16.

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In meinem Zimmer angekommen zog ich mich direkt um. Irgendwie freute ich mich auch auf die Zeit mit Dorien. Aber eigentlich tat ich das alles nur, damit Dorien nicht komplett durchdreht. Der Posten als König war bestimmt sehr stressig. Und wenn ich daran dachte, dass ich irgendwann an seiner Seite regieren musste, kam mir die pure Übelkeit hoch. Denn das machte mir Angst. Ich war doch nicht geschaffen für so einen Posten.

Selbst in der Schule hatte ich nie Schülersprecher oder sowas werden wollen. Diese Verantwortung wollte ich nie haben und doch erwartete mich hier eine Position, die mit viel mehr Verantwortung einher ging. Ich will nicht so viel Verantwortung haben! Das schaffe ich nicht! Und prompt musste ich aufs Klo rennen, um mich zu übergeben. Es war einfach zu viel für mich.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Dorien kam herein. "Ist alles in Ordnung bei dir, mia kurray?" (Meine Kleine), hörte ich seine besorgte Stimme. Irgendwie war es schon süß von ihm.

Ich nickte während ich noch den Rest hochwürgte, der noch in meinem Hals steckte. "Es geht schon. Muss mir nur schnell die Zähne putzen. Danach können wir direkt los."

Er wirkte nicht gerade überzeugt. "Sicher das ich nicht nach dem Arzt rufen soll?"

Ich nickte und stellte mich an das Waschbecken. Eigentlich wollte ich ihm nicht sagen, von was es kam, aber er sah so besorgt aus, dass ich schon beinahe automatisch redete. "Die Übelkeit kommt einfach, wenn ich Stress habe oder etwas mir zu viel wird. Manchmal so schlimm, dass ich mich übergeben muss."

Dorien wirkte zwar nicht ganz überzeugt, ließ es aber dabei bleiben. "Du sagst mir aber bitte, wenn dir auf dem Weg schlecht werden sollte. Ich will nicht, dass du mich oder jemand anderes vollreiherst."

Darauf konnte ich nur meine Augen verdrehen, während ich Zahnpasta auf meine Zahnbürste schmiere. "Aye aye, Chef!"

Er guckte mich verwirrt an. "Was heißt das?"

Ich lachte. "Das heißt soviel wie, alles klar."

Dorien nickte bedächtig. "Das verstehe ich."

Wieder musste ich lachen. Seine Unwissenheit war einfach zu knuffig, da konnte ich nicht anders. Und ich musste zugeben, dass er mir immer sympathischer wurde. Da ich gerade anfing, meine Zähne zu putzen antwortete ich nicht. Mein Vater sagte immer, dass man mit vollem Mund nicht spricht. Daran hatte ich mich schon immer gehalten. Außerdem klang es komisch und für den Gegenüber war es nicht sehr appetitlich.

Dorien dagegen stand noch hinter mir. Er sah mich mit Sehnsucht in den Augen an. Ich schaute ihn fragend an und er schien zu verstehen. Denn er sprach seine Sehnsucht in Form einer Frage aus: "Kann ich dich in den Arm nehmen?"

Da ich die Zahnbürste noch im Mund hatte, nickte ich nur. Zugegeben, ich hatte mich echt wohl gefühlt in seinen Armen. Er strahlte einfach Sicherheit aus. Und Geborgenheit, etwas das ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Es war fast so, als wäre er mein Anker und mein Fels in der Brandung. Einfach alles auf einmal, dabei kannte ich ihn noch nicht mal richtig.

Er schlang seine Arme um mich und drückte sich an mich. Zwischen uns hätte in diesem Moment kein Blatt mehr gepasst. Ich sah in den Spiegel und bemerkte, dass Dorien mich um einiges überragte. Bestimmt um zwei Köpfe oder mehr. Aber ich liebte es einfach, wenn Mann größer als die Frau war. Andersrum sah das ganze schon etwas komisch aus, fand ich zumindest.

Dorien vergrub seinen Kopf in meinem Nacken und schien meinen Geruch tief in sich einzusaugen. Fast so, als wäre ich bald über alle sieben Berge und er fand mich nicht. Was zwar keine so schlechte Idee war, aber es würden andere darunter leiden, was ich nicht wollte. Außerdem schien mir etwas tief im Inneren zu flüstern, dass er mich immer und überall finden würde. Dieser Gedanke machte mir irgendwie Angst und doch beruhigte er mich irgendwie.

Ich spuckte die Zahnpasta in das Waschbecken und spülte meinen Mund mit Wasser aus, damit auch alles draußen war. "Wegen mir können wir los."

Doch er wollte mich nicht loslassen. "Noch ein paar Minuten!", nuschelte Dorien gegen meinen Nacken. So, dass ich eine Gänsehaut bekam. Und ich musste zugeben, dass ich es genoss.

Doch wann war ich so weich geworden? Eigentlich hasste ich ihn doch. Aber ich hatte auch seine weichen Seiten gesehen. Und das verwirrte mich. Mein Körper fuhr ja schon von Anfang an auf ihn ab. Aber das mein Kopf so schnell umgeschaltet hatte, kapierte ich einfach nicht. Immerhin hatte er mich entführt. Und doch wurde er mir immer sympathischer. So schnell konnte ich das nicht zulassen. Vor allem konnte ich mich nicht konzentrieren, wenn er mir so nahe war.

Schnell löste ich mich von ihm und verließ das Badezimmer. Dorien folgte mir perplex. "Was ist los?"

"Nichts, alles gut. Ich... dachte, dass ich etwas gehört hätte!", stammelte ich eine Lüge zusammen.

Er schien mir nicht wirklich zu glauben. Aber er beließ es dabei. "Was willst du machen?"

"Zeig mir einfach die Stadt, eure Kultur. So lerne ich wohl am besten, wie ihr tickt.", antwortete ich. Etwas anderes fiel mir auch nicht ein.

Dorien führte mich auf meinen Balkon raus. Dort schlang er erneut seine Arme um mich. "Halt dich gut fest!"

Als Zustimmung nickte ich und umfasste seine Unterarme. Selbst die strotzten nur vor Muskeln. Wie oft trainierte der Typ?

Kurz darauf flog er auch schon los. Und anders als bei Aria fühlte ich mich bei ihm sofort sicher. Dorien erklärte mir viel über die verschiedenen Gebäude und einige Bewohner, die in ein paar davon lebten. Das älteste sah fast so aus, wie das neu gebaute Hochhaus in Hamburg bei uns auf der Erde.

Es war einfach der Wahnsinn, wie weit fortgeschritten die Technik hier war. Für diesen Stand würde die Erde noch einige Jahrhunderte brauchen, wenn sie das Klima vorher nicht zerstörte.

Und ich musste echt sagen, dass es mir gefiel. Dorien's Stimme jagte mir immer wieder Schauer über den Rücken. Sie war einfach so schön tief und rau, was ich so sehr liebte. Und wie jedes mal wanderte die Stimme auch wieder nach unten in mein Höschen.

Nach ein paar Stunden flog Dorien uns auch wieder zurück und setzte mich auf meinem Balkon ab, bevor er selbst landete.

Als ich gähnte verabschiedete er sich auch schon von mir und verschwand. Ich dagegen zog mich um und ließ mich kaputt ins Bett fallen.

Der Mann vom anderen Planeten (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt