!"

Chemie war Tobi's absolutes Hassfach. "Das schaffst du schon. Du musst dir doch eigentlich nur die Elemente und die Reaktionen aufeinander merken. Und was für Eigenschaften sie haben."

Er schnaubte. "Du hast gut reden! Du bist ein Ass in dem Fach!"

Unrecht hatte er nicht, dass gab ich ja zu. "Du musst dich halt auch mal zu Hause auf deinen Hosenboden setzen und lernen! Aber ich hau jetzt ab, bevor Dorien wieder auf dumme Ideen kommt."

Er nahm mich in den Arm. "Alles klar! Bis dann!"

Ich löste mich von ihm und winkte ihm noch einmal zu, bevor ich das Schulgebäude verließ. Die Sonne schien nach wie vor heiß auf uns herab.

Als ich am Parkplatz der vorbei lief wurde ich von einem der Bad Boys angesprochen. "Hey, Süße! Bock was trinken zu gehen?"

Während er das sagte legte er einen Arm um mich und streifte mit seiner Hand über meine linke Brust. Es war nicht das erste Mal, dass sie mich anmachten. "Die Antwort kannst du dir doch denken, Flynn! Es ist die selbe, wie immer: Nein! Und für dumme wie dich, buchstabiere ich es dir noch mal: N-E-I-N!"

Flynn nahm seinen Arm von mir runter. "Irgendwann wirst du schwach, Ranya! Aber dann habe ich keine Lust mehr!"

Kopfschüttelnd lief ich einfach weiter. Flynn konnte es einfach nicht lassen. Seit Jahren schon gab ich ihm einen Korb nach dem anderen.

Ich war gerade fast am Parkplatz vorbei, als ich erneut aufgehalten wurde. Okay, viel mehr verschleppt, denn Dorien hatte sich mein Handgelenk gepackt und zog mich zu seinem Auto.

Und das machte mich noch wütender. Ich stemmte mich mit all meiner Kraft gegen ihn, doch das schien ihn nicht zu jucken. Also stolperte ich ihm hinter her. "Was zur Hölle ist mit dir falsch?! Lass mich los, du Penner!"

"Ich hatte dich gewarnt! Jetzt läuft es auf meine Weise! Ich hoffe du hast dich von deinen Freunden richtig verabschiedet!", brüllte dieser los und schubste mich auf die Beifahrerseite seines Autos. Doch bevor ich wieder aussteigen konnte, knallte er die Tür zu.

Als ich versuchte die Tür zu öffnen, blieb sie zu. Diese Scheiß Kindersicherung! Keine zwei Sekunden später stieg auch Dorien ein und fuhr schweigend los. "Sag mal, hast du sie noch alle? Sowas nennt man Entführung!"

Dorien schaute mich noch nicht einmal an. Nur seine Hände verkrampften sich mehr am Lenkrad. "Ich sagte, dass kein anderer Junge dich anzufassen hat! Und doch hast du es zugelassen! Du hast wohl vergessen, dass du mir gehörst! Und jetzt gib mir dein Handy!"

Ich dachte gar nicht daran und verschenkte die Arme vor meiner Brust. Dorien hat sie definitiv nicht mehr alle. Vor allen Dingen, was soll das alles? Schweigend schaute ich aus dem Fenster.

Doch das er einfach in meine Tasche griff und mein Handy einfach raus holte, übertraf alles. Was bildete er sich eigentlich ein? Aber bevor ich es ihm wieder abnehmen konnte, hatte er es aus dem Fenster geschmissen.

Was fiel ihm ein? "Sag mal, hast du sie noch alle?! Das Flynn mich betatscht hat, dafür kann ich nichts! Schließlich kann ich nicht in Köpfe anderer schauen! Und selbst wenn, was zum Hänker geht dich das an?! Wir sind nicht zusammen! Und dir gehöre ich schon gar nicht!"

Anstatt einer Antwort fuhr Dorien nur schneller. Erst jetzt bemerkte ich, dass wir auf dem Highway fuhren. Was zur Hölle hatte er vor? Wohin brachte er mich?

Und genau diese Fragen stellte ich ihm auch. Aber er antwortete mal wieder nicht. Er drückte nur wieder schneller aufs Gas.

Ich klopfte an die Scheibe und versuchte, andere Autofahrer auf mich aufmerksam zu machen. Aber kein Schwein regte sich. Und so ging es stundenlang. Bis er vom Highway runter fuhr, direkt in einen dunklen Wald. Mittlerweile war es Nacht geworden.

Tief im Wald blieb er an einem Parkplatz stehen und stieg aus. Dann kam er rum und öffnete meine Tür. Aber ich weigerte mich auszusteigen und blieb einfach sitzen.

"Steig aus!", knurrte er mich an. Ich sagte doch, dass er komisch war. Kein Mensch konnte knurren.

Ich schüttelte nur meinen Kopf. Nach mehrmaliger Aufforderung seinerseits und weigern meinerseits, packte er mich einfach und stellte mich vor sich hin.

Plötzlich holte er ein Tuch aus der Tasche und drückte es mir direkt auf Mund und Nase. Ich hielt die Luft an, aber auch ich musste irgendwann mal wieder atmen.

"Ich sagte doch, dass du mir gehörst!", war das einzige, was ich noch hörte, bevor mir schwarz vor Augen wurde und ich weg driftete.

Der Mann vom anderen Planeten (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt