22.

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Nach gefühlten Jahren wachte ich auch aus meinem Dornröschenschlaf auf. Dorien war vor Wochen verschwunden und ließ mich in Ruhe. Er hatte es wohl nicht für nötig befunden, mich weiterhin zu besuchen. Und das verletzte mich. Mehr als es sollte.

Vorsichtig schlug ich die Augen auf. Jedoch brachte mich das grelle Licht dazu, sie schnell wieder zu schließen. Das tat echt mega weh in den Augen. Kurz darauf versuchte ich es erneut. Diesmal ließ ich sie erst mal an die Helligkeit gewöhnen, bevor ich die Augen komplett auf machte.
Als erstes sah ich eine weiße Decke. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf nach links. Dort sah ich einige medizinische Geräte, deren Schläuche zu meiner Brust führten. Was die aber bezwecken sollten, wusste ich nicht. Biologie und Chemie waren noch nie meine Lieblingsfächer gewesen. Und mit Krankenhäusern hatte ich eh nie viel am Hut. Hinter den Geräten sah man eine Fensterfront, die einen guten Blick auf die Stadt gab. Ich musste zugeben, dass es hier sehr schön war und ich mich hier sehr wohl fühlte. Selbst in meinen Ohren hörte sich das falsch an, obwohl es sich richtig anfühlte.
Ich drehte den Kopf nach vorne. Dort war lediglich eine weiße Wand und ein Bildschirm. Der sah genau so aus, wie in meinem Zimmer im Schloss.
Auf der rechten Seite war ein kleiner Kleiderschrank und zwei Türen zu erkennen. Die eine führte wohl zu einem Badezimmer und die andere raus auf den Flur. Auch ein Nachttisch stand da, sowie ein Stuhl. Alles in allem wirkte es wie ein Krankenzimmer.

Mir fiel ein, dass ich wohl jemanden rufen musste, da ich ja wach war. Ich drückte den roten Knopf, der an meinem Nachttisch hing.
Keine Minute später stand eine aufgetackelte Tussi in meinem Zimmer, die meine Vitalwerte checkte. Noch nicht mal vorgestellt hatte sie sich. Sie benahm sich so, als sei sie etwas besseres und das konnte ich gar nicht ab.
"Bist du zu fein mit mir zu reden, oder was?", fragte ich sie mit genervter Stimme.
"Du bist es nicht wert, dass man mit dir spricht. Dorien wird es auch noch merken!", antwortete sie gleichgültig und fummelte an einem der Geräte herum.
Ich lachte auf. "Dorien hat dich bestimmt schon über mich aufgeklärt. Ich glaube nicht, dass ihm gefallen wird, wie du mit mir umspringst!"
Wie konnte diese Frau mich so aus der Fassung bringen? Ich war noch nie eifersüchtig gewesen. Doch etwas hatte sich in mir verändert. Zumindest seit diesem Biss.
"Hör zu, du kleine Schlampe! Dorien gehört mir, also lass die Finger von ihm! Sieh lieber zu, dass du dahin zurück kriechst, wo du her gekommen bist!", drohte sie mir und kam mit ihrem überbemaltem Gesicht viel zu nahe.
Jetzt reichte es mir. Noch hatte ich zwar nicht all meine Kraft zusammen, aber das ließ ich mir nicht bieten. Ich riss meinen Arm nach oben und packte sie am Hals. "Droh mir noch einmal, du Hure, und du wirst deines Lebens nicht mehr froh!"
Plötzlich gurgelte sie und fing an zu zappeln. Sie wurde sogar etwas blau um die Lippen.
Als ich das bemerkte, schreckte ich vor mir selbst zurück und ließ von ihr ab. Woher kam diese Kraft? Was passierte mit mir?
Die Tussi war auch schon wieder verschwunden. Bestimmt petzte sie es jetzt Dorien, aber das war mir herzlich egal. Er hatte mir noch so einiges zu erklären, wenn ihm mal wieder einfällt, dass es mich auch noch gab.

Ich lag hier schon seit mehreren Stunden und starrte in die Luft. Auf nichts hatte ich Lust. Noch nicht mal auf Fernsehen.
Irgendwas in meinem Innerrn fühlte sich so unglaublich leer an. So als würde ich etwas, dass ich unendlich liebte, schmerzlich vermissen. Diese Leere hatte ich noch nicht mal beim Heimweh nach meinem Vater. Also was war das? Ich konnte es einfach nicht verstehen.
Die Tussi hatte sich auch nicht wieder blicken lassen. Aber das war mir gerade recht. Auf noch so einen Schlagabtausch hatte ich keine Lust, wie auf überhaupt alles. Nichts wollte mich gerade auf andere Gedanken bringen. Immer wieder dachte ich an Dorien. Wieso besuchte er mich nicht mehr? In der Zeit, wo ich zwischen den Welten schwebte war er der Einzige gewesen, den ich wahrnehmen konnte. Es tat einfach weh zu wissen, dass er mich scheinbar vergessen hatte.

Plötzlich ging die Tür auf. Ich drehte meinen Kopf nach rechts. Dorien stand wutschnaubend in der Tür. "Sag mal, hast du sie noch alle? Wieso fällst du Tracy an? Und das auch noch ohne Grund!", brüllte er auch schon los. Und das ohne ein freudiges Wort, dass ich wieder wach war. Und es verletzte mich noch mehr, als ich zugeben wollte.
Erneut wurde ich wütend. Das war bei meinem Zustand glaube nicht gerade förderlich für die Genesung, aber das war mir gerade sowas von egal. "Ohne Grund? Sagt sie das, ja? Dann wird es wohl so gewesen sein! Ist ja klar, dass die arme kleine Tracy nichts für ihren Zustand kann!"
Er schnaubte wütend auf. "Sowas macht man nicht! Du kannst noch nicht mit deinen Kräften umgehen! Verdammt! Der Biss hat dich zu einer von uns gemacht!"
"Und wessen Schuld ist das? Bestimmt nicht meine! Ich hatte nie gedacht, dass du mich einfach so beißt! Und jetzt zu deiner Tracy! Sie ist nicht so unschuldig, wie sie immer tut! Denkst du ich lasse mir einfach so drohen? Ganz sicher nicht! Schon gar nicht, wenn sie unglücklich in jemanden verliebt ist, der mich scheinbar behehrenswerter findet als sie! Merk dir das! Und bevor du grundlos losbrüllst, solltest du in Zukunft wohl erst beide Seiten anhören! Nicht nur eine, die auch noch erstunken und erlogen ist!", brüllte ich ihn an. Klappte zwar nicht so gut, da meine Stimme noch immer etwas kratzig und schwach war, aber das juckte mich gerade herzlich wenig.
Und da war Dorien still. Lediglich ging die Tür erneut auf und Tracy kam mit selbstgefälligem Grinsen reingestöckelt. Wie konnte man als Krankenschwester mit High Heels den ganzen Tag rum laufen? Da brannten doch einem die Füße, wie Sau.
Dorien wendete sich an Tracy. "Was fällt dir ein, mich, DEINEN KÖNIG, anzulügen?"
Tracy sah ihn mit einem Blick an, der wohl unschuldig wirken sollte, dabei sah sie aus wie eine zugeklatschte Barbie auf Drogenentzug. "Ich würde Euch doch nie anlügen, mein König! Sie lügt doch wie gedruckt!"
Dabei hatte sie mit dem Finger auf mich gezeigt. Doch Dorien ließ sich nicht beirren. "Wieder eine Lüge, Tracy. Das war gerade deine letzte Chance. Du kannst deine Sachen packen und gehen! In meinem Königreich bist du nicht mehr willkommen! Vielleicht nimmt dich einer der niederen Alphas auf! Und jetzt verschwinde!"
Geschockt schaute besagte Dame den König an. "Aber, Herr..."
"Nichts aber! Mein Geduldsfaden ist gerade gerissen! Verschwinde und lasse dich hier nie wieder blicken!", unterbrach Dorien sie direkt.
Ich musste ihm zu Gute halten, dass er zu mir hielt. Jedoch tat mir sein Vorwurf immer noch weh.
Nachdem Tracy verschwunden war, natürlich nicht ohne mir einen bösen Blick zuzuwerfen, wandte sich Dorien zu mir um. "Es tut mir leid, Ranya. Ich hätte erst deine Seite..."
Ich ließ ihn nicht ausreden. Seine Entschuldigung wollte ich gerade einfach nicht hören. "Lass es sein, Dorien. Geh einfach."
"Ranya, bitte! Es tut mir leid!", sprach er mit einer Tonlage, die etwas nieder-
geschlagen anhörte.
"Ich sagte, dass du es lassen sollst! Die letzte Zeit warst du auch nicht da! Und das obwohl du der Einzige warst, den ich wirklich wahrnehmen konnte! Du hast mich einfach alleine gelassen! Also kannst du das jetzt auch!", brüllte ich nun mit etwas stärkerer Stimme. Mit Mühe verkniffen ich mir meine Tränen. Mein Stolz ließ nicht zu, dass ich sie ihm zeigte.
"Lässt du mich vielleicht erst mal erklären, warum ich nicht da war?", fragte Dorien jetzt auch ein wenig wütend.
Ich schüttelte den Kopf. "Geh!"
"Schön! Melde dich, wenn du dich wieder beruhigt hast!", schnaubte nun Dorien und ließ mich alleine mit meinen Gedanken und Gefühlen.

Der Mann vom anderen Planeten (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt