23.

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Dorien ließ sich auch nicht in den nächsten Tage blicken. Und ich musste zugeben, dass ich ihn tierisch vermisste. Auch wenn es völlig irrational war. Zumindest hatte ich jetzt eine viel nettere Krankenschwester, mit der ich mich etwas angefreundet hatte. Sie war echt lieb und kümmerte sich echt rührend um mich. Fast so, wie eine sorgende Mutter um ihr Kind. Vielleicht machte das auch ihr Alter, da sie bestimmt schon in den 60ern war. Zumindest bei uns Menschen, denn ihre Haare waren bereits ergraut.

"So, Kindchen. Gute Neuigkeiten. Der Arzt sagt, dass du heute noch nach Hause darfst. Soll ich den König für sie anrufen?", fragte Margerete (so hieß die Krankenschwester, Kurzform Meggie) mich als sie mein Zimmer betrat und die Geräte von mir trennte.
Leicht grinste ich sie an. Meggie wusste um die Situation mit Dorien. "Nein, danke, Meggie. Ich rufe Aria gleich an, wenn sie wieder weg sind."
Sie schaute mich besorgt an. "So kann das doch nicht weiter gehen, Kleines. Irgendwann müsst ihr miteinander reden. Du leidest mehr darunter, als du zugeben magst. Rede mit ihm. Glaub mir, dass hilft."
Ich schnaubte. "Jetzt ist er am Zug. Ich bin schon genug auf ihn zugegangen. Er hat die letzten Tage noch nicht einmal nach mir gefragt."
Meggie seufzte nur. "Na gut. Fernseher rufe Aria an."
Danach verließ sie das Zimmer und ließ mich alleine. Nach drei Mal Tuten ging Aria ans Telefon. "Hey, Süße! Was gibt's denn? Ich sag dir, Dorien ist seit Tagen sowas von unleidlich. Er ist kurz vorm ausrasten. Aber er sagt einfach nicht, was los ist!"
Das sah ihm wieder einmal ähnlich. "Wir hatten einen Streit. Aber das ist jetzt nicht von Belang. Ich darf hier endlich raus. Kannst du mich bitte abholen?"
Aria seufzte. "Gut. Ich hole dich ab. Aber dafür erzählst du mir haargenau, was passiert ist!"
Widerwillig stimmte ich zu. Was anderes blieb mir wohl auch nicht übrig.
Ein Krachen ertönte. "Ohoh. Das ist wohl Dorien. Ich schau lieber mal, was er dieses Mal zerstört. Danach mache ich mich direkt auf den Weg zu dir!", versprach sie und legte auf.

Um nicht untätig rum zu sitzen zog ich mir eine Jogginghose und ein T-Shirt an. Doch das T-Shirt wollte partout nicht über meinen Rücken nach unten Rutschen. Etwas verwirrt ging ich ins Bad. Selbst an der Tür stieß ich mich mit irgendwas am Türrahmen.
Was zur Hölle war los? Ich hatte doch nicht so viel zugenommen, dass ich nicht mehr durch die Tür passte. Trotzdem ging ich seitwärts durch die Tür, dabei kitzelte etwas meine Nase, so dass ich niesen musste.
Als ich dann endlich vor dem Spiegel stand, sah ich, was los war. Ich hatte schwarze Flügel, die auf wundersamer Weise lila leuchteten. Also hatte Dorien recht behalten. Der Biss hatte mich zu einem von ihnen gemacht. Nun war ich ein Lypianer.
Komischerweise machte es mir aber keine Angst. Im Gegenteil. Ich fühlte mich wohl mit diesen Flügeln. Doch, wie kam es, dass meine Mutter keine Flügel hatte, war sie doch angeblich die Gefährtin von Dorien's Vater gewesen.

Vielleicht war sie schlau genug, sich nicht beißen zu lassen, ertönte eine mir fremde Stimme in meinem Kopf.

Wer zur Hölle bist du? Und wie kommst du in meinen Kopf?, fuhr ich erschrocken auf.

Mein Name ist Lissa und bin dein inneres Tier. Die Göttin der Lypianer hat mich dir geschickt.

Wie soll das denn gehen? Es gibt keine Götter! Und was ist ein inneres Tier?

Ich bin dein innerer Fluglöwe. So wie du uns betitelt hast. Dabei nennen wir uns Lionwings. Aber unwissenden sollte man ihre Dummheit nehmen, sagte man mir.

Toll, jetzt war ich genau so wie Dorien. Und dann war dieses Vieh auch noch total frech zu mir. Das konnte doch nur heiter werden.

HEY! Ich bin kein Vieh, sondern eine Königin!

Und eingebildet war sie auch noch. Na super. Ich beschloss sie einfach zu ignorieren. Denn ich hatte gerade noch andere Sachen zu tun. Aria würde bestimmt bald da sein und bis dahin wollte ich meine Sachen gepackt haben. Ich wusste noch nicht einmal, wie sie hier her kamen. Aber ich schätzte mal, dass Aria oder Dorien sie vorbei gebracht hatten.
Verwirrter als noch zuvor ging ich zurück in das Krankenzimmer und suchte nach einer Tasche, die ich schließlich in meinem Nachttisch fand. Schnell öffnete ich diese und lief zu dem kleinen Kleiderschrank. Auch ihn machte ich auf und holte die Kleidung raus, die darin lag. Viel war es ohnehin nicht.
Auch ein Oberteil, dass ganz nach der hiesigen Kultur aussah, befand sich darin. Das würde ich jetzt wohl anziehen müssen, da meine Flügel nicht unter das T-Shirt passten. Also zog ich es mir schnell über. Ganz richtig sah es zwar nicht aus, aber Aria würde mir da nachher bestimmt helfen. Hauptsache ich rannte hier nicht halbnackt durch das Zimmer. Schließlich flogen genug Bewohner der Stadt an meinem Fenster vorbei.
Den Rest packte ich in die kleine Tasche und schloss sie. Jetzt konnte ich nur noch warten.

Etwa eine halbe Stunde später kam auch schon Aria, die in Lachen ausbrach, als sie mich sah. "Hahahhahahsh.. du musst dringend mal unsere Kleidung kennen lernen! Du siehst echt albern aus!"
Gespielt sauer funkelte ich sie an. "Na danke! Ich bin schon lange genug hier, da hättest du es mir auch mal zeigen können!"
Sie kam auf mich zu und richtete mir das Top. "Mach ich, sobald Dorien wieder normal im Kopf ist. Der ist drauf und dran einen Krieg anzuzetteln, wenn er so weiter macht."
Ich schaute sie geschockt an. "Bitte? Was macht er? Ist er denn von allen Geistern verlassen?! Oh! Immer ich muss seinen Mist ausbaden! Bring mich zu ihm!"
Ohne ein weiteres Wort nahm sie meine Tasche und flog durch das offene Fenster raus. Doch ich hatte keine Ahnung, wie ich fliegen sollte, also blieb ich frustriert stehen.
Als Aria begriff was los war, lachte sie kurz auf. "Versuch einfach, deine Flügel zu bewegen."
Die hatte gut reden. Sie konnte es ja wahrscheinlich von Geburt an. Aber der Versuch schadete nicht. Also versuchte ich es. Nur klappte es nicht so, wie es sollte. Ich schmiss dabei nämlich nur sämtliche Geräte in diesem Zimmer um.
Aria konnte sich nicht mehr halten vor Lachen. "Okay. Wir versuchen das ein anderes Mal erneut. Dorien zerlegt gerade den Trohnsaal. Wir sollten uns ein bisschen beeilen."
Sie flog wieder zum Fenster rein und packte mich um die Taille. Mit mir im Schlepptau flog sie auch schon in Richtung Schloss.
"Also, warum habt ihr euch nun wieder gestritten?", bohrte Aria nach.
Mist, ich dachte echt, dass sie das ausnahmsweise vergessen hatte. Aber es half nichts, also erzählte ich ihr, was sich vor einigen Tagen ereignet hatte. "... Ich verstehe es einfach nicht. Wir machen einen Schritt aufeinander zu und dann doch wieder zwei zurück. Vor allem ist er immer so aufbrausend, ja fast aggressiv. Anstatt das er einmal rational an die Sache ran geht. Ich werde aus ihm einfach nicht schlau! Was ist sein Problem?"
Aria seufzte. "Diese Tracy hatte ich noch nie gemocht. Ich wusste schon immer, dass sie Dorien nur wollte, weil sie auf den Posten als Königin wollte. Doch du versuchst ihn zumindest zu verstehen und das zeugt von wahrer Stärke. Das sieht man auch an deinen Flügeln."
Irritiert schaute ich sie an. "Wieso sollte man das an meinen Flügeln sehen? Ich kapiere nicht."
"Deine Flügel schimmern lila, dass heißt, das du eine sehr ruhige aber doch kräftige Person bist. Die für andere einsteht, wenn sie sieht wenn jemand unfair behandelt wird. Du bist auch sehr mächtig. Sogar mächtiger als Dorien. Aber da du gewandelt bist, kann das eigentlich nicht sein. Es sei denn, die Legende stimmt wirklich. Aber dazu weiß ich nichts genaueres, da ich mich nie wirklich dafür interessiert habe. Da fragst du am besten Dorien.", erklärte mir Aria und landete auf dem Balkon vor dem Thronsaal.
Ich sollte mächtiger sein als Dorien? Das kann doch nicht möglich sein. Aria verarschte mich 100%ig. Es war einfach unmöglich.

Ein Krachen holte mich aus meinen Überlegungen. Dorien hatte einen Beistelltisch aus dem Fenster etwas weiter vorne geschmissen. Ich musste mich wohl um ihn kümmern, bevor er komplett ausrastete.
Ich betrat den Thronsaal durch das eben entstandene Loch. Dorien hatte sich eben auf einen Stuhl gestürzt, der neben seinem Thron stand. Dieser war aber genau so edel, wie der Thron selbst. Vermutlich war es dann wohl mein Thron, den ich irgendwann besteigen musste.
"Dorien! Es reicht! Du hast schon genug angerichtet!", donnerte ich los und zog somit seine Aufmerksamkeit auf mich. Als er mich das letzte Mal gesehen hatte, waren die Flügel noch nicht sichtbar gewesen.
Er schaute mich mit großen Augen an. "Du bist... wunderschön!"
Bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, war er bei mir und nahm mich einfach in den Arm. Eigentlich wollte ich das nicht, aber es war nun mal der einzige Weg ihn zu beruhigen.
Und ich musste ehrlich zugeben, dass ich seine Nähr vermisst hatte. Auch wenn ich immer noch sauer auf ihn war, genoss ich es einfach hier in seinen Armen zu stehen.

Nach einer Weile ließ er mich dann endlich los. "Bist du jetzt bereit mir zuzuhören?"
Doch bevor ich antwortete ging die Tür auf und ich drehte mich um. Als ich sah, wer da stand blieb mir glatt die Luft weg. In der Tür stand niemand anderes als mein Vater.

Der Mann vom anderen Planeten (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt